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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2. Augustinus von HippoЧитать онлайн книгу.

Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2 - Augustinus von Hippo


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wir also die Ursache des Entstehens zweier verschiedener und sich entgegengesetzter Staaten darin gesucht haben, daß die einen nach dem Fleische, die andern nach dem Geiste leben, so könnte man als Ursache ebensogut bezeichnen, daß die einen nach dem Menschen, die andern nach Gott leben. Mit ausdrücklichen Worten sagt ja « Paulus » zu den Korinthern[19] : „Denn wenn unter euch Eifersucht und Streit « herrschen », seid ihr dann nicht fleischlich und wandelt nach dem Menschen?“ Also wandeln nach dem Menschen ist gleichbedeutend mit fleischlich sein, weil unter Fleisch als einem Teile des Menschen der Mensch selbst zu verstehen ist. Vorher hat er ohnehin die nämliche Gattung von Menschen seelisch genannt, die er hier als fleischlich bezeichnet; er sagt nämlich[20] : „Denn welcher Mensch weiß, was im Menschen ist, als nur der Geist des Menschen, der in ihm selbst ist? So weiß auch niemand, was Gottes ist, als nur der Geist Gottes. Wir aber“, fährt er fort, „haben nicht den Geist dieser Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, damit wir wissen, was uns von Gott geschenkt worden ist. Und das lehren wir auch, nicht mit gelehrten Worten menschlicher Weisheit, sondern mit geistgelehrten, indem wir das Geistige geistig behandeln. Der seelische Mensch dagegen faßt nicht, was des Geistes Gottes ist; ihm ist es Torheit.“ An solche also, an seelische meine ich, wendet er sich kurz hernach mit den Worten[21] : „Und ich, Brüder, konnte nicht zu euch reden als zu Geistigen, sondern als zu Fleischlichen“; hier wie dort derselben Redefigur sich bedienend, mit dem Teil das Ganze bezeichnend. Denn sowohl mit der Seele als auch mit dem Fleische, den beiden Bestandteilen des Menschen, kann man das Ganze, den Menschen, bezeichnen; und so ist seelischer Mensch und fleischlicher Mensch gleichbedeutend, beides ist ein und dasselbe, nämlich der nach dem Menschen lebende Mensch, wie ja auch wieder eben Menschen gemeint sind sowohl in der Stelle[22] : „Aus den Werken des Gesetzes wird nicht gerechtfertigt werden jegliches Fleisch“, als auch in der Stelle[23] : „Fünfundsiebzig Seelen stiegen hinab mit Jakob nach Ägypten“. Dort ist unter jeglichem Fleisch jeglicher Mensch zu verstehen und hier unter den fünfundsiebzig Seelen fünfundsiebzig Menschen. Und statt: „nicht mit gelehrten Worten menschlicher Weisheit“ hätte es ebensogut heißen können: fleischlicher Weisheit, und statt: „ihr wandelt nach dem Menschen“ ebenso gut: nach dem Fleische. Noch deutlicher tritt das hervor in den anschließenden Worten[24] : „Denn wenn der eine sagt: Ich bin des Paulus, der andere aber: Ich des Apollo, seid ihr da nicht Menschen?“ Was er meinte mit den Ausdrücken: Seelisch seid ihr, fleischlich seid ihr, das sagt er hier genauer, voller: „Menschen seid ihr“, das will sagen: Nach dem Menschen lebt ihr, nicht nach Gott; würdet ihr nach Gott leben, so wäret ihr Götter,

      

       5. Die Ansicht der Platoniker über das Wesen von Leib und Seele ist zwar erträglicher als die der Manichäer, aber doch auch nicht annehmbar, weil sie die Ursachen alles sittlich Bösen im Wesen des Fleisches sucht.

      

      Man braucht also nicht unsere Sünden und Laster zur Schmach für den Schöpfer schuldzugeben der Natur des Fleisches, die in ihrer Art und an ihrem Orte gut ist, sondern dies ist nicht gut, unter Hintansetzung des guten Schöpfers nach einem geschaffenen Gut zu leben, ob man nun lieber nach dem Fleische oder nach der Seele oder nach dem ganzen Menschen lebt, der aus Seele und Leib besteht [weshalb er auch mit dem einen wie dem andern bezeichnet werden kann]. Denn wer als das höchste Gut die Natur der Seele preist und die Natur des Fleisches als ein Übel anschuldigt, der ist in seinem Streben und Meiden gleich fleischlich, obwohl er der Seele das Streben und dem Fleische das Meiden zugedacht hat; denn seine Meinung ist menschliche Torheit, nicht göttliche Wahrheit. Zwar verirren sich die Platoniker nicht soweit wie die Manichäer, daß sie die irdischen Körper gleich als das Wesen des Bösen verabscheuen würden, vielmehr führen sie alle Bestandteile, aus denen sich die sichtbare und betastbare Welt zusammensetzt, und dazu die Eigenschaften dieser Bestandteile auf Gott als Bildner zurück; jedoch lassen sie die Seele „durch die irdische Hülle sterblicher Glieder“[25] in der Weise beeinflußt werden, daß ihr daraus die Krankheiten der Begierde, Furcht, Lust und Bekümmernis erwachsen. Und in diesen vier Gemütserregungen, wie Cicero sie nennt[26] , oder Leidenschaften, wie man zumeist den griechischen Ausdruck hierfür wörtlich wiedergibt, ist die ganze Fehlerhaftigkeit des sittlichen Gehabens der Menschen beschlossen. Was soll aber dann des Äneas verwunderte Frage bei Vergil[27] , an den Vater gerichtet, der ihm von der Rückkehr der Seelen der Unterwelt in Leiber erzählt hat:

