Tarzan – Band 3 – Tarzans Tiere. Edgar Rice BurroughsЧитать онлайн книгу.
und Freiheit rauben, wenn er ihm beides so leicht wiederschenken konnte? Er sah ja, dass der Leopard sich mit allen vieren um seine Freiheit mühte: Sie waren also heil geblieben, und auch das Rückgrat schien unverletzt. Da war nichts gebrochen.
Er tat den Pfeil in den Köcher zurück, hing den Bogen wieder über die Schulter und trat noch näher an das eingeklemmte Tier heran. Mit seinen Lippen ahmte er das schmeichelnde Schnurren großer Katzen nach, mit dem sie einander gewöhnlich ihr Wohlbehagen bezeugen. Es schien ihm das der beste Weg, um sich mit Sheeta freundschaftlich zu verständigen.
Der Leopard ließ auch gleich sein Knurren und sah dem Affenmenschen fast fragend in die Augen.
Wenn Tarzan jetzt die wuchtige Last von Sheetas Rücken wälzen wollte, musste er unbedingt so nahe an das Tier herangehen, dass es ihn in seine langen, scharfen Krallen bekam. Dann wäre er ihm nach vollbrachtem Werk auf Gnade und Ungnade ausgeliefert … Doch Tarzan kannte keine Furcht. Hatte er sich einmal entschieden, schritt er immer rasch und rücksichtslos zur Tat.
Ohne zu zögern, sprang er mitten in das wirre Geäst dicht neben den Leoparden. Immer noch klang das begütigende Schnurren von seinen Lippen. Die Katze wandte den Kopf und starrte ihn fragend an. Ihre langen Pranken waren weit geöffnet, wie es ihm schien, mehr in Erwartung als zum Angriff bereit.
Tarzan schob seine rechte Schulter unter den Stamm, eines seiner nackten Beine dicht gegen das seidige Fell der Katze gepresst.
Langsam streckten sich seine gewaltigen Muskeln, und immer mehr hoben sich Baumstamm und wirres Gezweig. Sowie der Leopard nicht mehr den vollen Druck der Last verspürte, kroch er schleunigst darunter hervor. Tarzan ließ den Stamm zur Erde zurückfallen, und die beiden wilden Tiere standen sich Auge in Auge gegenüber.
Ein grimmiges Lächeln lag auf den Lippen des Affenmenschen, denn er wusste, dass er nun sein Leben ganz in die Hand jenes furchtbaren Dschungeltieres gegeben hatte. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn sich die Katze im gleichen Augenblick, in dem sie ihre Freiheit wiederfühlte, über ihn gestürzt hätte.
Doch sie tat es nicht; sie stand in einiger Entfernung und schien zu warten, bis der Affenmensch wieder aus dem wilden Durcheinander der Zweige herauskam. Jetzt war Tarzan draußen, nur drei Schritte vom Leoparden. Sollte er in die Bäume hinter sich bis in die höchsten Kronen hinaufklimmen, weil Sheeta ihm dahin nicht folgen konnte?
Irgendeine Eingebung – fast war es Tollkühnheit zu nennen – bestimmte ihn, sich dem Tiere freundlich zu nähern und zu sehen, ob in ihm so etwas wie Dankbarkeit stecke. Dann konnten sie sich ja miteinander vertragen.
Er ging näher: Die große Katze wich seitlich aus, und der Affenmensch folgte ihrer Fährte, nur einen Fußbreit hinter ihr. Als er dann durch den Wald davonschritt, kam der Leopard ihm nach, wie ein Hund sich zu seinem Herrn hält.
Tarzan konnte sich erst lange nicht darüber klar werden, ob das Tier ihm aus einer gewissen dankbaren Anhänglichkeit folgte oder um sich doch noch auf ihn zu stürzen, sobald der Hunger sich meldete.
Schließlich aber wurde er von der Richtigkeit seiner ersten Vermutung überzeugt.
