Verbot, Verfolgung und Neubeginn. Helmut ReinalterЧитать онлайн книгу.
zwischen Volksschule und Volkshochschule herstellen.183 Durch ihre Kritik am bestehenden Schulsystem steigerte sich die Spannung zwischen katholischer Kirche und Freimaurerei, die schon seit Beginn der Grenzlogenzeit bestand.
Nicht wenige Brüder gehörten auch verschiedenen reformerischen Vereinen an und engagierten sich dort im Sinne freimaurerischer Anliegen. Insbesondere traten sie für Friedensbemühungen ein. 1911 erhielt der Freimaurer und Publizist Alfred Hermann Fried sogar den Friedensnobelpreis.184 Fried (1864–1921) hatte die Grundlage der modernen, grenzüberscheitenden Friedensbewegung geschaffen. Seine Ziele teilte er mit Bertha von Suttner in konsequenter Weise.185 Er stammte aus einer jüdischen Familie und besuchte die Schule bis zu seinem 15. Lebensjahr. Nach einer Buchhändlerausbildung arbeitete er in diesem Bereich ab 1883 in Berlin. Später trat er mit Publikationen an die Öffentlichkeit und wurde 1881 zum bekennenden Pazifisten. Zehn Jahre später engagierte er sich intensiv für die Friedenspropaganda, und ab 1882 war er gemeinsam mit Bertha von Suttner Herausgeber der pazifistischen Zeitschrift „Die Waffen nieder!“. In ihr und in der ab 1899 erscheinenden Zeitschrift „Die Friedenswarte“ entwickelte er seine pazifistischen Ideen. 1882 hatte er bereits die Deutsche Friedengesellschaft mitbegründet, und 1894 besuchte er regelmäßig die internationalen Friedenkongresse und interparlamentarischen Konferenzen in Brüssel, Budapest, Kristiania und Wien. Über diese bereitete er Berichte für die deutschsprachige Presse vor und trug auch zu deren Verbreitung bei. Von 1896 bis 1900 redigierte er die „Monatliche Friedenskorrespondenz“, die sich als Zeitschrift der Deutschen Friedensgesellschaft verstand und übernahm 1899 die Redaktion der Zeitschrift „Die Waffen nieder!“. Noch im selben Jahr gründete er das Komitee zur Kundgebung für die Friedenskonferenz in Berlin, und 1902 nahm er an der Eröffnung des Kriegs- und Friedensmuseums in Luzern teil. Ab 1903 war er auch Mitglied des Internationalen Friedensinstituts und gehörte seit 1908 der Grenzloge „Socrates“ in Pozsony als Mitglied an.186
Diese Beispiele verdeutlichen, dass die österreichische Bruderkette schon vor dem Ersten Weltkrieg pazifistisch, sozialreformerisch und internationalistisch tätig war.187 Großen Wert legte die Freimaurerei in dieser Zeit nicht nur auf die individuelle Arbeit des Bruders an der Persönlichkeitsformung, auf die Symbolik und Ritualistik, sondern auch auf die Außenarbeit, auf die Verbreitung freimaurerischen Ideenguts in Wort und Schrift, auf die Förderung kultureller Aktivitäten, auf die humanitäre Arbeit der Logen mit Unterstützung entsprechender Institutionen und auf die Logenmitarbeit in profanen Vereinen.
