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Der arme Jack. Фредерик МарриетЧитать онлайн книгу.

Der arme Jack - Фредерик Марриет


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Kamerad, das ist eine kuriose Geschichte und handelt von noch kurioseren Leuten. Ich hätte mir nichts daraus gemacht, mit dieser alten Pflicht zu segeln. Schätz wohl, wir trinken seine Gesundheit.“

      „Von ganzem Herzen, denn Ihr habt recht, alter Knabe. Wenn wir wissen, was wir zu gewärtigen haben, so müssen wir stets darauf gefasst sein, aber einige von den Offizieren, mit denen ich segelte, schlugen um, wie ein Verklicker, und da weiss man nie, wie man mit ihnen dran ist. Ich erinnere mich — — aber he, Jack, schätz wohl, Du thust Dich ein — Deine Augen zwinkern und blinzeln wie die einer Eule im Sonnenschein. Du bist müde, Knabe; geh’ daher zu Bette. Heute Nacht werden keine Fäden mehr erzählt.“

      Ich war allerdings sehr müde und konnte meine Augen kaum mehr offen halten; ich ging daher die Treppe hinauf und schlief, als ich meinen Kopf auf das Kissen legte, sogleich ein.

      Siebentes Kapitel.

      In welchem meine Mutter dem Vater eine Schriftlehre giebt. — Schmerz des letzteren über die Trennung von einem alten Freunde. Er macht meiner Mutter Vorstellungen und verlässt das Haus.

      Am andern Morgen erwachte ich zeitig, denn ich hatte mich die ganze Nacht unruhig hin- und hergeworfen und von den ungewöhnlichen Ereignissen des vorigen Tages geträumt. Es war noch dunkel; ich rief mir das Vorgefallene ins Gedächtnis, mir eben Gedanken darüber machend, was aus meinem Vater geworden sei, als ich in meiner Mutter Zimmer ein Geräusch hörte. Ich lauschte — die Thür that sich auf und sie ging die Treppe hinunter.

      Dies überraschte mich. Trotz meiner Jugend wusste ich doch den rachsüchtigen Charakter zu würdigen, den meine Mutter bei jeder Gelegenheit zeigte, und konnte, in der Angst um meinen Vater, nicht mehr im Bette bleiben. Ich zog meine Beinkleider an und schlich ohne Schuhe leise die Treppe hinunter. Die Thür des Vorderzimmers war weit offen und ich sah hinein. Das Licht fiel matt durch das Fenster, das gegen die Strasse hinausging. Der Tisch war mit ausgerauchten Pfeifen, Tabak und grossen Lachen vergossenen Bieres und Branntweins bedeckt, das Sofa leer, und mein Vater, der sich augenscheinlich in der Nacht schwer betrunken hatte, lag, das Gesicht abwärts, auf dem mit Sand bestreuten Boden. Meine Mutter stand in ihrem kurzen Bettkittel und Flanellunterrock über ihm — die Zähne verbissen, die Fäuste geballt und die Arme erhoben, während ein wilder Ausdruck der Rache in ihrem Gesichte blitzte. Es war mir damals, als habe ich sie nie so hässlich — ja ich darf wohl sagen, so schrecklich — gesehen, ja selbst jetzt noch lässt sich dieser Eindruck nicht aus meinem Gedächtnisse verwischen. Nach einigen Minuten kniete sie nieder und legte ihr Ohr dicht an seinen Kopf, als wollte sie sich überzeugen, ob er fest schlafe; dann nahm sie ein Messer von dem Tische, befühlte die Schneide, blickte auf meinen hingestreckten Vater und erhob es. Ich wollte laut hinausschreien, aber das Entsetzen lähmte die Zunge vollständig. Sie schien nachzudenken; nach einer Weile legte sie das Messer wieder auf den Tisch, drückte die Fläche ihrer Hand an die Stirn, und dann überflog ein Lächeln ihre düsteren Züge. „Ja, und wenn er mich umbringt — aber so wird’s besser gehen,“ murmelte sie endlich. Sie ging nach dem Schranke, nahm eine Schere heraus, kniete bei meinem Vater nieder und begann ihm den langen Zopf vom Kopfe zu trennen. Mein Vater schlief zu fest, um bei dieser Operation zu erwachen. In einer Minute war der Zopf abgeschnitten, und meine Mutter erhob sich, ihren Raub mit dem Ausdrucke der höchsten Verachtung zwischen Finger und Daumen haltend. Dann legte sie ihn sachte an seine Seite und schloss die Schere wieder in den Schrank. Da ich vermutete, sie werde jetzt zurückkommen und die Treppe hinaufgehen, so verbarg ich mich in der Hinterküche. Ich hatte richtig geschlossen, denn einen Augenblick später hörte ich sie nach ihrem Gemach hinaufsteigen.

