Captain Future 08: Im Zeitstrom verschollen. Edmond HamiltonЧитать онлайн книгу.
1. Kapitel: Der rätselhafte Asteroid
Der Asteroid kreiste dunkel und einsam auf seiner vorgezeichneten Bahn durch den Weltraum, eine winzige, in sich versunkene Welt aus Rätselhaftigkeit und Stille. Er gehörte zu jenen zahllosen Asteroiden, Meteoritenschwärmen und Ansammlungen interplanetaren Abfalls, die ein großes Band zwischen der Umlaufbahn des Mars und des Jupiter bildeten. Es war eine stickige, kleine Welt mit einem dünnen Luftschleier, die von einem dichten Dschungel aus niedrigen, farnwedelartigen Bäumen und Sträuchern bedeckt wurde.
Mehrbeinige Asteroidenratten flitzten im Dschungel hin und her und Vögel durchpflügten wie Flammen die Luft, wobei sie phosphoreszierende Bahnen zwischen den Farnwedel-Bäumen zogen. Gelegentlich strich eine sanfte Brise durch sie hindurch und erzeugte ein ledrig klingendes, reibendes Geräusch. Darauf folgte dann wieder die lange, dumpfe Stille einer unbewohnten Welt …
Aber in dieser Nacht erklang etwas ungewohnt Fremdartiges am meteoritenerhellten Himmel: das hohe, leiernde Sirren eines Raketenantriebs.
Das Sirren wurde lauter, und vom Himmel senkte sich ein ramponiertes Kalber-Raumschiff, dessen Heckdüsen Flammenzungen ausstießen, während es auf einer steinigen Lichtung im Dschungel landete. Eine zweite rostige Kalber folgte ihm. Die Türen der beiden Raumschiffe öffneten sich und Männer stiegen aus, ihre Stimmen hallten dünn durch die Nacht der Miniaturwelt. Die Raub- und Kriechtiere des Dschungels huschten davon und die Flammenvögel flatterten erschrocken auf. Es handelte sich um elf einfach gekleidete Männer mit harten Gesichtern. Unter ihnen waren rothäutige Marsianer, ein großer, sehniger Saturnier mit blauer Haut, ein spitzköpfiger Neptunier, ein braun gebrannter, eifriger junger Erdling und zwei kompakt gebaute, grünhäutige Jovianer. Sie alle waren auf Meteoriten spezialisierte Erzschürfer, die unzählige Asteroiden und Meteoritenschwärme nach wertvollen Metallen abgesucht hatten. Ihre Fröhlichkeit bezeugte, dass ihre Expedition bisher von Erfolg gekrönt gewesen war.
»Das hier ist er – der Asteroid 221«, stellte der stämmige Jovianer fest, der den Trupp anführte. »Soweit ich weiß, ist er noch nie nach Metallen abgesucht worden. Es könnte sein, dass wir hier große Titanium- oder Tellurium-Adern finden.«
»Wir haben inzwischen genug Geld für ein einjähriges Saufgelage auf dem Planeten unserer Wahl angehäuft«, kicherte der hochgewachsene leichenblasse Saturnier. »So viel Glück hatten wir noch nie.«
»Entzündet ein kleines Atomfeuer und haltet es am Laufen«, befahl der jovianische Captain. »Wir schlafen heute Nacht unter freiem Himmel. Ich habe genug von der stickigen Bordluft.«
Die Männer holten den flachen, scheibenartigen Apparat heraus und setzten ihn auf den Felsen in der Nähe des Schiffs in Gang. Er produzierte eine stetige Flammenzunge atomaren Feuers, die die zunehmende Kälte der Nacht zurückdrängte.
Das warme Licht erhellte flackernd die grotesken Farnwedel-Bäume, die die Lichtung umgaben, schimmerte auf den ramponierten Rümpfen der beiden Kalber-Schiffe und trieb die verstört schimpfenden Flammenvögel tiefer in den Dschungel. Während das Feuer brannte, flackerte es heiter auf den Gesichtern der zusammengewürfelten Gruppe von Abenteurern, die mit starkem venusianischen Wein jovianische Brotfladen und kleine Stücke zerschnittenen saturnischen Fleischs herunterspülten.
»Nicht schlecht für deinen ersten Ausflug ins All, stimmt’s, Mel«, wandte sich der Neptunier an den braun gebrannten, aufgeregten Erdling neben sich. »Dein Anteil an den Edelmetallen im Schiff sind ein kleines Vermögen wert.«
Brad Melton nickte.
»Mir geht’s nicht so sehr um das Geld, als vielmehr um das Abenteuer. Mein ganzes Leben lang wollte ich Raumfahrer werden. Ich hatte Angst, niemals von der Erde herunterzukommen, niemals einen anderen Planeten zu betreten.«
Sobald er sein Mahl verputzt hatte, sah sich Melton ein wenig auf der Lichtung um. Neugierig starrte er in den dunklen, schweigenden Dschungel, betrachtete die Flammenvögel und den unglaublichen, von funkelnden Meteoriten übersäten Himmel. Dann fiel ihm etwas an dem schwarzen Felsen auf, auf dem er stand, und er kniete sich hin, um ihn genauer zu untersuchen.
