Monsieur Violet's Reisen und Abenteuer in Californien, Sonora und dem Westen von Texas. Фредерик МарриетЧитать онлайн книгу.
erste Gefahrsignal, von den Vorposten aus gegeben, reichte bald bis in den Mittelpunkt der Stadt, und nun sah man in allen Richtungen nichts als ein hurtiges Trappeln dieser quecksilbernen und aufregbaren Ortsbürger, indem jeder nach seiner Hütte oder seinem Loche eilte. So weit das Auge reichen konnte, breitete sich die Stadt aus, und in allen Richtungen war das Schauspiel das gleiche. Wir ritten gemächlich weiter, bis wir auf dem bevölkerteren Theile der Ansiedelung angelangt waren, wo wir Halt machten und uns, nachdem wir unseren Pferden zum Zwecke des Weidens die Zügel abgenommen hatten, zu einem regelmässigen Angriffe auf die Ortsbürgerschaft anschickten.
Die Löcher standen nicht mehr als fünfzehn Schritte von einander und hatten nach verschiedenen Richtungen wohlbetretene Pfade; ja, ich glaubte sogar, in Anlegung der Strassen eine gewisse Regelmässigkeit entdecken zu können.
Wir setzten uns auf einen Aufwurf unter dem Schatten eines Musquitbaums und betrachteten mit Musse das vor uns liegende Schauspiel. Unsere Ankunft hatte sämmtliche Thiere in unserer unmittelbaren Nachbarschaft nach ihrer Wohnung getrieben, aber einige hundert Ellen weiter sass auf dem kleinen Erdhügel vor einer Höhle ein Thier auf seinen Hinterbeinen und blickte ruhig umher, um sich von der Ursache des kürzlichen Getümmels zu überzeugen. Hie und da verliess ein einzelner Bürger, der wagehalsiger war, als sein Nachbar, seine Wohnung, um einen Kameraden zu besuchen; er mochte wohl mit demselben ein paar Worte zu sprechen haben, und trappelte dann wieder zurück, so schnell ihn seine Beine tragen konnten.
Da wir uns ganz still verhielten, so bemerkten wir endlich, dass einige unserer nähern Nachbarn ihre Köpfe vorsichtig aus ihren Löchern steckten und mit pfiffigem Spähen umherschauten. Endlich tauchte hin und wieder ein Hund aus seiner Wohnung auf, hockte auf seinen Lugaus, schüttelte den Kopf und begann zu kläffen.
Wir bewachten drei Stunden die Bewegungen dieser Thiere, und langten gelegentlich eines davon mit unsern Büchsen ab. Unsere Ausbeute betrug nicht weniger, als neun Stück. Ich muss hier eines im höchsten Grade sonderbaren Umstandes erwähnen, welcher Zeugniss ablegt von dem geselligen Tone dieser Thiere und von der Liebe, die sie zu einander hegen.
Eines davon hatte sich auf einen Erdhaufen vor seinem Loche gesetzt und bot uns ein schönes Ziel, während der Kopf eines Kameraden, der wahrscheinlich zu schüchtern war, um sich weiter auszusetzen, aus dem Eingange hervorguckte. Eine wohlgerichtete Kugel streifte dem ersten Hunde den ganzen obern Theil des Schädels ab und schmetterte ihn zwei oder drei Fuss von seinem Posten todt nieder. Während wir wieder luden, kam der andere keck heraus, ergriff seinen Kameraden bei einem Beine, und hatte ihn, ehe wir an dem Loche anlangten, vollkommen aus unserm Bereiche gezogen, obgleich wir’s versuchten, ihn mit den Ladstöcken herauszulangen.
Es lag Gefühl in dieser Handlungsweise, — so zu sagen etwas Menschliches, was die Thiere in meiner Achtung hob, und ich schoss später nie wieder einen Präriehund, wenn ich nicht durch äussersten Hunger dazu getrieben wurde.
Der Prairiehund ist von der Grösse eines Kaninchens, etwas schwerer und gedrungener vielleicht, hat aber viel kürzere Beine. Dem Aeussern nach hat er Aehnlichkeit mit dem Erdschweine des Nordens, obgleich er ein wenig kleiner ist, als das Letztere. Die Prairiehunde sind gesellig und leben nie allein, wie andere Thiere, sondern finden sich stets als ganze Dörfer oder grosse Ansiedelungen. Wenn man sie nicht stört, sind sie ein wildes, fröhliches, unruhiges Völklein, das stets auf dem Zuge ist. Sie scheinen ein besonderes Vergnügen daran zu haben, ihre Zeit zu verplaudern und von Loch zu Loch bei ihren Gevattern Besuche zu machen; wenigstens möchte man dies aus ihrem Treiben glauben. Alte Jäger sagen, wenn sie einen guten Ort für ein Dorf finden und kein Wasser zur Hand haben, so graben sie einen Brunnen, um die Bedürfnisse der Gemeinde zu befriedigen.
Bei mehreren Gelegenheiten kam ich ihren Dörfern, ohne bemerkt zu werden, so nahe, dass ich ihre Bewegungen heobachten konnte. In einer dieser Ansiedelungen sah ich im Mittelpunkte einen sehr grossen Hund, der vor seiner Thüre oder am Eingange seines Bau’s sass und, so viel ich aus seinem eigenen Treiben und dem seiner Nachbarn entnehmen konnte, der Präsident, Schuldheiss oder Häuptling zu seyn schien; jedenfalls war er der „grosse Hund“ des Platzes.
