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Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst. AristotelesЧитать онлайн книгу.

Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst - Aristoteles


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ist keines von beiden der Fall.

      Nicht für alle Menschen zwar gibt ein und dasselbe Anlaß zur Beunruhigung; manches aber bezeichnet man als menschliche Kraft übersteigend, und dieses ist dann ein Gegenstand der Furcht für jeden vernünftigen Menschen. Die Übel dagegen, die den Menschen zuzustoßen pflegen, sind selbst wieder nach ihrer Größe verschieden und zeigen ein Mehr oder Minder, und dasselbe gilt nun auch von dem, was man dreist auf sich nehmen darf. Wer mannhaft ist, der ist unerschrocken in dem Sinne, wie es sich für einen Menschen ziemt. Er wird also auch Dinge von der bezeichneten Art fürchten; aber er wird, wie es Pflicht und Vernunft gebietet, sich ihnen unterziehen, wo es ein sittliches Gut zu wahren gilt; denn das ist das eigentliche Ziel, das sittliche Gesinnung im Auge hat. Solche Furcht kann stärker und schwächer sein; man kann ferner auch das nicht Bedrohliche fürchten, als wäre es bedrohlich. Die möglichen Abirrungen vom rechten Wege sind dabei die, daß man das fürchtet, was man nicht fürchten sollte, oder daß man es nicht in der Weise fürchtet, wie, oder nicht zu der Zeit, wo man es sollte, oder sonst etwas ähnliches. Das gleiche gilt von dem, was man dreist auf sich nimmt. Wer dem Übel so standhält und wer es so fürchtet, wie das eine oder das andere geboten ist, im Hinblick auf den rechten Zweck, in der rechten Weise und zu der rechten Zeit, und wer im gleichen Sinne sich mutvoll zeigt, der ist der Mannhafte. Denn der Mannhafte benimmt sich im Leiden wie im Tun, so wie Pflicht und Vernunft gebieten. Das Ziel der Betätigung ist jedesmal das, was der befestigten Willensrichtung entspricht, auch bei mannhafter Gesinnung. Solche Gesinnung ist edel, edel ist also auch ihr Ziel. Denn das Ziel ist es, was jedem Tun seinen Charakter verleiht. So ist es denn der sittliche Zweck, um dessentwillen der Mannhafte standhält und sich in seinem Handeln benimmt, wie es einem mannhaften Charakter entspricht.

      Was nun auf diesem Gebiete die Verfehlung im Sinne eines Zuweitgehens betrifft, so gibt es kein Wort, um ein Übermaß in der Unbesorgtheit zu bezeichnen, / wir haben schon vorher bemerkt, daß es für eine Menge von Begriffen kein Wort gibt; / man darf aber den, der sich, wie man es den Kelten nachsagt, vor nichts, auch nicht vor einem Erdbeben oder vor einem Seesturm fürchtet, als wahnwitzig oder stumpfsinnig bezeichnen. Wer dagegen in der Kühnheit der Gefahr gegenüber zu weit geht, der heißt tollkühn. Der Tollkühne zeigt sich auch wohl als ein Prahler und als einer, der nur mit der Miene des Mannhaften großtut. Wie der Mannhafte sich zur Gefahr wirklich verhält, so will ein solcher wenigstens sich zu verhalten scheinen und ahmt jenen nach, wo er es vermag. Deshalb sind solche Leute denn auch meistens in aller Kühnheit feige, und während sie in der bezeichneten Weise kühn tun, halten sie in ernster Gefahr nicht stand.

      Wer in der Furchtsamkeit zu weit geht, ist feige. Er fürchtet was er nicht und wie er nicht fürchten sollte; alles was dahin gehört, trifft auf ihn zu; auch von Kühnheit aber hat er zu wenig. Doch noch sicherer er kennbar ist er daran, daß er dem Schmerze zu weit nachgibt. Der Feige ist demnach von schwacher Zuversicht, weil er sich vor allem fürchtet, ganz im Gegensätze zum Mannhaften; denn Kühnheit ist ein Zeichen fester Zuversicht. Die Lagen, in denen der Feige, der Kühne und der Mannhafte ihre Art entfalten, sind also dieselben; aber ihr Verhalten ist ein verschiedenes. Die anderen gehen zu weit oder bleiben zurück; der Mannhafte aber hält die rechte Mitte inne, und das im Sinne der Pflicht. Der Verwegene ist vor dem Eintritt der Gefahr schnell fertig und voll Entschiedenheit; in der Gefahr zieht er sich scheu zurück. Der Mannhafte dagegen ist gerade mitten in der Abwehr voll Energie, während er vorher behutsam war.

