Der Kaperschiffer vor hundert Jahren. Фредерик МарриетЧитать онлайн книгу.
begrabend. Mehreremale rafften wir uns auf, um unsere Anstrengung zu erneuern, aber ohne Erfolg, denn wir konnten nirgends festen Fuss fassen. Endlich wurden wir, als die Welle uns wieder in die Höhe brachte, von den Negern, welche unsern Unfall mitangesehen hatten, und in grosser Anzahl an’s Ufer heruntergekommen waren, gepackt und aus dem Bereich der Wogen geschafft. Wir waren so sehr erschöpft, dass wir auf dem Sand liegen blieben, erwartungsvoll dem weiteren Beginnen der Neger entgegensehend, die uns übrigens nicht lange im Unklaren liessen, denn sie säumten nicht, uns alle unsere Kleidungsstücke abzunehmen. Einer unserer Leute versuchte zwar Widerstand, musste es aber theuer büssen, da ihm ein Neger einen Speer durch den Schenkel stiess.
Sobald die Wilden nach einiger Berathung unsere Kleidungsstücke unter sich vertheilt hatten, banden sie uns die Hände, gaben uns eine starke, mit Speeren, Bogen und Pfeilen bewaffnete Wache bei, und traten den Weg in’s Innere des Landes an. Schweren Herzens zogen wir mit, einen sehnsüchtigen Blick auf den Ocean zurückwerfend, den wir zum letzten Male gesehen zu haben glaubten, und drückende Besorgnisse quälten uns in Betreff des Geschicks, das wir zu erwarten hatten. Es war gegen Mittag, der Sand tief und die Hitze masslos; da wir nun allen Kleiderschutzes entbehrten, so überzog sich unsere Haut bald mit Blasen, und unsere Erschöpfung wurde noch durch die bittere Angst erhöht. Die Neger zwangen uns übrigens vorwärts, stachelten uns, wenn unsere Schritte erlahmten, mit ihren Speeren, und drohten uns niederzustossen, wenn wir Halt machten. Wir sehnten uns nach der Nacht, da diese unseren Leiden wenigstens eine vorübergehende Linderung bringen musste. Endlich kam sie. Die Neger sammelten Holz und zündeten Feuer an, um die wilden Thiere abzuhalten; dann legten sie sich im Kreise darum her, und wir mussten die Mitte einnehmen. Nach der Erschöpfung des Tages hofften wir auf einige Ruhe, aber vergeblich — die Nacht war sogar noch schlimmer als der Tag. Die Musquito’s fielen nämlich in Schwärmen auf uns nieder, und versetzten uns so unerträgliche Bisse, dass wir fast von Sinnen kamen. Da unsere Hände gebunden waren, konnten wir sie nicht abwehren, und unser einziges Hülfsmittel bestand darin, dass wir uns hin- und herwälzten, um sie los zu werden. Hiedurch wurde die Sache noch schlimmer, denn die Blasen, welche uns die glühende Sonne gezogen, platzten durch unser Hin- und Herrollen, und der Sand, der in die wunden Stellen gerieth, steigerte neben den Musquitostichen unser Leiden in furchtbarer Weise. Hatten wir früher um die Nacht gebetet, so beteten wir jetzt um den Tag — einige von uns sogar um den Tod.
Mit Sonnenaufgang mussten wir wieder weiter, und unsere Führer, die unsern kläglichen Zustand nicht berücksichtigten, spornten uns, wie Tags zuvor, mit ihren Speeren. Vormittags langten wir in einem Dorfe an, wo unsere Wache Erfrischungen einnahm; jeder von uns erhielt eine Hand voll gesottenen Maises, und dann setzten wir unsern Marsch durch mehrere kleine Städte fort, die, gleich allen in diesem Lande, nur auf runden Binsenhütten mit zugespitztem Dach bestanden. Der Tag verlief wie der vorhergehende. Strauchelten oder hinkten wir, so wurden wir mit den Speeren gespornt, und hatte einer nicht Kraft genug, weiter zu gehen, so drohte man ihm mit dem Tode. Endlich kam der Abend heran und die Feuer wurden wieder angezündet — jetzt viel grösser als das letzte Mal, wahrscheinlich weil die reissenden Thiere zahlreicher waren; denn wir hörten sie in jeder Richtung um uns her heulen, was in der vorhergehenden Nacht nicht der Fall gewesen. Die Musquito’s quälten uns nicht mehr so sehr, und wir konnten uns mitunter einer kurzen Ruhe erfreuen. Mit Tagesanbruch mussten wir unsre Reise wieder aufnehmen, nunmehr aber, soweit wir nach der Sonne urtheilen konnten, in einer mehr östlichen Richtung.
Während der ersten zwei Tage fanden wir bei den Einwohnern der Städte eine sehr schlimme Aufnahme, weil so viele ihrer Angehörigen zum Zwecke des Sklavenhandels geraubt worden waren; sie hassten den Anblick unserer weissen Gesichter, da sie voraussetzten, wir seien in ähnlicher Absicht gekommen. Je weiter wir aber in’s Innere kamen, desto besser wurde unsere Behandlung; die Eingeborenen betrachteten uns mit Staunen und Ueberraschung, da sie in uns eine neue Art von Wesen zu sehen glaubten. Einige der Weiber liessen uns, als sie bemerkten, wie gänzlich wir von Hunger und Anstrengung erschöpft waren, ihr Mitleid zu Theil werden, und brachten uns viel gekochten Mais und zum Trunke Gaismilch. Hiedurch wurden wir sehr gestärkt, und wir setzten in banger Erwartung des Geschicks, das uns vorbehalten war, unsre Reise fort.
