Von Chef zu Chef II. Heidemarie HirschmannЧитать онлайн книгу.
„sollte man doch gar keine Kleider geben. Wenn die wüßte, wie ihr das steht, nichts anzuhaben, die würde nie mehr etwas anziehen. Sie hat einen Gang wie ein junges Tier. Ob ich sie jemals einem Mann gebe?“
„ Gib sie mir mit nach Rom!“ bat ich, „nur für eine Woche. Ich mache eine kleine Pause, vor dem Herbst finde ich ja doch nichts Richtiges. Sie könnte mich begleiten und dann zurückfliegen.“
Patkul überlegte.
„ Vielleicht ist es ganz gut, wenn man sie hier eine Weile nicht sieht, sie ist doch eine ziemlich auffallende Erscheinung, und Monte ist ein Dorf. Also gut, abgemacht, morgen früh könnt ihr gemeinsam starten!“
In den zwei Stunden, die wir anschließend in bester Laune auf Patkuls Sofa-Spielwiese im großen Salon verbrachten, beschäftigte sich der Baron überwiegend mit seiner Tochter, aber da ich aufpaßte, wie er befohlen hatte, kam die in ihm aufgestaute Erregung dann doch jedesmal mir zugute. Und Inga, die von ihm wie von mir geküßt, gestreichelt, geleckt und zärtlich gekniffen wurde, die mitunter wie ein weicher Ball zwischen uns hin- und herflog oder unter dem starken Reiz, wenn wir sie kitzelten und masturbierten in einem, sich wie eine Stahlfeder vom Sofa hochschnellte, diese süße Inga erlebte zweifellos den lustvollsten Abend ihrer ganzen Jugend. Sie war wie ein Spielzeug für uns, wie eine wunderbar konstruierte Puppe, die reagierte, die sich schämte, sich entzog und sich dann wieder voll ausgab, ein springlebendiges, nacktes Hexlein aus den Wäldern des Nordens eher als ein Mensch unseres Jahrhunderts.
„ So sind die Estinnen“, sagte Patkul um Mitternacht, schwitzend, erschöpft, aber glücklich, „sie haben uns in Dorpat, wo wir hätten studieren sollen, den letzten Tropfen Kraft ausgesaugt und selbst nie aufgegeben, eine einzigartige Rasse.“
Inga aber schlief längst, schlief als erste, die blonden Haare auf dem Kissen ausgebreitet, den Kindermund leicht geöffnet, das Näschen hin und wieder schnuppernd, wie man es bei einem Baby sieht, ein Bild der Unschuld.
Beim Frühstück überreichte mir Patkul einen Umschlag.
„ Nach unserem bewegten Abend habe ich doch nicht gleich einschlafen können“, sagt er, „und habe die letzten Bulletins des Casino Municipal von Nizza studiert, wo man dich nicht kennt. Wenn du deine Abreise um einen Tag verschiebst, was du darfst, denn 48 Stunden sind schließlich noch nicht um, dann könntest du nach dem System, das ich dir skizziert habe, in zweieinhalb bis drei Stunden einen guten Zug machen. Ob es ein Kosmetiksalon wird, weiß ich nicht, aber ein schönes Cadeau zum Abschied kannst du dir damit gewiß verdienen.“
Während Inga noch ein paar Besorgungen machte, um für die römische Woche richtig ausgestattet zu sein, fuhr ich abschiednehmend über die Moyenne Corniche nach Nizza und saß als eine der ersten, gleich nach der Eröffnung des Saales, an einem der Roulettetische. Ich hatte in den letzten Wochen so vielen Spielern zugeschaut, daß ich mich bereits völlig sicher fühlte, wenn es auch ein wenig kompliziert war, nach System zu spielen. Patkul hatte alles sehr übersichtlich notiert, ich hatte genug Geld mitgenommen, und als ich am Ende der empfohlenen Einsätze war, türmten sich die Jetons schon recht ansehnlich vor meinem Platz, und hinter mir hatte sich eine kleine Ansammlung ehrfurchtsvoll flüsternder Herren und Damen gebildet.
Sollte ich aufhören? Der letzte Einsatz sah die einfachen Chancen Rouge, Pair und Passe vor. Mein Blick lief über die roten geraden Ziffern der zweiten Ziffernhälfte und blieb an der Sechsunddreißig hängen.
„ Messieursdames“, sagte der Chef de Table, „faites vos jeux.“
Ohne zu überlegen, machte ich statt drei Häufchen, wie Patkul es mir aufgeschrieben hatte, ein einziges, nicht unbeträchtliches Säulchen und schob es auf die 36. Die Kugel schnurrte in tiefster Stille, sie klickerte, sprang, blieb liegen und machte nur noch als Passagier die letzten Runden des Drehkreuzes mit.
„ Trente-six, rouge, pair et passe“, sagte der Chef de Table, ließ den Blick über den Tisch huschen, erspähte mein Säulchen und häufte einen ganzen Berg von Jetons vor seinen Rechen.
