Verbot, Verfolgung und Neubeginn. Helmut ReinalterЧитать онлайн книгу.
und konservative Persönlichkeiten. Auch darin wurde die Freimaurerei als Gegner von Kirche und Staat dargestellt. Darüber hinaus spielten auch christlichsoziale Polemiken gegen die Freimaurerei und der damit verbundene Antisemitismus eine wichtige Rolle. Hier tat sich vor allem der christlichsoziale Lokalpolitiker Franz Stauracz in Broschüren hervor: „Gottesglaube und Atheismus, diese beiden Mächte ringen um den Sieg in der Welt. Der Gottesglaube, die absolute religiöse Wahrheit, repräsentiert in der katholischen Kirche; der Atheismus in der Loge der Afterkirche.“18 Bei ihm werden Freimaurerei und Sozialismus gleichgesetzt.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden weitere antimasonische Schriften veröffentlicht. Zu nennen wäre hier vor allem Friedrich Wichtl, der in seinem weit verbreiteten Buch „Weltfreimaurerei, Weltrevolution, Weltrepublik“ die Maurerei als eine internationale Organisation bezeichnete, die sich zum Ziel setzt, den Sturz der alten Ordnung vorzunehmen und eine Weltrepublik zu errichten. Wichtl wurde in Wien geboren, studierte Jura an der Wiener Universität und vertrat als Deutschradikaler seit 1911 den Südböhmischen Wahlkreis Krumau im Reichsrat und dann von 1918–1919 in der Provisorischen Nationalversammlung. Sein Buch war eine Einführung in die Geschichte, Gradsysteme und Brauchtümer der Freimaurerei, wurde dann im zweiten Teil polemischer und nahm an Schärfe gegen die Freimaurerei zu. Er beschreibt den Weg von der Weltrevolution zur freimaurerischen Weltpolitik. Der junge Student Heinrich Himmler lobte dieses Buch, „das über alles aufklärt und uns sagt, gegen wen wir zu kämpfen haben“.19 Das Buch erschien in 10 Auflagen. 1927 erschien von Friedrich Hergeth (pseud. für Paul Heigl) ein Buch, das stärker rechtsradikal orientiert war.20 Hergeth bietet einen Überblick über soziale Zusammensetzungen der Logen in den 20er Jahren und über die Aktivitäten verschiedener Brüder. Es wird auch die Beteiligung von Freimaurern an politischen und kulturellen Vereinen dargestellt, auch im Pressewesen und in der Bankenwelt. Das Buch verstand sich als eine Art Enthüllungsschrift.21
Durch die Öffnung der Archive nach dem Ende der Monarchie konnte man bei den nun erscheinenden Arbeiten auch neues Quellenmaterial berücksichtigen. Einige neue Aktenfunde wurden von dem sozialdemokratischen Historiker Ludwig Brügel veröffentlicht.22 Über die Beziehungen zwischen Mozart, seinem Werk und der Freimaurerei sind zwei Veröffentlichungen aus der Feder von Otto Erich Deutsch und Eugen Komorzynski erschienen.23 Rudolf Cefarin schrieb eine umfangreichere Geschichte der Freimaurerei in Kärnten.24 Hier wurden vom Verfasser erstmals auch Quellen aus verschiedenen Archiven herangezogen. Sein Buch ist sehr stark biographisch aufgebaut, weil es zahlreiche Kurzbiographien von Freimaurern enthält. Großes Echo fand auch das vom Schriftsteller und Journalisten Eugen Lennhoff und dem Karlsbader Historiker Oskar Posner herausgegebene Internationale Freimaurerlexikon25, das mehrmals nachgedruckt wurde und sich als wichtiges freimaurerisches Nachschlagewerk herausgestellt hat. Es weist zahlreiche Fehler auf, ist aber ziemlich umfassend und ähnelt dem schon erwähnten „Allgemeinen Handbuch der Freimaurerei“, das bereits im 19. Jahrhundert erschienen ist. Aus der Feder von Eugen Lennhoff kam dann 1929 das Buch „Die Freimaurer“ heraus.26 Diese Darstellung war sehr populär, bot einen Gesamtüberblick über die Geschichte der Bruderkette, ohne aber neue Quellen einzuarbeiten. Sein Buch ist nicht als eine missionarische Schrift zu verstehen, sondern als verständliche Darstellung der Geschichte und des Wesens der Freimaurerei. Die Darstellung ist nicht eingeschränkt auf Österreich, sondern fasst die Weltbruderkette und die Internationalität ins Auge, weil die Freimaurerei diesbezüglich in einem engen Zusammenhang stand.27 Um 1930 erschienen dann weitere freimaurerische Publikationen, darunter auch MS-Dissertationen über die Freimaurerei im 18. Jahrhundert.28 Durch die politischen Ereignisse von 1933/34 und dann 1938 wurde dieser hier angedeutete Aufbruch beendet.
