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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1. Augustinus von HippoЧитать онлайн книгу.

Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1 - Augustinus von Hippo


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Weibern, nicht aber sterbliche Männer mit Göttinen geschlechtlichen Umgang pflegen? Es wäre doch eine harte oder vielmehr unglaubliche Bestimmung, die der Venus in ihrer eigenen Rechtssphäre das verwehrt, was nach dem Rechte derselben Venus dem Mars in geschlechtlichem Umgang erlaubt war. Indes das eine wie das andere hat bei den Römern Billigung gefunden. Denn ebenso wie in alten Zeiten Romulus den Mars für seinen Vater hielt, hat in neueren Zeiten Cäsar die Venus für seine Ahnfrau gehalten.

       4. Varros Meinung über den Vorteil, den es biete, wenn sich Menschen der Wahrheit zuwider für Göttersöhne ausgeben.

      

      Ja glaubst du denn so etwas? hält man mir entgegen. Nein, ich glaube es nicht. Gesteht ja auch Varro, einer ihrer gelehrtesten Männer, wenn auch nicht mit rückhaltloser Entschiedenheit, doch halb und halb die Unrichtigkeit solcher Annahmen zu. Aber er meint, es sei für die Staaten ersprießlich, wenn sich tapfere Männer, ob auch irrigerweise, für Göttersöhne hielten, damit so der menschliche Geist, im Vertrauen auf seine vermeintlich göttliche Abkunft, sich kühner an große Unternehmungen heranwage, sie energischer betreibe und so gerade durch die Zuversichtlichkeit glücklich durchführe. Es ist begreiflich, daß diese Ansicht Varros, die ich so gut wie möglich mit meinen eigenen Worten wiedergegeben habe, der Unwahrheit Tür und Tor öffnet, und leicht verstehen wir, daß sich da, „wo man sogar Lügen über die Götter selbst als vorteilhaft für die Bürger erachtete, ein weites Feld für mythologische Erdichtungen auftat.

      

       5. Es läßt sich nicht beweisen, daß die Götter den Ehebruch des Paris bestraften; denn sie haben an der Mutter des Romulus die Unzucht nicht gerächt.

      

      Lassen wir es jedoch dahingestellt, ob es möglich sei, daß Venus von Anchises den Äneas geboren oder Mars mit der Tochter Numitors den Romulus gezeugt habe; denn so ziemlich die gleiche Frage entsteht auch auf Grund unserer Schriften[135] , nämlich ob die abgefallenen Engel mit Töchtern von Menschen Umgang gehabt haben, woraus Giganten d. i. überaus große und starke Männer hervorgingen, die damals die Erde erfüllten. Deshalb muß unsere Erörterung immerhin auch mit der Möglichkeit des Falles rechnen. Wenn also das wahr ist, was man in den Schriften allenthalben über die Mutter des Äneas und den Vater des Romulus liest, wie können dann den Göttern die Ehebrüche der Menschen mißfallen, da sie ihre eigenen gegenseitig in Eintracht ertragen? Ist das aber unwahr, so können sie gleichwohl über wirkliche Ehebrüche der Menschen nicht zürnen, weil sie an den ihnen angedichteten Freude haben. Dazu kommt, daß sich die Sache der Mutter des Romulus sehr verschlechtert, wenn man den Bericht über den Ehebruch des Mars nicht glaubt, um den Ehebruch der Venus in Abrede stellen zu können [Diesen nämlich mussten die in Abrede stellen, die den Ehebruch des Paris als Ursache des Zornes der Götter und der Zerstörung Trojas betrachteten]; denn in diesem Fall tritt für die Mutter des Romulus kein Beilager eines Gottes rechtfertigend ein. Und sie war doch Priesterin der Vesta, und deshalb hätten die Götter eher an den Römern diesen schweren Religionsfrevel strafen sollen als an den Trojanern den Ehebruch des Paris. Haben ja selbst die Römer in alter Zeit die der Unzucht überführten Priesterinnen der Vesta lebendig begraben, während sie ehebrecherische Frauen zwar auch mit Strafe, aber doch nicht mit der Todesstrafe belegten; um soviel strenger straften sie die Entweihung dessen, was nach ihrer Meinung ausschließlich den Göttern zugehören sollte, als die Schändung des Ehebettes.