      „Ist's denn glaublich, o Vater, daß einige Seelen zur Höhe

      Wieder entschweben von hier und in träge Körper zurückgehn?

      Welch unselige Gier nach Licht durchbebt diese Armen!“

      Lebt diese unselige Gier immer noch von der „irdischen Hülle sterblicher Glieder“ her in den Seelen, trotz ihrer hochgepriesenen Reinheit? Sind sie nicht von aller derartigen Körperpest, wie er das nennt[28] , gereinigt, wenn sie „wieder zurück in Leiber zu wandern verlangen“?[29] Selbst angenommen also, es hätte seine Richtigkeit, was ganz und gar grundlos ist, mit der stets wechselnden Reinigung und Befleckung von unablässig hin- und wiederwandernden Seelen, so hätte man doch nicht sagen dürfen, daß den Seelen alle schuldbaren und sündhaften Regungen nur aus ihren irdischen Leibern erwüchsen; denn jene unselige Gier, um mit dem edlen Wortführer zu reden, rührt nach den Platonikern durchaus nicht vom Leibe her; sie zwingt vielmehr die von aller Körperpest gereinigte und außerhalb jeglichen Körpers befindliche Seele erst hinein in einen Leib. Demnach wird auch nach ihrem eigenen Geständnis die Seele nicht vom Leib allein beeinflußt in der Richtung auf Begierde, Furcht, Lust und Bekümmernis, sondern sie kann auch aus sich selbst durch solche Regungen erschüttert werden.

      

       6. Die Beschaffenheit des Willens macht es aus, ob die von ihm beherrschten Gemütsbewegungen schlecht oder gut sind.

      

      Es kommt indes auf die Beschaffenheit des Willens im Menschen an; ist der Wille verkehrt, so werden auch diese Regungen in ihm verkehrt sein; ist er dagegen gerade gerichtet, so werden sie nicht nur untadelhaft, sondern selbst lobenswert sein. Denn in allen Regungen ist Wille vorhanden, ja sie alle sind nichts anderes als Willensregungen. Begierde und Lust sind lediglich der Wille in der Bejahung dessen, was wir wollen; Furcht und Traurigkeit der Wille in der Verneinung dessen, was wir nicht wollen. Wenn wir bejahen durch Streben nach dem, was wir wollen, so heißt man das Begierde; und wenn wir bejahen durch Genießen dessen, was wir wollen, so nennt man das Lust. Und umgekehrt, wenn wir uns ablehnend verhalten gegen Dinge, deren Eintritt wir nicht wollen, so ist eine solche Willensregung Furcht; und wenn wir uns ablehnend verhalten gegen Dinge, die wider unsern Willen eingetreten sind, so ist eine solche Willensregung Traurigkeit. Und ganz allgemein wandelt und wendet sich der Wille zu Regungen so oder so, wie er angezogen oder abgestoßen wird je von den verschiedenen Gegenständen, die man anstrebt oder meidet. Deshalb braucht der Mensch, der nach Gott und nicht nach dem Menschen lebt, nur ein Freund des Guten zu sein; daraus ergibt sich dann von selbst, daß er dem Bösen seinen Haß zuwendet. Und einen „vollkommenen Haß“ schuldet er den bösen Menschen[30] , das will sagen: da niemand seiner Natur nach böse ist, sondern jeder Böse nur durch die Sünde böse ist, so darf der, welcher nach Gott lebt, weder den Menschen hassen wegen der Sünde noch die Sünde lieben wegen des Menschen, sondern muß die Sünde hassen und den Menschen lieben. Denn wenn die Sünde beseitigt ist, so bleibt nur solches zurück, was er zu lieben hat, und nichts, was er zu hassen hätte.

      

       7. Die Worte amor und dilectio werden in der Heiligen Schrift unterschiedslos nach der guten und der schlimmen Seite gebraucht.

      

      Denn wer sich vorgesetzt hat, Gott zu lieben, und nicht dem Menschen gemäß, sondern Gott gemäß den Nächsten zu lieben, wie auch sich selber, der wird ohne Zweifel wegen dieser Liebe als eines guten Willens bezeichnet. Diese Willensrichtung heißt in der Hl. Schrift meist Caritas, doch wird auch das Wort amor dafür


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