Verbot, Verfolgung und Neubeginn. Helmut ReinalterЧитать онлайн книгу.
erfuhr starke Impulse und Anregungen von älteren maurerischen Standardwerken, die zum Teil unverändert nachgedruckt wurden.2
2. Die Forschung in Österreich
Standen in Deutschland zuerst noch para- und pseudomaurerische Geheimbünde und der Illuminatenorden im Mittelpunkt der fachhistorischen Interessen, so wendet sich die Historiographie nun schon seit einigen Jahrzehnten stärker den Aufklärungsgesellschaften, dem Verhältnis von Aufklärung, aufgeklärtem Absolutismus und Freimaurerei, dem Nationalsozialismus und den Verschwörungstheorien zu. Auch regionale Studien bzw. einzelne Logengeschichten, die in letzter Zeit stark zugenommen haben, bilden eine wichtige Voraussetzung für eine moderne Gesamtgeschichte der Freimaurerei in Deutschland. Dies trifft zum Teil auch auf Österreich zu. Hier ist von Helmut Reinalter bereits der erste Band einer modernen Geschichte der österreichischen Freimaurerei erschienen.3 In Österreich setzte die kritische Freimaurerforschung, die mit den mythischen Legenden aufgeräumt hatte, erst im 20. Jahrhundert ein.
Als älterer Autor wäre Ludwig Lewis zu nennen, der 1861 mit seiner „Geschichte der Freimaurerei in Österreich“ als erster Historiograph gilt.4 Das Buch besteht aus einer ca. 50 Seiten umfassenden Darstellung und rund 100 Seiten Dokumenten. Die Darstellung weist aber zahlreiche Fehler auf. Lewis bezeichnet vor allem die Freimaurerei als seriös und harmlos, als staatstragend und ungefährlich. Im Zeitraum von 1869–1871 kam eine Vielzahl von Kleinliteratur heraus. Bedeutsam ist aber die umfassende und umfangreiche Darstellung von Ludwig Abafi (Pseudonym für Ludwig Aigner) über die Geschichte der Freimaurerei in Österreich Ungarn.5 Nicht unwichtig für die Freimaurerforschung waren auch die Beiträge in masonischen Zeitschriften, hier vor allem in der „Latomia“ und in „Der Zirkel“, der 1871 herauskam und als Organ der Loge „Humanitas“ sowie später aller Grenzlogen fungierte. Im „Zirkel“ wurden immer wieder Beiträge zu historistischen Themen, Dokumente und Miszellen publiziert.6 Unter den Autoren fanden sich Freimaurerhistoriker, wie Gustav Brabbée und Ludwig Aigner. Der Wiener Vertreter von Ludwig Lewis, Franz Julius Schneeberger, veröffentlichte darin einen ersten Bericht über die Gründung der Grenzloge „Humanitas“. Der Bericht wurde 1883 nochmals publiziert.7 Als Quelle waren diese Beiträge allerdings ziemlich dürftig. Ähnliches gilt auch für historische Abhandlungen im „Zirkel“.8
Wichtiger sind die verschiedenen Logengeschichten, die aus Anlass runder Logenjubiläen geschrieben bzw. herausgegeben wurden.9 Nicht frei von apologetischen Argumenten war die Schrift von Julius Goldenberg „Staat, Kirche und Freimaurerei“.10 Diese Schrift war gegen kirchliche Angriffe gerichtet und vertrat die Auffassung, dass in der katholischen Kirche der Gegner der Freimaurerei zu suchen sei. Goldenberg war, wie man der Schrift entnehmen kann, ein kämpferischer Liberaler. Er wies auch auf den Fehler hin, der von der österreichischen Freimaurerei begangen wurde, die Öffentlichkeit nicht besser über die Bruderkette zu informieren. Er forderte ein offeneres Auftreten in der Öffentlichkeit.