      Wie wir gesehen haben ist also die Mannhaftigkeit die rechte Mitte in den bezeichneten Lagen, wo es sich um dreistes Wagnis oder bange Furcht handelt: sie nimmt das Übel auf sich und unterzieht sich ihm deshalb, weil so zu handeln sittlich geboten, nicht so zu handeln verwerflich ist. Selbstmord aber, um der Armut, dem Liebesgram oder sonst einem Kummer zu entgehen, ist nicht ein Zeichen mannhafter, sondern eher feiger Sinnesart. Denn Verweichlichung ist es, dem Schmerzlichen auf diese Weise zu entrinnen. Man nimmt den Tod auf sich, nicht weil es sittlich geboten wäre, sondern weil man sich einem Schmerze entziehen will.

      b) Abarten

       Inhaltsverzeichnis

      Dies also ist das eigentliche Wesen der Mannhaftigkeit. Indessen gebraucht man das Wort auch noch für anderes, und zwar in fünf verschiedenen Bedeutungen. Voran steht hier die Mannhaftigkeit des Staatsbürgers als diejenige, die mit dem oben Charakterisierten die nächste Verwandtschaft hat. Die Staatsbürger unterziehen sich den Gefahren im Hinblick auf die vom Gesetze bestimmten Strafen, auf Schande und auf Ehrenerweisungen. Deswegen gelten diejenigen als die mannhaftesten, bei denen die Feiglinge ehrlos, die Tapferen hochgeehrt sind. So in der Schilderung Homers, z.B. von Diomedes und Hektor. Da heißt es:

      Schimpf wird allen voran auf mich Pulydamas häufen;

      und wiederum:

      Hektor wird dereinst im Kreise der Troer sich rühmen:

       Vor mir ist der Tydide geflohn.

      Die Ähnlichkeit zwischen dieser Art der Mannhaftigkeit und der oben erwähnten ist deshalb die größte, weil auch sie aus edler Gesinnung entspringt, aus dem Ehrgefühl, dem Streben nach einem wirklich Wertvollen, nämlichnach Ehre, und aus der Scheu vor der Schande, die wirklich etwas Häßliches ist. Eben dahin darf man denn auch das Benehmen derjenigen rechnen, die von ihren Befehlshabern zum Standhalten genötigt werden; nur verdienen sie insofern ein minder günstiges Urteil, als sie zwar das gleiche wie jene leisten, aber nicht aus Ehrgefühl, sondern aus Furcht, und als ferner das was sie scheuen nicht sowohl das Unwürdige der Handlung, als die schmerzlichen Folgen sind. Die Anführer nämlich üben Zwang in der Weise wie Hektor:

      Wen ich fern vom Gefilde der Schlacht sich duckend erblicke,

       Dem bleibt's nimmer erspart, ein Fraß der Hunde zu werden.

      Und wenn die Befehlshaber die Weichenden schlagen, und ebenso wenn sie den Leuten ihren Posten vor einem Graben oder in einer ähnlichen Stellung anweisen, so ist es ganz dasselbe Verfahren; alles das ist geübter Zwang. Mannhaft sein aber soll man nicht aus Zwang, sondern weil es sittlich geboten ist.

      Der Mannhaftigkeit stellt man weiter auch die Haltung auf Grund der Erfahrung gleich, die man auf den einzelnen Gebieten erworben hat, und Sokrates war deshalb geradezu der Meinung, Mannhaftigkeit sei ein Wissen. Erfahrung haben nun verschiedene in verschiedenen Dingen; die Kriegsknechte haben sie in dem was der Krieg mit sich bringt. Manche Gefahr die einem im Kriege begegnet ist bloß eingebildet, und damit wissen die Kriegsleute am besten Bescheid; sie machen dann den Eindruck die Mannhaften zu sein, weil die anderen die wirkliche Beschaffenheit der Lage nicht so wie sie durchschauen. Jene sind durch ihre Erfahrung auch dazu am besten in den Stand gesetzt, Hiebe auszuteilen und keine zu erleiden, da sie ihre Waffen zu gebrauchen gelernt haben und eine Ausrüstung von der geeigneten Beschaffenheit besitzen, um zu treffen und abzuwehren. So stehen sie denn im Streite wie Bewaffnete Waffenlosen und wie Fechter des Fechtens Unkundigen gegenüber. Wo es sich um einen Wettstreit von dieser Art handelt, sind die am besten für den Kampf geeigneten nicht die tapfersten, sondern die kräftigsten Leute mit der besten körperlichen Ausbildung. Aber die Kriegsknechte werden mutlos, wenn die Gefahr übergroß wird und sie an Zahl und Ausrüstung zurückstehen; dann sind sie die ersten zu fliehen, wo Bürgerheere sich noch auf ihrem Posten erschlagen lassen, wie es beim Tempel des Hermes der Fall war. Denn für diese ist Flucht eine schimpfliche Tat und der Tod willkommener als eine um diesen Preis erkaufte Rettung. Jene haben sich im Anfang in dem Glauben an ihre Überlegenheit in die Gefahr gestürzt; nachher, wenn sie eines besseren belehrt sind, geben sie Fersengeld, weil sie den Tod mehr fürchten als ein unwürdiges Leben. Da ist die Art des Mannhaften allerdings eine andere.

      Man sieht ferner einen Zusammenhang mit der Mannhaftigkeit auch in der Heftigkeit. Mannhaft zu sein scheinen auch die von Leidenschaft Getriebenen, die den Tieren gleich auf ihre Angreifer losstürmen, wie denn der Mannhafte in der Tat auch leidenschaftlicher Gemütsart ist. Gefahren entgegenzutreten bietet die Leidenschaft den stärksten Anreiz. Daher das Wort des Homer: »Er [Apollo] flößte dem inneren Kraft ein« oder »er weckte ihm Kraft und Zorn«; oder »er schnaubte scharfen Zorn«; oder »sein Blut siedete«, lauter Ausdrücke für das Erwachen und Fortstürmen


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