Essentielle Werke des Heiligen Athanasius, Band 1. Athanasius der GroßeЧитать онлайн книгу.
gerächt hast, sollte ich Abneigung im Herzen tragen? Ja ich sollte an die verbrecherische That jenes Mannes mich erinnern und Deine Wohlthat vergessen haben? Du hattest mich ja gewürdigt, mir schriftlich mitzutheilen, daß diese auch nach dem Tode des Seligen für mich gerade so bestehen werde, wie sie zu seinen Lebzeiten bestand? Mit welchen Augen sah ich den Mörder? Oder mußte ich nicht, indem ich Dir alles Heil wünschte, auch jenen Seligen zu sehen glauben? Denn Brüder sind in Folge ihrer Natur Spiegel von einander. Deßhalb konnte ich Dich, da ich Dich in Jenem sah, niemals anschwärzen und, da ich Jenen wieder in Dir sah, niemals an den schreiben, der Jenem als Feind gegenüberstand, sondern ich erflehte für Dich vielmehr alles Wohlergehen. Und Zeugen hiefür sind vor Allem der Herr, der mich erhörte und Dir die Herrschaft Deiner Vorfahren ungeschmälert verlieh; Zeugen sind auch, die damals zugegen waren, Felicissimus, einst Dux in Ägypten, Rufinus und Stephanus, von denen der Erste dort Katholikus, der Andere Magister war, der Comes Asterius und Palladius, der ehemalige Magister Palatii, und die Officialen Antiochus und Euagrius. Denn ich sagte nur: Wollen wir beten für das Wohlergehen des gottesfürchtigen Kaisers Constantius, und das ganze Volk rief sogleich einstimmig: „Christus, sende Hilfe dem Constantius!“ und verharrte in diesem Gebete.
11.
Daß ich nun an Jenen weder jemals schrieb noch jemals von ihm einen Brief erhielt, rufe ich Gott und sein Wort, seinen eingebornen Sohn, unsern Herrn Jesus Christus, als Zeugen an. Gestatte aber, daß ich auch meinen Ankläger hierüber kurz befrage, wie er dahinter kam. Einen mit meiner Unterschrift15 versehenen Brief zu haben, will er behaupten. Denn das haben die Arianer eifrig ausgebreitet. Fürs Erste nun gewährt es noch keine Zuverlässigkeit, wenn er Schriftzüge vorweisen kann, die den unsrigen ähnlich sind. Denn es gibt Schriftfälscher, die auch schon oft euere königliche Handschrift nachgemacht haben. Nicht die Nachahmung gewährt also den Schriftzügen die Bestätigung, wenn nicht auch die gewöhnlichen Schreiber solcher Briefe für dieselben Zeugniß geben. Ich will also an die Verleumder diese Frage wiederholt stellen: Wer hat euch diesen Brief jemals ausgeliefert, und wie seid ihr desselben habhaft geworden? Denn nicht nur hatte ich Schreiber, sondern es hatte auch Jener Leute, die den Brief von den Ueberbringern in Empfang nahmen und ihm einhändigten. Die Unsrigen stehen nun zur Verfügung. Verschmähe nun nicht, auch Jene vorzuladen, denn sie können noch sehr wohl am Leben sein, und laß Dir über diesen Brief berichten. Untersuche, wie wenn die Wahrheit an Deiner Seite stände. Denn diese ist ein Schutz für Fürsten, zumal für christliche. Wenn diese euch zur Seite steht, könnt ihr in Sicherheit herrschen, wie die göttliche Schrift sagt: „Barmherzigkeit und Wahrheit ist ein Schutz für den König, und sie wird in Gerechtigkeit seinen Thron rings umgeben.“16 Auf diese gestützt hat der weise Zorobabel den Sieg errungen, und das ganze Volk rief: „Groß ist die Wahrheit, und groß ihre Macht.“17
12.
Wenn ich nun bei Andern verleumdet worden wäre, so hätte ich an Deine Gottesfurcht appellirt, wie der Apostel damals an den Kaiser appellirte18 und der Nachstellung seiner Feinde gegen ihn ein Ziel gesetzt worden ist. Da sie aber bei Dir die Verleumdung anzubringen gewagt haben, an wen soll ich von Dir appelliren? An den Vater dessen, der sagt: „Ich bin die Wahrheit,“ damit er Dein Herz zum Wohlwollen lenke? Allmächtiger Herr, König aller Zeiten, Vater unsers Herrn Jesus Christus! Du hast durch Dein Wort diese Herrschaft Deinem Diener Constantius verliehen. Erleuchte Du sein Herz, damit er, nachdem er die gegen uns gerichtete Verleumdung vernommen hat, mit Wohlwollen unsere Vertheidigung aufnehme und Alle erkennen lasse, daß sein Gehör durch die Wahrheit geschützt sei, und daß, wie geschrieben steht, „nur gerechte Lippen dem König angenehm sind.“19 Denn daß auf diese Weise der Thron der Herrschaft feststehe, hast du uns durch Salomo sagen lassen.20 Frage also nur, es sollen die Verleumder erfahren, daß Dir am Herzen gelegen sei, von der Wahrheit Kenntniß zu erlangen, auch wenn sie durch die Gesichtsfarbe ihre Verleumdung nicht verrathen sollten. Denn dadurch verräth sich das Gewissen, und es steht geschrieben: „Wenn das Herz sich freut, blüht das Antlitz; wenn aber das Herz mit Schmerz erfüllt ist, ist das Antlitz verdüstert.“21 So verrieth die, welche dem Joseph nachstellten, das Gewissen,22 und die böse Gesinnung des Laban gegen Jakob hat sich an seinem Antlitz zu erkennen gegeben23. Du siehst also ihre Befürchtung, indem sie fliehen und sich verbergen, und unsere Unbesorgtheit, da wir uns vertheidigen. Denn es steht jetzt nicht Reichthum, sondern die Ehre der Kirche auf dem Spiele. Wer von einem Steine getroffen wird, sucht den Arzt auf. Schmerzlicher als Steine treffen aber die Schläge der Verleumdung. „Eine Keule ist die Verleumdung, ein Schwert und ein spitziges Geschoß,“24 wie Salomo sagt. Und diese Schläge kann nur die Wahrheit heilen. Wird aber diese vernachlässigt, so werden die Wunden noch heftiger.