„ Plein pour Mademoiselle“, sagte er mit einem charmanten Lächeln, in dem die Gratulation, die Anerkennung und das Amüsement über meine roten Wangen zu erkennen war. Ich bat um ein Tablett, ein Diener kam und trug die Jetons vor mir her zur Wechselkasse. Ich hatte in drei Stunden 237 400 neue Francs gewonnen.
„ Versuch es nie wieder!“ sagte Patkul, als ich ihm berichtete. „Alles ging gut, weil du zum erstenmal spieltest, weil du die große Unbefangenheit hattest, die wir Spieler die desinvolture d’or nennen. An diesem ersten Spieltag konnte gar nichts schiefgehen; nun aber schnell auf die Bank mit dem Geld, und daß ihr beiden mir unterwegs nicht in San Remo oder in Viareggio Station macht und den schönen Gewinn wieder verplempert!“
Nun, wir waren auch damit und mit uns selbst glücklich genug, und in der Überzeugung, nun doch, wenn auch auf Umwegen, mir meinen traditionellen Kosmetiksalon verehrt zu haben, entließ mich der Baron selbst getröstet und mit dem Schicksal wieder versöhnt.
„ Umarme mich ganz fest und mach mir’s so toll, wie du nur kannst“, sagte Inga am Abend zu mir, als wir in einem kleinen Hotel von Nervi in unseren Betten lagen, „sonst denke ich zuviel an Papa!“
„ Ich will mein Möglichstes tun“, versprach ich seufzend, denn ich war groggy von dem langen Tag, und zum Schluß noch die Durchfahrt durch das nächtliche Genua! Inga, ahnungslos wie ein Kind, eigensüchtig wie ein Kind, wollte bedient sein, und ich bediente sie.
Genußsüchtig, wie kleine Mädchen nun einmal sind, nahmen wir nicht die Autostrada nach Rom, sondern schnuckelten an der Küste entlang, durch eine Unzahl freundlicher kleiner Orte, manchmal auch hoch auf der Steilküste, während die malerischen Nester tief unter uns in den Felsenbuchten lagen. Als wir in Orbetello gegessen hatten, war uns in dem kleinen Wagen trotz des offenen Verdecks so heiß und wir fühlten uns so schlapp und schläfrig, daß wir einen sandigen Seitenweg einschlugen und an den Strand hinausfuhren.
Es war ein Strand ohne Häuser, ein paar Inseln hohen Schilfes gaben Schatten, eine leichte Brise wehte vom Meer her. Mit einem zweistimmigen Schrei der Begeisterung sprangen wir aus dem Wagen, warfen die Kleider ab, unter denen wir der Hitze wegen ohnedies so gut wie nichts mehr anhatten, und rannten nackt in das glitzernde Wasser. Es war nicht kühl, aber doch erfrischend, und träge treibend gelang es uns, die Körpertemperatur langsam zu senken.
Als wir genug hatten und zurückschwammen, um noch ein Viertelstündchen zu schlafen, rief Inga auf einmal erschrocken:
„ Du, da sind Männer bei unserem Wagen!“
„ Verdammt“, sagte ich, „wenn es nur Witzbolde sind, werden wir ja wohl mit ihnen fertig werden, zu zweit, aber vielleicht sind es Verbrecher!“
Nun, es half nichts. Wenn sie mit dem Wagen wegfuhren, waren wir noch schlechter dran, als wenn wir uns mit ihnen auseinandersetzten. Ein Glück, daß das Geld nicht mehr im Wagen war, sondern seit neun Uhr morgens sicher in der Filiale der Banco di Roma zu Nervi ruhte.
Beim Näherkommen erkannten wir, daß es vier junge Männer waren, keine Touristen, sondern wohl Fischer aus dem nächsten Dorf. Sie hatten uns längst erspäht, lösten sich mit einem gewissen Bedauern von all den hübschen Dingen, die wir im Wagen hatten, und kamen, bloßfüßig wie sie waren, uns ein paar Schritte ins Wasser entgegen.
Ich hielt es für geraten, die Verhandlungen schon aus sicherer Distanz zu eröffnen, aber es erwies sich, daß mein Italienisch nicht ausreichte. Inga hatte in ihrem Schweizer Internat die Sprache wesentlich besser erlernt und ersuchte die vier zunächst, ein wenig beiseite zu gehen und sich umzudrehen, wir hätten nichts an.
„ Wir nichts tun, nur zuschauen!“ rief auf einmal einer der vier in jenem Neger-Italienisch, in dem er sich wohl auch mit den Touristen unterhielt. Es war gewiß die einzige Form von Schriftsprache, in der er sich überhaupt ausdrücken konnte, und seinen Dialekt hätten wir ja beide nicht verstanden.
„ Bestimmt nichts tun?“ erkundigte sich Inga schelmisch. Sie machte es richtig und hielt die Männer bei Laune. Sie bildeten geradezu ein Spalier für uns, als wir aus dem Wasser kamen, und hatten tatsächlich eine