»Seht euch diesen Felsen hier an!«, rief er. »Jemand hat etwas in ihn hineingeritzt. Das hier muss die Ruine einer Mauer oder eines Gebäudes sein, vielleicht einer ganzen Stadt!«
»Sicher, Kleiner, Ruinen und seltsame Metalladern finden sich auf vielen dieser kleinen Asteroiden«, erwiderte der Jovianer beiläufig und wandte sich an den alten Marsianer, den Planetologen und Edelmetallprüfer ihres Trüppchens. »Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass dieser Asteroid einst bewohnt war, stimmt’s?«
»Ja, schon«, antwortete der Marsianer, »aber das muss sehr lange her sein. Es sind nie nennenswerte Artefakte gefunden worden.«
Brad Melton stocherte weiter neugierig in dem zerbröckelten Gestein am Rand der Lichtung herum.
Kurze Zeit später rief er aufgeregt zu ihnen herüber.
»He, ich habe etwas Merkwürdiges entdeckt. Es hat sich angefühlt, als wäre ich in eine Art unsichtbaren Lichtstrahl getreten. Und in den Moment war mir so, als würde eine Stimme zu mir sprechen.«
Aber der Jovianer lachte nur verächtlich.
»Ach Melton, du bildest dir ständig komische Sachen ein, seit wir in diesen kleinen Welten unterwegs sind. Ein paar von ihnen sind schon ziemlich eigenartig – denk nur an den Planeten, den sie Circe nennen. Ich werde nie vergessen, wie wir einen Abstecher dorthin gemacht haben und die Crew eines Frachters fanden, der dort abgestürzt war. Es war nichts Zivilisiertes mehr an ihnen. Die chemischen Stoffe in der Luft dieses verfluchten kleinen Planeten hatten die Besatzung in Bestien verwandelt, schlimmer als alles, was ich je zuvor gesehen habe …«
Dann fuhr er fort, mit seiner tiefen Stimme die ganze Geschichte zu erzählen, während das zusammengewürfelte Grüppchen, das sich um das lodernde Atomfeuer versammelt hatte, gespannt lauschte. Der junge Erdling jedoch war zu beschäftigt, um zuzuhören. Stattdessen wanderte er suchend hin und her, um eine bestimmte Stelle wiederzufinden. Plötzlich blieb er stehen. Die anderen hatten nicht bemerkt, wie seltsam sich Brad Melton in den dunklen Ecken verhielt. Hätten sie ihm mehr Aufmerksamkeit geschenkt, hätten sie den eigenartigen, aufmerksamen Ausdruck in seinem Gesicht gesehen. Lange Zeit stand er nur reglos da und lauschte angestrengt.
»Also ließen wir die armen Teufel auf Circe zurück und meldeten sie als tot, als wir zum Mars zurückkehrten«, beendete der jovianische Captain seine Geschichte. »Tot wären sie wahrscheinlich besser dran gewesen. Als Leben konnte man das wahrlich nicht bezeichnen.«
Eine kurze Stille trat ein und der grauhäutige Neptunier schüttelte sich.
»Eine schöne Gutenachtgeschichte«, brummte er. »Diese kleinen Welten jagen mir einen Schauer über den Rücken.«
Sie hoben die Blicke, als Melton wieder zu ihnen ans Feuer trat. Das gebräunte Gesicht des jungen Manns war aschfahl und er wirkte sehr aufgeregt. Er setzte sich und starrte in die Flamme des Atomfeuers, seine langen Finger schlossen und öffneten sich unentwegt, seine blauen Augen waren weit aufgerissen und er hatte einen seltsamen Ausdruck in den Augen. Er schien mit sich selbst im inneren Widerstreit zu liegen wegen etwas, was ihn fürchterlich aufwühlte.
Der Rest der Crew wandte den Blick ab und unterhielt sich weiter, sie berichteten einander von ähnlichen Erlebnissen, die sich auf verschiedenen weit entfernten Welten und Monden abgespielt hatten. Von Abenteuern auf dem küstenlosen Neptunmeer, Exkursionen in die lichtlosen Höhlen des Uranus, Minenarbeiten auf der Sonnenseite des Merkur und gefahrvollen Expeditionen zwischen den scharf gezackten Planetoiden der Saturnringe.
Abrupt wandte sich Brad Melton an den alten marsianischen Wissenschaftler.
»Nilga, Sie kennen sich in den Wissenschaften aus – ich habe eine Frage. Ist es je einer lebenden Person gelungen, herauszufinden, wie man zwischen verschiedenen Zeitebenen hin und her wechselt?«
Der Marsianer drehte sich um und starrte ihn überrascht an.