13.
Deßhalb herrscht allenthalben in den Kirchen Verwirrung. Sie haben Vorwände ersonnen, und so viele und darunter hochbejahrte Bischöfe wurden verbannt, weil sie mit mir in Gemeinschaft standen. Und wenn nun das so weit gedieh, so hatten wir einigermaßen gute Hoffnung. Denn Du bist von menschenfreundlicher Gesinnung. Damit aber das Unheil nicht auch weiterhin fortschreite, möge bei Dir die Wahrheit die Oberhand erlangen. Laß auch nicht den Verdacht gegen die ganze Kirche aufkommen, als ob die Christen und zumal die Bischöfe solche Dinge beschlößen und schrieben. Oder wenn Du nicht untersuchen willst, so ist es billig, daß wir mehr Glauben finden, die wir uns vertheidigen, als die Verleumder. Denn diese handeln als Feinde in böser Gesinnung; wir aber, die wir in der Abwehr sind, bringen die Beweise. Besonders nimmt mich Wunder, daß, während wir mit Ehrfurcht reden, Jene so unverschämt waren, sogar den Kaiser anzulügen. Aber untersuche um der Wahrheit willen und, wie geschrieben steht, forsche forschend in unserer Gegenwart, auf welchen Grund hin sie das sagen, oder wo der Brief gefunden wurde. Aber es wird sich weder bei Einem der Unsrigen nachweisen lassen, noch wird es Einer von den Leuten jenes Mannes sagen können. Denn es ist eine Erfindung. Aber man soll vielleicht nicht weiter nachforschen. Denn sie wollen es ja nicht, damit nicht der, welcher den Brief geschrieben hat, nothwendig entdeckt werde. Es kennen ihn nämlich die Verleumder allein und sonst Niemand.
14.
Weil sie aber auch in Betreff der großen Kirche mich angeschwärzt haben, weil dort vor ihrer Einweihung eine Versammlung stattgefunden habe, so will ich denn auch in Betreff dieses Punktes mich vor Deiner Gottesfurcht wieder rechtfertigen. Denn dazu nöthigen uns die Menschen in ihrer ganz feindlichen Gesinnung gegen uns. Ja, es ist geschehen, ich gebe es zu. Denn sowie ich in den bisherigen Punkten keine Lüge aussprach, so werde ich auch das nicht abläugnen. Doch verhält sich die Sache wieder anders, als sie gegen mich ausgesagt haben. Gestatte mir es zu sagen, nicht den Tag der Einweihung feierten wir, gottesfürchtiger Kaiser! Denn es wäre wirklich unerlaubt gewesen, das zu thun, bevor Du es befahlst. Auch haben wir das nicht vorsätzlich gethan, und es ist kein Bischof noch sonst ein Kleriker dazu eingeladen worden, und es fehlte auch Vieles am Baue. Es ist aber auch die Versammlung nicht durch vorhergegangene Einladung veranlaßt worden, daß sie daraus einen Anlaß zur Beschuldigung nehmen könnten. Vielmehr kennen Alle den Sachverhalt. Vernimm es gleichwohl in Deiner Milde und Geduld. Es war das Osterfest. Es war aber sehr viel und so viel Volk versammelt, als christlich gesinnte Kaiser in einer Stadt sich Christen wünschen können. Da nun die Kirchen wenig und sehr klein waren, erhob sich ein großer Lärm, und man verlangte, in der großen Kirche sich zu versammeln, damit Alle dort für Dein Wohlergehen beten könnten, was auch geschah. Obschon ich mahnte, man möge Etwas zuwarten und sich, so gut es anginge, in den übrigen Kirchen versammeln, wenn es auch nicht ohne Gedränge abginge, achteten sie nicht auf mich sondern sie zeigten sich bereit, die Stadt zu verlassen und an einsamen Orten unter freiem Himmel sich zu versammeln, indem sie es vorzogen, die Beschwerden des Weges zu ertragen, als unter Herzeleid das Fest zu begehen.
15.
Denn sei überzeugt, o Kaiser, und nimm auch hiefür wieder die Wahrheit zum Zeugen, daß in den Versammlungen der Fastenzeit wegen des engen Raumes und der großen Menschenmenge sehr viele Kinder, nicht wenige jüngere Frauen, sehr viele alte Matronen und nicht wenige Jünglinge in Folge erlittener Quetschungen in die Häuser fortgetragen werden