      Ich muss sagen, dass ich sehr entrüstet über dieses Benehmen meiner Mutter war, denn sie hatte nicht nur keinen Anlass dazu, sondern nicht einmal die Strafe erhalten, die sie für ihren früheren Verrat mit Recht verdient hatte. Möglich übrigens, dass, wie bei den meisten Leuten, mein Urteil durch die üble Behandlung beeinflusst war, die sie mir hatte zu teil werden lassen. Ich machte mir eine Weile Gedanken, was wohl die Mutter zunächst thun würde, da sie doch wohl kaum im Hause bleiben und dem Zorne meines Vaters entgegentreten konnte, wenn er die Entdeckung machte. Wahrscheinlich suchte sie ihm zu entkommen, aber dies sollte sie nicht. Ich schlich daher leise in das Vorderzimmer und rüttelte an meinem Vater, um ihn zu wecken. Dies war lange Zeit eine vergebliche Mühe — er murrte, brummte, es schien unmöglich, ihn zu sich zu bringen. Auf dem Tische stand noch ein halbgefüllter Wasserkrug, den ich jetzt ergriff und allmählich in den Nacken meines Vaters ausgoss, da ich schon früher bemerkt hatte, dass man mit betrunkenen Matrosen ein ähnliches Verfahren vornahm. Dies übte nach ein paar Minuten die gewünschte Wirkung. Er wandte sich um, öffnete die Augen und sah mich, als ich den Finger an meine Lippen legte, um ihm Stillschweigen aufzuerlegen, mit stieren Blicken an. Die Zeit drängte. Ich hörte meine Mutter oben umhergehen und fürchtete, sie könnte das Haus verlassen, ehe mein Vater zur Besinnung gekommen wäre. Ich nahm daher den Zopf vom Boden auf und hielt ihm denselben vor die Augen. Dies schien ihn zu überraschen; er sah ihn ein paar Sekunden an und griff dann, als argwöhnte er endlich, was vorgegangen sei, mit der Hand nach der Hinterseite seines Kopfes, wo er die an ihm begangene Verstümmelung entdeckte. Plötzlich sprang er auf und schien mit einem Male ganz nüchtern zu werden. Den Zopf aus meiner Hand reissend, betrachtete er ihn, warf sich, als er den Verlust nicht mehr bezweifeln konnte, auf das Sofa und weinte wie ein Kind.

      „Ich habe mitangesehen, Vater, wie es die Mutter that,“ flüsterte ich ihm ins Ohr.

      Dies schien ihn zu sich zu bringen. Er raffte sich auf, wischte die Augen mit dem Rücken seiner Hand, knirschte mit den Zähnen und schüttelte den Kopf. Dann warf er seinen Zopf auf den Boden, betrachtete ihn, und eine tiefe Schwermut breitete sich über sein Gesicht. Nach einigen Minuten kreuzte er seine Arme und brach in folgende Klage aus:

      „Nein, nie würde ich es geglaubt haben, wenn man mir gesagt hätte, dass wir beide uns einmal trennen sollten. Wie viel Jahre hat es bedurft, bis du zu deiner gegenwärtigen Länge heranwuchsest — wie oft habe ich dich geflochten, gekämmt und eingebunden. Mancher Aal wurde dir zu lieb abgezogen, und manche Elle Band hast du mich gekostet — du warst der Neid meiner Schiffsgenossen, die Freude der Weiber und der Stolz des armen Tom Sounders. Ich dachte, wir würden uns auf Erden nie scheiden, und hoffte, es werde mir, im Fall ich Vergebung meiner Sünden finde und ein sauberes Log zeigen könne, gestattet sein, dich auch in einer künftigen Welt zu tragen. Aber da bist du — abgetrennt für das ganze Leben, wie ein Glied, das im Treffen durch eine Kugel weggerissen wird und sich nie wieder splissen lässt. Was soll ich sagen, wenn ich wieder an Bord komme? Statt eines langen Zopfes bringe ich eine kurze Geschichte mit. Und das Weib meines Busens konnte dies thun! Nun, ich habe zu hoch hinauf geheiratet, und nun ist mir mein Stolz gelegt worden. Jack, heirate nie die Kammerjungfer einer gnädigen Frau, denn es scheint, dass das Vieh nur um so giftiger ist, je länger es seinen Namen dehnt.“

      Er hatte kaum geendet, als ich meine Mutter die Treppe herunterkommen hörte: sie hatte Virginia angekleidet und wollte sie mitnehmen.

      „Bst!“ sagte sie leise zu Virginia, „sprich nicht, mein Kind, damit Du nicht Deinen taugenichtsigen Vater weckest.“

      Sie hatte dies kaum ausgesprochen, als sie, Virginia auf dem einen und ein grosses Bündel auf dem andern Arme, eintrat. Sobald sie bemerkte, dass mein Vater wachte und die von ihr geübte Rache kannte, stiess sie einen lauten Schrei aus, liess Virginia samt dem Bündel fallen, eilte nach ihrer Stube hinauf und schloss sich ein.

      Die arme kleine Virginia schlug mörderliches Gezeter über diesen sehr ungewöhnlichen (und ich glaube galgenwürdigen) Akt des Kinderfallenlassens von seiten einer Mutter an. Ich eilte auf sie zu und trug sie nach dem Sofa, während mein Vater mit zusammengepressten Lippen zuerst zwei oder drei Halbdeckschritte durch das Zimmer machte, dann die Hausthür verschloss, den Schlüssel in die Tasche steckte und die Treppe hinaufging, um meiner Mutter, die sich vermutlich recht gerne als „nicht zu Hause“ hätte melden lassen, einen Besuch zu machen. Es giebt übrigens zudringliche Leute, die keine Zurückweisung annehmen wollen. Mein Vater nahm daher einen Anlauf von drei oder vier Schritten und brachte das ganze Gewicht seines Fusses gegen die Thür, sodass diese aufflog.

      Anfangs war meine Mutter nicht sichtbar, weshalb er glaubte, sie möchte


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