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Das Buch von Monelle. Marcel SchwobЧитать онлайн книгу.

Das Buch von Monelle - Marcel Schwob


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an nichts gedacht, du, an gar nichts. Ich habe Brotrinde aus der Suppe mitgenommen. Da!

      Sie streckte ihm die Hand hin. Ihre Finger waren ganz beschmiert mit einer kalten Brühe.

      — Ich will Krabben suchen, sagte der Junge.

      Es gibt da draußen bei den schwarzen Felsen welche. Ich nehme den Zollkahn unten.

      — Ich werde mich allein fürchten.

      — Willst du nicht essen?

      Sie gab keine Antwort.

      Der Junge streifte die Halme von seinem Wollhemd und schlüpfte hinaus. Der graue Regen hüllte ihn ein. Sie hörte seine gnatschenden Tritte im Schlamm.

      Dann kamen starke Böen und die große Stille im rhythmischen Takte schweren Regens. Und stärker und trauriger kam die Nacht. Das Abendessen bei Fräulein war vorüber. Die Zeit zum Schlafengehen war vorüber. Dort schlief nun alles unter den Hängelampen in den weißen gesäumten Kissen. Ein paar Möwen schrien den Sturm. Der Wind heulte, und die Wogen schossen in die Klipphöhlen. Das Mädchen schlief in Erwartung ihres Abendessens ein, wachte wieder auf. Der Junge spielt sicher mit den Krabben. Dieser Egoist! Sie wußte ganz gut, daß die Boote immer auf dem Wasser schwimmen. Die Leute ertrinken, wenn sie kein Boot haben.

      — Der wird schauen, wenn er mich schlafen sieht, sagte sie zu sich. Ich werde mich so stellen und kein Wort antworten, wenn er was sagt. Ja, das mach ich.

      Gegen Mitternacht erwachte sie unter dem Schein einer Laterne. Ein Mann in einer spitzen Kapuze entdeckte sie, zusammengekauert wie eine Maus. Ihr Körper glitzerte von Wasser und Licht.

      — Wo ist die Barke? fragte er.

      Und sie rief voll Ärger und Zorn:

      — Hab ichs doch gewußt! Er hat keine Krabben für mich gefunden und hat das Boot verloren!

      DIE WOLLÜSTIGE

      — schrecklich das, sagte das kleine mäd chen, es blutet weißes Blut.

      Sie grub ihre Nägel in die grünen Mohnköpfe. Ihr kleiner Kamerad schaute ganz ruhig zu. Sie hatten Räuber gespielt zwischen den Kastanienbäumen, hatten die Rosen mit frischen Kastanien bombardiert, die jungen Schösse enthauptet und die junge miauende Katze auf den Zaun gesetzt. Ganz unten im dunkeln Garten, wo ein weitästiger Baum stand, war Robinsons Insel gewesen. Eine Gartenspritze hatte als Kriegsdrommete gegen die Angriffe der Wilden gedient. Gräser mit langen schwarzen Häuptern wurden zu Gefangenen gemacht und geköpft. Einige blaue und grüne Kugelkäfer, die erbeutet worden waren, hoben schwerfällig ihre Flügeldecken im Wasser des Brunnenbekkens. Sie hatten den Sand in den Alleen mit Wasser weggeschwemmt, um schwerbepackten Armeen einen Weg zu bereiten. Jetzt griffen sie einen Wiesenhügel heftig an. Die untergehende Sonne hüllte sie in ein verklärtes Licht.

      Sie streckten sich etwas müde auf dem eroberten Platze aus und bestaunten die fernen, scharlachnen Nebel des Herbstes.

      — Wenn ich Robinson wäre, sagte der Junge, und du Freitag, und wenn dort unten ein großer Strand wäre, so gingen wir die Fußspuren der Kannibalen im Sand suchen.

      Sie dachte darüber nach und fragte:

      — Hat Robinson den Freitag geschlagen, um mit ihm fertig zu werden?

      — Ich erinnere mich nicht mehr. Aber den alten häßlichen Spaniern haben sie Prügel gegeben und den Wilden aus dem Land, wo Freitag her war.

      — Ich mag diese Sachen nicht, sagte das Mädchen; das sind Spiele für Jungens. Es wird dunkel. Wenn wir uns Geschichten erzählen würden, wir würden uns fürchten, weil es doch was Wirkliches wäre.

      — Was Wirkliches?

      — Na, glaubst du denn, daß das Haus des Menschenfressers mit den langen Zähnen nicht wirklich jeden Abend im dunkeln Wald erscheint? Er schaute sie an und schlug die Zähne aufeinander:

      — Und wie er die sieben kleinen Prinzessinnen aufaß, da machte es njam, njam, njam.