Am Nachmittag schwang Tarzan sich hinauf in das Geäst der Bäume: Er hatte einen Hirsch bemerkt, und schon sauste seine Schlinge um des Tieres Nacken. Dann rief er Sheeta mit demselben schnurrenden Laut, mit dem er heute den Argwohn dieses wilden Tieres besänftigt hatte. Nur etwas schriller klang es, so etwa, wie er es gehört hatte, wenn Leoparden nach gemeinsamer Jagd sich in ihre Beute teilen.
Unmittelbar darauf krachte es im Unterholz, und der schlanke, geschmeidige Leib seines so eigenartigen Wandergefährten zwängte sich hindurch.
Wie er Bara erblickte, und ihm die Witterung frischen Blutes in die Nase stieg, gab er einen schrillen Laut von sich, und schon im nächsten Augenblick stürzten sich beide zu wildem Schmause über die zarte Fleischbeute.
Einige Tage streiften die sonderbaren Jagdgenossen zusammen durch den Dschungel. Einer teilte des anderen Beute, und so »speisten« sie oft und reichlich.
Sie waren eines Tages gerade dabei, einen von Sheeta erlegten Eber zu verzehren, als plötzlich Numa, der Löwe, schrecklich und furchtbar durch das hohe Gras nahte.
Mit Gebrüll sprang er hervor. Er schien es vor allem auf die saftige Beute seiner Nachbarn abgesehen zu haben. Sheeta flüchtete in das nahe Dickicht, während Tarzan mit einem Satz in den unteren Ästen eines Baumes verschwunden war.
Hier nahm er sein Grasseil von der Schulter und machte sich zum Wurf bereit. Numa stand stolz und herausfordernd auf den Resten des Ebers, doch da wand sich auch schon das feste Wurfseil um Mähne und Hals. Tarzan zog mit einem heftigen Ruck die Schlinge straff zu und riss den Löwen, trotzdem er sich verzweifelt zu wehren suchte, mit aller Gewalt nach oben, bis er kaum noch mit seinen Hinterpranken den Boden berührte.
Rasch das Seil an einem starken Ast festgemacht – und schon war Sheeta unten zur Stelle, den er inzwischen mit einem schrillen Schrei zurückgerufen. Tarzan sprang zur Erde und sogleich auf Numa, den Wütenden, um ihm mit seinem langen Steindolch den Garaus zu machen. Sheeta kam von der anderen Seite zu Hilfe; seine Tatzen gruben sich tief in die Weichen des Löwen.
Und noch ehe der König der Tiere mit seinen mächtigen Krallen die Fesseln zerfetzen konnte, hing er tot in der Schlinge.
Wie aus einer Kehle erhob sich das Siegergebrüll des Affenmenschen und des Leoparden über den Dschungel. Und als es in einem langgezogenen fürchterlichen Klageschrei erstarb, da horchte eine buntbemalte Kriegerschar unten am Strande auf: Sie hatten eben das lange Boot ans Land gezogen und wollten in den Dschungel rücken – –
Mugambi, der Häuptling der Wagambi
So oft Tarzan bisher das ganze Küstengebiet der Insel durchstreift hatte und dann an einigen Stellen auch ins Innere eingedrungen war, wurde es ihm immer wieder zur Gewissheit, dass hier kein menschliches Wesen wohnte.
Ein Irrtum schien ihm ausgeschlossen, denn nie konnte er auch nur die geringste Spur entdecken, die wenigstens auf einen vorübergehenden Aufenthalt von Menschen an diesen Gestaden hätte schließen lassen. Er wusste allerdings auch, dass die üppige Tropenvegetation allzu rasch alles und jedes unter sich begräbt, was nicht als festgegründetes und hochragendes Wahrzeichen schaffender Menschenhand längere Lebensdauer verspricht.
Am Tage nach Numas Tod stießen Tarzan und Sheeta auf Akut und dessen Stamm. Als diese den Leoparden erblickten, nahmen sie Reißaus, doch