4. Der Neubeginn der Forschung
Nach dem Zweiten Weltkrieg war ein Neubeginn in der freimaurerischen Forschung in Österreich recht schwierig, wobei auch eine Anknüpfung an die Veröffentlichungen vor dem Zweiten Weltkrieg kaum erfolgte. Die Voraussetzungen für die Forschung waren also sehr ungünstig. Trotzdem fanden sich einige Freimaurerforscher, wie Edwin Zellweker29 und besonders Gustav Kuéss, die zu publizieren begannen. Um Kuéss bildete sich ein kleiner Kreis von Freimaurerhistorikern, der sich bemühte, die bisherigen freimaurerischen Arbeiten neu zusammenzustellen und auch freimaurerische Zeitungen zu analysieren. Dieses gesammelte Material befindet sich im „Kuéss-Nachlass“ im Archiv der Großloge von Österreich. Kuéss war ein anerkannter freimaurerischer Historiker, obwohl er Geschichte nicht studiert hatte. Er war historisch sehr interessiert und schrieb auch für die Zeitschrift der Loge „Lessing“, die er herausgab, sechs Beiträge und hielt 20 Baustücke in verschiedenen Logen.30 Darüber hinaus hat er auch viele Artikel aus der Zeitschrift der englischen Forschungsloge Ars Quatuor Coronatorum übersetzt und viele davon auch weiterbearbeitet. Gemeinsam mit dem Großmeister Bernhard Scheichelbauer schrieb er das Buch „200 Jahre Freimaurerei in Österreich“ und gab auch die Festschrift 60 Jahre Loge „Lessing“ heraus.31 Wichtig für die freimaurerische Historiographie waren vor allem seine beiden Bücher über die deutschen Historiker der Freimaurerei32 und über die Vorgeschichte der Bruderkette.33 Im Archiv der Großloge von Wien liegen 18 Kartons, die von Kuéss gesammelten Kopien aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv stammen. Kuéss war Verwaltungs-Oberkommissar, Magistratsbeamter der Stadt Wien und Mitbegründer des vom Freidenkerbund Österreichs abgespaltenen Kulturvereins „Freigeist- Verein für freie Weltanschauung“. Er wurde am 28. März 1936 in die Loge „Freiheit“ aufgenommen und affiliierte 1945 in die Sammelloge „Humanitas renata“. Ab 1948 war er Leiter der österreichischen Landesgruppe der Universellen Freimaurerliga und ab März 1949 Gründer und Leiter der freimaurerischen Arbeitsgemeinschaft Quatuor Coronati.34 Im Jahre 1950 wählte ihn die Bundeshauptversammlung der Großloge zum Großbibliothekar und zum Leiter des Archivs. Dieses Amt behielt er bis zu seinem Tod 1965. 1960 wurde er aufgrund seiner Verdienste zum Ehrenmitglied der Großloge von Österreich ernannt. 1961 schrieb er als Baustück eine Geschichte der Wiener Großlogen-Bibliothek und deren museale Sammlungen.35 Dazu stellte Kuéss fest: „Konnte die Bücherei der Großloge nach 1945 auf dem geretteten Grundstock weiter ausgebaut werden, waren von den musealen Sammlungen, soweit überhaupt solche vorhanden waren, nur wenige Schaustücke. … Vor 1938 hatte sich niemand gefunden, der die damals sicherlich noch reichlicher vorhandenen freimaurerischen Reliquien gesammelt und sie als wertvolle historische Zeugnisse aufbewahrt und konserviert hätte. Diesem Versäumnis abzuhelfen galt eine der Hauptsorgen des Groß-Bibliothekars und er versuchte … auch in Wien freimaurerische Sammlungen anzulegen und auszubauen.“36
Ab 1950 ist dann eine weitere Reihe guter maschingeschriebener Wiener Dissertationen erschienen, wie jene von Herwig Obrecht, Lucia Franc, Paul Hofer, Ursula Tschurtschenthaler, Gudrun Junascheck