      — Nein, nicht, sagte sie; man kann entweder nur Menschenfresser sein oder Däumling. Niemand kennt den Namen der kleinen Prinzessinnen. Wenn du willst, so mache ich das Dornröschen im Schloß, und du kommst mich aufwecken. Du mußt mich sehr stark küssen. Die Prinzen küssen schrecklich, mußt du wissen.

      Er fühlte sich schüchtern und meinte:

      — Ich glaube, es ist schon zu spät, um im Gras zu schlafen. Dornröschen lag in ihrem Bett, in einem Schloß, ganz verwachsen mit Blumen und Dornen.

      Dann spielen wir Blaubart, sagte sie; ich bin deine Frau, und du verbietest mir, das kleine Zimmer zu betreten. Fang an: du kommst um mich freien. „Mein Herr, ich weiß nicht. . . Ihre sechs Frauen sind auf so geheimnisvolle Weise verschwunden. Es ist ja wahr, Sie haben einen schönen und großen blauen Bart und wohnen in einem herrlichen Schloß. Werden Sie mir niemals was zuleide tun, nie, nie?“

      Sie fragte ihn mit einem bittenden Blick.

      — Jetzt also hast du um mich angehalten, und meine Eltern waren nicht dagegen. Wir sind nun verheiratet. Gib mir alle Schlüssel. „Und wozu ist dieser ganz kleine hübsche da?“ Jetzt verbietest du mir mit lauter Stimme zu öffnen. Jetzt, jetzt gehst du fort, und ich bin sofort ungehorsam. „O! schrecklich! sechs gemordete Frauen!“ Ich falle in Ohnmacht, und du kommst und stützt mich. „Mein Herr Gemahl, hier sind alle Schlüssel, die Ihr mir anvertraut habt.“ Du fragst mich nach dem kleinen Schlüssel. „Mein Gemahl, ich weiß nicht, ich hab ihn nicht angerührt.“ Nun schreist du. „Mein Gemahl, verzeiht mir, hier ist er: er war ganz zu unterst in meiner Tasche.“

      Jetzt schaust du den Schlüssel an. War Blut an dem Schlüssel?

      — Ja, sagte der Junge, ein Blutfleck.

      — Ich erinnere mich, sagte das Mädchen. Ich habe daran gerieben, aber das Blut ging nicht weg. Das war das Blut der sechs Frauen, nicht?

      — Ja, von den sechs Frauen.

      — Er hatte sie alle getötet, nicht wahr, weil sie in das Zimmer gegangen waren? Wie hat er sie getötet? Schnitt er ihnen den Hals ab und hing sie auf in dem schwarzen Zimmer? Und das Blut lief ihnen an den Füßen hinunter bis auf den Boden? Rotes, ganz schwarzrotes Blut, nicht wie das von den Mohnköpfen, wenn ich dran kratze. Man muß knien, wenn man den Hals abgeschnitten bekommt, nicht?

      — Ich glaube, sagte er, man muß knien.

      — Das wird riesig lustig sein, sagte sie. Und du wirst mir ganz echt den Hals abschneiden?

      — Natürlich, sagte er, aber Blaubart hat sie nicht töten können.

      — Das macht nichts. Weshalb hat der Blaubart nicht seiner Frau den Kopf abgeschnitten?

      — Weil ihre Brüder gekommen sind.

      — Sie hatte Angst, gelt?

      — Sehr Angst.

      — Und schrie?

      — Sie rief nach ihrer Schwester Anna.

      — Ich, ich hätte nicht geschrien.

      — Ja aber, sagte der Junge, Blaubart hätte wohl Zeit gehabt, sie zu töten. Schwester Anna war auf dem Turm und sah das Gras im weiten, wie es grün war. Ihre Brüder, die sehr starke Musketiere waren, kamen im Galopp auf ihren Pferden herangeritten..

      — Ich mag so nicht spielen, sagte das kleine Mädchen. Das langweilt mich. Denn ich hab doch gar keine Schwester Anna.

      Sie drehte sich artig zu dem Jungen:

      —Weil meine Brüder nicht kommen werden, mußt du mich töten, mein kleiner Blaubart, mich stark, stark töten!

      Sie kniete hin. Er packte ihr Haar und legte es nach vorn; dann hob er die Hand.

      Lässig, mit geschlossenen Augen und zitternden Lidern, die Mundwinkel von einem nervösen Lächeln bewegt, hielt sie den Flaum ihres Nackens und den Hals und ihre wollüstig eingezogenen Schultern dem grausamen


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