      

       6. Die Götter haben auch den Brudermord des Romulus nicht gestraft.

      

      Ein anderes Beispiel: Hätten diese Gottheiten an den Sünden der Menschen Mißfallen gehabt und deshalb, durch die Untat des Paris gereizt, Troja im Stiche gelassen und es dem Feuer und Schwert überantwortet, so würde sie der Brudermord des Romulus noch mehr wider die Römer erbittert haben, als sie die Beschimpfung eines griechischen Ehemannes wider die Trojaner erbitterte; mehr noch hätte sie der Brudermord in einem eben erst entstehenden Staate gereizt als der Ehebruch in einem schon blühenden Staate. Es macht dabei für die Frage, die uns hier beschäftigt, keinen Unterschied, ob Romulus dazu nur den Befehl gegeben oder ob er die Tat eigenhändig vollführt hat, was die einen keck in Abrede stellen, andere aus Verlegenheit in Zweifel ziehen und wieder andere aus schmerzlicher Empfindung nicht hören wollen. Auch wir werden uns bei der genaueren Untersuchung dieser Frage, wozu wir die Nachrichten vieler Schriftsteller heranziehen und abwägen müßten, nicht aufhalten; soviel steht fest, daß der Bruder des Romulus öffentlich ermordet wurde, und zwar nicht von Feinden noch von Auswärtigen. Romulus nun war unumschränkter Herr in Rom, weit mehr als Paris in Troja[136] ; wenn also er die Tat begangen oder anbefohlen hat, warum hat Paris, der Entführer einer fremden Gemahlin, den Zorn der Götter über die Trojaner heraufbeschworen, während Romulus, der Mörder seines Bruders, den Schutz derselben Götter über die Römer herabzog? Wenn aber Romulus mit diesem Verbrechen nichts zu schaffen hat, weder durch Ausführung noch durch Anordnung einer Tat, die doch unbedingt Strafe heischte, so ist der ganze Staat in das Verbrechen verwickelt, weil er es nicht geahndet hat, und dann handelt es sich nicht um einen Brudermord, sondern, was noch schlimmer ist, um einen Vatermord. Denn Gründer des Staates war der eine wie der andere, nur dass der eine, durch ruchlosen Mord hinweggerafft, nicht zur Herrschaft gelangen sollte. Es läßt sich also überhaupt nicht angeben, welches Mißverdienst Troja auf sich geladen habe, daß es von den Göttern im Stich gelassen worden wäre, wodurch es dem Untergang hätte anheimfallen können, noch auch welches Verdienst Rom erworben habe, daß es von den Göttern zum Wohnsitz wäre auserkoren worden, wodurch es hätte aufblühen können; nichts ist geschehen, als daß die Götter besiegt von dort flohen und sich zu den Römern begaben, um diese ebenso zu betrügen; oder vielmehr sie blieben dort, auf der Stätte von Troja, um die neuen Ansiedler jener Gegend nach ihrer Art wieder zu betrügen, und erfreuten sich in Rom, wo sie die nämlichen Künste der Berückung ärger trieben, noch größerer Ehren.

       7. Die Zerstörung Ilions durch Fimbria, dem Feldherrn des Marius.

      

      Denn was hat doch nachmals, schon während der Wirren des Bürgerkrieges, Ilion Schreckliches begangen, daß es von Fimbria, dem verworfensten Mitglied der Partei des Marius, mit viel größerer Roheit und Grausamkeit als ehedem von den Griechen zerstört wurde? Hatten sich dazumal viele geflüchtet und andere, wenn auch in Sklaverei geraten, doch ihr Leben gerettet, so gab Fimbria vorher die Weisung, niemand zu verschonen, und ließ die ganze Stadt mit all ihren Einwohnern verbrennen. Das mußte Ilion erleiden nicht von den Griechen, die es doch durch seinen Frevel gereizt hatte, sondern von Römern, die seinem Unglück ihr Dasein verdankten, und dabei haben den Iliern die gemeinsamen Götter keinerlei Hilfe zur Abwehr solchen Unheils angedeihen lassen oder, um die Wahrheit zu sagen, sie haben ihnen nicht helfen können. Sind etwa auch damals ,,von den Tempeln und Altären alle Götter gewichen“, auf deren Schutz die Stadt baute, die nach der früheren Einäscherung durch die Griechen aus den Trümmern wiedererstanden war? Waren sie aber entwichen, so frage ich, mit welchem Rechte, und es zeigt sich die Sache der Götter in umso schlimmerem Licht, als sich die der Einwohnerschaft ganz günstig darstellt. Die Ilier hatten nämlich dem Fimbria die Tore verschlossen, um die Stadt mit all ihren Mitteln dem Sulla zu erhalten; das war der Grund, weshalb Fimbria in seinem Zorne die Stadt anzündete oder vielmehr gänzlich zum Erlöschen brachte. Noch war aber Sulla das Haupt der besseren Partei, noch suchte er mit Waffengewalt die Verfassung wiederherzustellen; noch lag das schlimme Ende nach guten Anfängen ferne. Was hätten also die Bürger jener Stadt besseres tun können, womit hätten sie den Forderungen der Ehre und Treue mehr genügen können, als dadurch, daß sie ihre Stadt der besseren Sache der Römer erhielten und dem Hochverräter des römischen Staates ihre Tore verschlossen? Wie furchtbar ihnen jedoch dies zum Verderben ausschlug, das sollten sich die Verteidiger der Götter wohl merken. Angenommen also, die Götter hätten seinerzeit die ehebrecherischen Trojaner im Stich gelassen und das alte Ilion dem Feuerbrand der Griechen preisgegeben, damit aus der Asche eine keuschere Roma erstehe,


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