Die wichtigsten freimaurerischen Historiker im 19. Jahrhundert waren zweifelsohne Gustav Brabbée und Ludwig Aigner-Abafi. Es ist bis heute nicht ganz geklärt, wie groß der Anteil Brabbées an Abafis Werk „Geschichte der Freimaurerei in Österreich-Ungarn“ war. Der Freimaurerhistoriker Hans Wagner vertrat die Meinung, dass Brabbée der eigentliche Verfasser gewesen sei.11 Beide Autoren, Brabbée und Aigner-Abafi, konnten die Quellen des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Freimaurerarchivs des Grafen Festetics in Dégh auswerten. Das Freimaurerarchiv enthielt ca. 10.000 Bögen. Da viele Quellen nicht mehr vorhanden sind, kann das Werk der beiden Autoren heute als wichtige Quelle bezeichnet werden. Das fünfbändige Werk über die österreichische Freimaurerei von den Anfängen bis 1885 war damals durch seinen Quellencharakter nicht nur die umfassendste Darstellung zu diesem Thema, sondern für die heutige Forschung auch zu einem Standard geworden. Zwei weitere Bände waren geplant, konnten aber nicht mehr realisiert werden.12
Die ungarische Historikerin Éva H. Balázs, die die freimaurerischen Archivbestände von Dégh betreute und darauf aufbauend eine große Veröffentlichung vorbereiten sollte, hatte für längere Zeit diesen Materialkorpus für sich sperren lassen, sodass er bis heute nicht zugänglich ist. Das geplante Projekt von Balázs wurde nicht zu Ende geführt. Die Wiener Forschungsloge Quatour Coronati hat das leider im Werk fehlende Register erfreulicherweise zusammengestellt. Aigner-Abafi hat das Quellenmaterial, das ihm zugänglich war, in sein Werk eingearbeitet, sodass ein nützliches Kompendium entstanden ist, das für die Freimaurerforschung unentbehrlich erscheint. Das Werk entspricht allerdings nicht modernen wissenschaftlichen Ansätzen und Methoden, sondern stellt eine ausschließliche Ereignisgeschichte dar. Die Entwicklungen von Großlogen und Logen stehen im Zentrum der Darstellung, die Charakterisierung bestimmter Zeitperioden streift es nur in Überblicken. Die wichtigen und ausführlichen Mitgliederlisten wurden von den beiden Autoren leider nicht strukturgeschichtlich ausgewertet bzw. politisch, sozial und ökonomisch zugeordnet. Hans Wagner hat diese Kritik gut zusammengefasst: „Leider hat Aigner – oder Brabbée – versucht, die Lücken dieses Archivs mit Spekulationen auszufüllen, die vor allem der älteren, unkritischen Literatur entnommen wurden“.13 Aigner-Abafi hat sich aber um eine weitgehend objektive Darstellung bemüht und auch die Probleme und Schattenseiten der Freimaurerei behandelt und kritisiert. Den Einfluss der Freimaurerei auf die Gesamtgeschichte überschätzt er nicht und blieb hier vorsichtig. Heute ist dieses Werk noch immer als Mate-rialsammlung bedeutend, in der Darstellung aber in Teilen überholt. Es enthält auch viele Irrtümer, Spekulationen und gilt methodisch als weitgehend überholt, trotzdem bedeutete dieses Werk vor dem Zeithintergrund einen Meilenstein der österreichisch-ungarischen Geschichtsforschung. Ludwig Aigner-Abafi beteiligte sich auch mit Beiträgen am „Allgemeinen Freimaurer Lexikon“, das 1900 bereits in dritter Auflage erschienen ist.14
3. Antimasonische Schriften
Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ist dann eine Reihe von antimasonischen Schriften erschienen, die eigentlich Pamphlete waren. Zu erwähnen ist hier Eduard Emil Eckert, der gegen die österreichische Freimaurerei, die damals noch verboten war, polemisierte. Eckert war Rechtsanwalt und verfasste ein antimasonisches Buch, in dem er der Freimaurerei unterstellte, dass diese eine Revolution gegen Kirche und Monarchie plane und Eigentum, Stände und Innungen in Frage stelle. In der Freimaurerei sah er „das Böse“ in der Gesellschaft. Seine antimasonische Agitation begann vor allem nach der Revolution von 1848/49.15 Später folgten dann „Enthüllungen aus der geheimen Werkstätte der Freimaurer“, die durch den Abdruck von Mitgliederlisten für die Forschung wichtig geworden sind.16 In diesen Enthüllungen wurde auf das enge Verhältnis zwischen Freimaurerei und Revolution hingewiesen. Die Freimaurerei hätte liberale Anschauungen vertreten, ja sie wäre die Seele und Mutter des Liberalismus und das Judentum der Vater gewesen. Ähnlich ausgerichtet wie die „Enthüllungen“ war dann auch der Tagungsband „Die Freimaurerei Österreich-Ungarns“, der 1897 erschienen ist.