Vom 26.-30. September 1896 fand in Trient – wie bereits angedeutet – ein internationaler antifreimaurerischer Kongress statt, der den Anlass dazu bildete, dass sich mehrere Persönlichkeiten trafen, um in einem geschlossenen Kreis 1896 Vorträge über die Geschichte und Wirksamkeit der Freimaurerei in der Monarchie zu untersuchen. Zu diesen Persönlichkeiten zählten: Karl Graf Chorinsky, Nikolaus Moriz Graf Esterházy, Dr. Victor v. Fuchs, Dr. Simon Hagenauer, Josef Alex. Freiherr von Helfert, Emerich Graf Hunyady, Karl Koller, Dr. Josef Porzer, Friedrich Graf Schönborn, Johann Erbprinz von und zu Schwarzenberg, Ernst Graf Sylva-Tarouca, Koloman Graf Széchényi, P. Paulus M. Toggenburg, P. Franz X. Widmann S. J., Wilhelm Graf Wolkenstein und Ferdinand Graf Zichy.188 Die einzelnen Vorträge befassten sich mit folgenden Themen: Freimaurerische Prinzipien und Logen-Systeme (Johann Michael Raich), Österreichs Freimaurerei bis zum Tode Maria Theresias (Josef Alexander Freiherr von Helfert), Die Freimaurerei unter Josef II. (Victor von Fuchs), Freimaurerische Berühmtheiten (P. Anton Forstner S. J.), Freimaurerei und Französische Revolution (Wilhelm Freiherr von Berger), Die Jakobiner in Ungarn (Nikolaus Moriz Esterházy-Csákvár), Von Kaisers Franz Verbot der Logen bis 1848 (Ferdinand Buquoy), Freimaurerische Aktionen von 1849–1866 (Ernst Sylva-Tarouca), Die ungarische Freimaurerei seit 1867 (Karl Koller), Die Freimaurerei in den Reichsratsländern (Friedrich Schönborn), Das Gesamtbild (Ferdinand Zichy). Die Schlussworte sprach Kardinal Fürsterzbischof Anton Gruscha. Noch im Verlauf dieser Vortragsreihe wurde vorgeschlagen, die Vorträge zu veröffentlichen, was auch durch den Herder-Verlag geschah. Im Schlusswort betonte Gruscha: „Unter dem überwältigenden Eindrucke eines mächtigen Appells, der soeben an uns alle gerichtet ward, schliessen die Vorträge. Es ist ein Appell, der nicht nur in dieser Stunde gehört werden wollte, sondern der eine thatkräftige Fortsetzung der nunmehr eingeleiteten Action verlangt gegenüber dem gemeinsamen Gegner – der Freimaurerei. Vom Beginn der Veranstaltung dieser Action hat der Episcopat seine freudige Anerkennung jenen Männern ausgesprochen, die diesen Entschluss gefasst und denselben mit Muth und Ausdauer auf streng historischer Grundlage erfolgreich ausgeführt haben. Mit vollem Vertrauen kommt auch der Episcopat der Zukunft dieser Action entgegen; er hofft mit Recht, dass auch alle ferneren Schritte unter Gottes Beistand von gleichem Erfolge begleitet sein werden.“189
Gruscha antwortete auf die Frage, ob ein gläubiger Christ Freimaurer sein könnte, mit einem eindeutigen Nein. Die ganze Publikation diente der Antifreimaurerei. Gruscha vertrat die Auffassung, dass die katholische Kirche die einzige wirksame Gegenmacht zu dem weitausgebreiteten Geheimbund der Freimaurer sei. Die Kirche müsse sich für den Kampf gegen die Freimaurerei rüsten, ein Kampf, der den Sieg für den Glauben bringen sollte: „Wir sind … berufen als Bauleute, zu bauen an den Mauern der Stadt Gottes im christlichen Familien- und Staatenleben auf Erden. Mit der einen Hand wollen wir die Arbeit thun, wollen wir bauen, mit der anderen Hand das Schwert halten, wehren dem Feinde, immer aber eingedenk der göttlichen Mahnung: ‚Wenn der Herr das Haus nicht baut, so arbeiten die Bauleute vergebens.‘„190 Aus den Vorträgen und dem Schlusswort des Vortragsbandes spürte man deutlich die große Ablehnung der humanitären Freimaurerei. Sie war noch eine Nachwirkung des Kulturkampfes.
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151 Vgl. R. Hubert, Freimaurerei in Österreich 1871–1918, in: Zirkel und Winkelmaß. 200. Jahre Große Landesloge der Freimaurer, S. 32; F. Zörrer/R. Hubert, Die „Grenzlogenzeit“ 1871–1918, in: 250 Jahre Freimaurerei in Österreich, Ausstellungskatalog Zwettl 1992, S. 37 ff.; L. Lewis, Geschichte der Freimaurerei in Österreich; H. Obrecht, Der Kampf um die staatliche Anerkennung der Freimaurerei in Österreich, S. 106 ff.
152 Vgl. die betreffenden Baustücke im Großlogenarchiv in Wien.
153 Vgl. dazu die Akten im AVA, Z. 1846/21.Juli 1868 und Z. 1330/23. April 1869; H. Obrecht, Der Kampf um die staatliche Anerkennung der Freimaurerei in Österreich, S. 106 ff.; vgl. auch H. Reinalter, Die Freimaurerei in Österreich im 19. und 20. Jahrhundert, in: Freimaurerei und Geheimbünde im 19. und 20. Jahrhundert in Mitteleuropa, S. 132; Niederösterreichisches Landesarchiv St. Pölten, Präsidialakten 1868–1871.
154 Niederösterreichisches Landesarchiv, Niederösterreichische Statthalterei – Präsidium, Zl. 593 1872.
155 AVA, Z./2306; vgl. auch H. Obrecht, Der Kampf um die staatliche Anerkennung der Freimaurerei in Österreich, S. 107; L. Brügel, Aus der Frühzeit der österreichischen Freimaurerei, S. 68 ff.
156 L. Brügel, Aus der Frühzeit der österreichischen Freimaurerei, S. 68.