Ich bewachte wenigstens eine Stunde die Bewegungen dieser kleinen Gemeinde, während welcher Zeit der erwähnte grosse Hund wenigstens ein Dutzend Besuche von seinen Kameraden erhielt, welche eine Weile Halt machten, mit ihm plauderten und dann wieder nach ihrem Wohnsitze eilten. Diese ganze Zeit über wich er keinen Augenblick von seinem Posten, und es kam mir vor, als bekunde er in seinem Benehmen eine gewisse Würde, welche ich bei denjenigen, die sich mit ihm unterhielten, nicht entdecken konnte. Ich will nicht behaupten, dass diese Besuche Geschäftssachen betrafen oder etwas mit der Regierung des Dorfes gemein hatten, indess gewann es doch ganz einen derartigen Anschein. Wenn Thiere mit Schlussvermögen begabt sind, oder ihren gesellschaftlichen Verband durch systematische Gesetze zu regeln vermögen, so möchte man dies von den Prairiehunden behaupten.
In verschiedenen Theilen des Dorfes sah ich die Angehörigen hüpfen, scherzen, sich besuchen und hin und wieder Purzelbäume in ihre Löcher machen; mit Einem Worte, sie schienen alle Arten von Kurzweil zu treiben. Ich bemerkte auch eine besondere Art von Eulen unter ihnen, die sich jedoch den Spielen nicht anschlossen, obgleich sie mit den Hunden auf einem guten Fuss zu seyn schienen und in denselben Löchern aus- und eingingen, als wären sie Familienangehörige, oder doch wenigstens Gäste. Auch Klapperschlangen wohnen in diesen Dörfern, obgleich die unter den Mexikanern herrschende Ansicht, als ständen sie auf geselligem Fusse mit den Hunden, ganz lächerlich und grundlos ist.
Die Schlangen möchte ich als Landstreicher betrachten, die sich nicht so leicht von den regelmässigen Einwohnern abschütteln lassen und die Wohnungen der Hunde benützen, weil sie anderswo keine gemächlichere Quartiere finden können. Wir erlegten eine derartige Bestie in der Nähe eines Baues; sie hatte ein frischgeworfenes Hündlein im Leibe, obschon ich nicht glaube, dass sie über ausgewachsene Thiere Herr zu werden im Stande ist.
Die von uns besuchte Stadt war mehrere Meilen lang und wenigstens eine Meile breit. Rund umher und in der Nachbarschaft befanden sich kleine Dörfer, gleichsam als Vorstädte. Wir zündeten ein Feuer an und kochten drei der erlegten Thiere. Das Fleisch war ungemein süss, zart und saftig, ungefähr wie das des Eichhörnchens, aber fetter.
Zwölftes Kapitel.
Unter den Apachen, die uns begleiteten, waren auch zwei Comanchen, welche vor fünfzehn Jahren Zeugen von dem Tode des bekannten Overton gewesen waren. Da dieser Unglückliche eine kurze Zeit als englischer Agent bei der Pelzkompagnie thätig war, so wird sein wildes, romantisches Ende wahrscheinlich für die vielen Leser, die ihn kannten, Interesse haben; jedenfalls gibt die Erzählung ein Beispiel von der gesetzlosen Laufbahn, zu welcher Viele in der westlichen Wildniss ihre Zuflucht nehmen.
Vor etwa vierundvierzig Jahren hatte sich ein spanischer Händler am Fusse der Grünen Gebirge unter einem Stamme der Tonquewas15) niedergelassen. Er lebte mit einer indianischen Squaw sehr gemächlich und zahlte keine Steuern, indem er im Gegentheil hin und wieder von den Ansiedelungen der Provinz Santa Fé sogar Abgaben in der Form des sogenannten schwarzen Zinses erhob. Bei Gelegenheit eines seiner Ausflüge wurde er jedoch ergriffen und gehangen — ein Ereigniss, das sowohl bei den Spaniern, als den Tonquewas bald in Vergessenheit gerieth. Er hatte ausser seiner Indianerin und einem Kinde ein beträchtliches Vermögen zurückgelassen, das der Stamm für sich einzog, indem er die Wittwe und ihren Sprössling abschüttelte. Sie gerieth zufällig in die Hände eines lustigen, unverheiratheten, canadischen Schlingenjägers, der, aus Ermangelung einer besseren, die Squaw zum Weibe nahm.
Mittlerweile hatte die junge Halbzucht das Alter der Mannbarkeit erreicht und entwickelte frühzeitig ein wunderbares Talent für Sprachen. Die Squaw starb, und der Jäger, der jetzt an die glücklichen Tage zurückdachte, welche er unter dem civilisirten Volke des Ostens verlebt hatte, beschloss, zu demselben zurückzukehren und den jungen Mengling, den er in Folge des langen Umgangs lieb gewonnen hatte, mit sich zu nehmen. Sie kamen nach St. Louis, wo der junge Mensch bald genug Englisch lernte, um sich verständlich zu machen, und als er eines Tages seinen Stiefvater, der die Osagen besuchen wollte, begleitete, ermordete er denselben unterwegs, bemächtigte sich seines Pferdes, seines Gewehrs und der übrigen Habe, um für sich selbst anzufangen.