Auf zwei Planeten (Science-Fiction). Kurd LaßwitzЧитать онлайн книгу.
versteht.«
»Das tut er, gewiß, das tut er«, sagte Jo, indem er La freundschaftlich das Haar streichelte. »Aber was will das jetzt sagen – das heißt, Oß ist ein tüchtiger Techniker, brillanter Abariker, weiß es – doch um die Überfahrt zu machen, dazu gehört heute nicht mehr viel, das kann man lernen. Ja, liebe La, vor – nun, Sie lebten wohl noch nicht, als ich meine erste Fahrt als Lehrling machte, da war's etwas anderes; da gab's noch keine Außenstation auf der Erde, von der aus man den Mars jederzeit sehen und nach ihm telegraphieren konnte. Und wenn so ein Schiff zehn oder zwanzig Richtschüsse zum Anlegen mithatte, da galt es schon als besonders fein ausgerüstet. Da haben wir Dinge erlebt, wovon Ihr junges Volk keine Ahnung habt.«
»Erzählen Sie«, bat La, »bleiben Sie noch, Jo, Sie müssen uns etwas erzählen. Sie haben es eigentlich längst versprochen. Setzen Sie sich, die Bate müssen es auch hören.«
13. Kapitel
Das Abenteuer am Südpol
Grunthe und Saltner hatten sich inzwischen mit den übrigen Martiern unterhalten. Diesmal waren sie recht gründlich nach allerlei Einrichtungen der Menschen ausgefragt worden. Grunthe beschrieb ihnen auf der Karte die Wohnplätze der verschiedenen Rassen und die Abgrenzungen der bedeutendsten Staaten. Sie waren sehr erstaunt zu hören, daß es große Gebiete der Erde gäbe, die man noch gar nicht oder sehr wenig kenne, und daß ihre Einwohner keinerlei Einfluß auf die Geschicke der ganzen Menschheit ausübten. Bei den Martiern bestehe zwar auch ein sehr großer Unterschied zwischen der Bildung der einzelnen Bewohner und Volksstämme, aber gänzlich unzivilisierte Landschaften gäbe es überhaupt nicht. Grunthe fragte nach der Anzahl der Marsbewohner und erfuhr zu seiner Überraschung, daß sie nicht weniger als dreitausendeinhundert Millionen betrüge, also das doppelte der Zahl der Menschen, auf einer viermal so kleinen Oberfläche zusammengedrängt wie die der Erde.
»Da können wir Ihnen einen Teil von uns überlassen«, sagte einer der Martier scherzend.
»Es würde Ihnen auf der Erde zu schwer werden«, erwiderte Saltner, dem der Gedanke eines Einfalls der Martier auf die Erde recht bedenklich erschien. »Lieber kommen wir ein wenig zu Ihnen.«
»Aber erst lernen Sie ordentlich balancieren«, ertönte eine Stimme aus der Luft. »Ich werde gleich einmal nachsehen.«
Es war Ses Stimme. Sie hatte die Klappe des Fernsprechers geöffnet und gerade Saltners Worte verstanden.
Gleich darauf erschien sie an der Tür. Um seine Geschicklichkeit zu erweisen, überschritt Saltner den ›Strich‹ und ging ihr vorsichtig entgegen. Sie lachte herzlich und rief, ihm die Hand entgegenstreckend: »Es geht schon ganz gut, Sie haben Fortschritte gemacht.«
Saltner ergriff die Hand und bückte sich, um sie an seine Lippen zu führen. Diese Verbeugung ging auch ganz gut vonstatten, aber als er sich aufrichten wollte, geschah es zu plötzlich, und er lief Gefahr, nach hinten zu stürzen. Da er sich über sich selbst lustig machte, so zeigten auch die Martier ihre Heiterkeit über seine vorsichtigen Bewegungen und baten ihn dann, ihnen doch einige seiner Kraftproben zu zeigen, von denen sie gehört hatten.
Eben hatte er zwei der Martier mit Leichtigkeit in die Luft gehoben, als sich La nach ihm umdrehte.
»Was wollen Sie über dem ›Strich‹?« sagte sie scherzhaft drohend.
Saltner sprang schleunigst einen Schritt zurück, hatte aber die beiden Herren vom Mars noch nicht niedergesetzt, und in dem Augenblick, als er den ›Strich‹ passierte, wurden sie ihm zu schwer, so daß sie ziemlich unsanft zur Erde kamen.
Während er sich entschuldigte, rief La: »Alle an den Tisch! Jo erzählt von seiner ersten Erdfahrt, bitte, bitte!«
Dem allgemeinen Drängen konnte Jo nicht widerstehen. Auch auf dem Mars spinnt ein alter Seemann gern ein Garn. Er setzte sich oben an den Tisch. Se und La saßen dicht am ›Strich‹ neben den beiden Deutschen.
Jo nahm bedächtig ein Pik, legte es an die Stirn, an das rechte und an das linke Auge, und sah sich dann noch einmal im Zimmer um.
Se verstand ihn.
»Unter dem Tischrand«, sagte sie. »Greifen die Herren nur zu.«
Schmunzelnd zog Jo ein Mundstück hervor und probierte das Getränk.
»Ein feiner Tropfen«, sagte er.
Ein Teil der Martier und auch Saltner folgten seinem Beispiel. La lehnte sich bequem zurück, Se nahm ihre chemische Handarbeit auf, und Grunthe zog sein Notizbuch hervor, um sich einige stenographische Aufzeichnungen zu machen.
»War damals siebzehn Jahr alt«, begann Jo seine Erzählung.
»Marsjahre«, sagte La leise zur Erklärung.
»– hatte eben meinen technischen Kursus absolviert, als ich mich beim Kapitän All meldete, der mit der ›Ba‹, vierundzwanzig Personen, nach der Erde abgehen sollte. Wollte mich eigentlich nicht mitnehmen, weil ich noch zu jung sei, aber da im letzten Augenblick einer von der Mannschaft verhindert wurde und kein andrer sich gemeldet hatte, so kam ich mit. Fünf Monate waren wir unterwegs und hatten glücklich so manövriert, daß wir der Erde parallel flogen, genau in der Achse über dem Südpol. Sie hatten Sommer dort unten, aber um den Pol herum war alles von dichten Wolken bedeckt. Wir sahen auf der Erde nur ihre weiße, von der Sonne beglänzte Wolkenoberfläche, und wo sie im Schatten verschwand, spielten die Südlichter in rötlichen Streifen. Wir ließen uns sinken und machten uns, als wir tief genug gekommen waren, so leicht, daß wir als Luftballon in der Atmosphäre schwammen. Dann ging es durch die Wolken hinab, und wir kamen auch glücklich, leider aber mit einer Abweichung von ein paar Kilometern, auf den Pol. Nun, Sie wissen, auf dem Südpol ist's nicht so schön wie hier, 's ist ringsum Festland-Eis, eine Hochfläche von ein paar tausend Metern, wie Sie's hier nebenan haben – in – wie heißt das Ding?«
»Grönland.«
»Gut. Nun mußten wir aber das Schiff nach dem Pol schaffen, denn wir hatten das schwere Schwungrad für die Station, die wir vorbereiten sollten, auszuladen. Deshalb war All sehr ungehalten, daß er von der Erdachse abgekommen war. Aber dieselbe Ursache, die uns abgetrieben hatte, verhinderte uns, auch jetzt ans Ziel zu gelangen. Das war der herrschende Wind. Ich sagte schon, daß wir uns in der Atmosphäre nicht anders wie einer ihrer Luftballons verhalten können. Wir können uns leichter machen als die Luft, aber ihren Strömungen unterliegen wir dabei ebenso wie ihrem Widerstand.«
»Verzeihen Sie«, begann Grunthe, »ich habe mich schon immer gewundert, gerade weil sich Ihr Raumschiff in der Atmosphäre wie ein Luftballon handhaben läßt, und zwar mit dem wunderbaren Vorteil, weder Ballast noch Gas opfern zu müssen, da Sie sich nach Belieben leicht oder schwer machen können, ich habe mich gewundert, daß Sie nicht, nachdem Sie einmal am Pol die Erdgeschwindigkeit gewonnen haben, einfach mit Ihren Raumschiffen nach Europa oder den Vereinigten Staaten von Nordamerika gekommen sind – kurzum, warum Sie so ängstlich in der Befahrung unsres Luftmeers sind.«
»Und ich«, erwiderte Jo, »habe mich allerdings auch gewundert, wie Sie sich diesen gebrechlichen Dingern in einer Atmosphäre anvertrauen können, die so dicht und schwer ist wie die Ihrige, und in welcher nach allen Richtungen die tollsten Stürme einherrasen.«
»Ich habe«, bemerkte La, »in einem der Bücher gelesen, die Sie mitgebracht haben, von den Entdeckungsreisen der Menschen auf der Erde. Da spricht ein Seefahrer seine Verwunderung darüber aus, daß die Eingeborenen in irgendeiner Inselgruppe in ihren gebrechlichen Kähnen weite Fahrten unternehmen, an die er sich in seinem großen Dampfschiff nicht wagen würde, weil er die Gefahren der Tiefe nicht zu vermeiden weiß. Ähnlich mag es sich wohl mit unsern Raumschiffen und Ihren Luftballons verhalten. Bedenken Sie, daß wir Ihre Atmosphäre noch sehr wenig kennen –«
»Und vor allen Dingen«, fuhr Jo fort, »daß unsre Raumschiffe, die aus Stellit bestehen, nicht darauf eingerichtet sind, den großen Druck Ihrer Luft und den Widerstand,