Nachdem wir über einen kleinen Fluss gekommen waren, der die Grenze zweier verschiedenen Staaten zu sein schien, näherte sich uns eine grosse Menge Neger, die geneigt zu sein schienen, uns unsern dermaligen Herren abzunehmen. Nach kurzer Besprechung verständigten sie sich jedoch, und ein Haufen der neuen Ankömmlinge schloss sich unsern Führern an. Bald darauf gelangten wir an den Rand der Wüste, und mussten daselbst Halt machen, bis die Neger mehrere Kalabaschen und Schläuche mit Wasser gefüllt, desgleichen einen ordentlichen Vorrath von gekochtem Mais gesammelt hatten. Dann ging es wieder weiter in die Wüste. Wir waren nicht wenig erstaunt und erschrocken, als wir um uns her keine Spur von Vegetation, nicht einmal einen Grashalm, erblickten. So weit das Auge reichte, sahen wir nichts, als eine weite unfruchtbare Ebene leichten Sandes, der beim mindesten Winde in Wolken aufstieg; auch sanken wir beim Gehen so tief ein, dass wir zuletzt kaum einen Fuss dem andern nachschleppen konnten. Indess fand unsere Anstrengung doch einigen Lohn, denn als wir Nachts Halt machten, wurden keine Feuer angezündet, und wir entdeckten zu unserer grossen Freude, dass es keine Musquito’s mehr gab, die uns belästigen konnten. Wir versanken in einen gesunden Schlaf, der bis zum Morgen anhielt und uns sehr erfrischte, so zwar, dass wir im Stande waren, unsere Wanderung recht rührig wieder aufzunehmen.
Während unsers Marsches durch die Wüste sahen wir viele Elephantenzähne, aber keine Elephanten. Ich kann nicht sagen, wie diese Zähne hieher kamen, wenn sie nicht etwa von den Thieren verloren wurden, während dieselben durch die Wüste zogen. Noch ehe wir das Sandmeer hinter uns gewannen, ging unser Wasser zu Ende und wir litten furchtbaren Durst, da wir den ganzen Tag unter einer scheitelrechten Sonne gehen mussten. Die Nacht wurde uns, eben weil es an Wasser fehlte, nicht minder peinlich, und am folgenden Tage waren unsere Kräfte dermassen erschöpft, dass wir schon unter einander zu Rath gingen, ob wir nicht niederliegen und dadurch unsre Führer reizen wollten, unsrem Elend mit ihren Speeren ein Ende zu machen. Zu gutem Glück erreichten wir aber jetzt die Ufer eines Flusses, nach dem die Neger sich augenscheinlich längst voll Sehnsucht umgesehen hatten. Hier tranken wir reichlich und blieben den ganzen Tag an Ort und Stelle, um uns zu erholen, denn die Neger waren fast eben so erschöpft, wie wir. Am andern Morgen setzten wir über den Fluss und gelangten in einen tiefen Wald, in welchem wir um des hochgelegenen Grundes willen nicht so viel von den Musquito’s belästigt wurden, als auf den niedern, sumpfigen Landstrichen der Seeküste unten. Während unsers Marsches durch den Wald nährten wir uns nur von Thieren und Vögeln, welche die Neger mit ihren Pfeilen schossen.
Nachdem wir endlich den Wald zurückgelegt hatten, fanden wir wie früher eine Gegend, auf der in kurzen Entfernungen viele Dörfer aus Weidenhütten oder kleine Weiler standen. Um jedes Dorf her waren Streifen Landes mit Guinea-Korn angepflanzt, und wir trafen nicht selten auf verlassene Gruppen von Hütten. Zwischen der Seeküste und der Wüste, die wir zurückgelegt hatten, war uns aufgefallen, dass viele der Einwohner europäische Feuerwaffen trugen; aber jetzt bestand die einzige Wehr aus Speeren, Bogen und Pfeilen. Beim Weitervorrücken wurden wir vor jedem Dorfe von den Eingeborenen umringt, die uns mit staunender Ueberraschung musterten und uns augenscheinlich als eine neue Art von Geschöpfen betrachteten. Eines Morgens, als wir uns einer sehr grossen Negerstadt näherten, begannen unsere Neger sich in jubelndem Stolze aufzublähen, indem sie zugleich unter den sich herbeidrängenden Einwohnern uns vor sich hertrieben, Triumphlieder sangen und ihre Waffen schwenkten. Nachdem wir in dieser Weise durch einen grossen Theil der Stadt gekommen, gelangten wir nach einer Anzahl von Hütten, die durch einen hohen Pallisadenzaun von den übrigen getrennt waren und, wie sich später herausstellte, dem Könige des Landes gehörten, welcher hier mit seinen Weibern und Dienstleuten wohnte. Wir warteten eine Weile aussen, während unsere Wachen hineingingen und Seiner Majestät das Geschenk meldeten, welches sie Hochdenselben gebracht hatten.
Wir glaubten Grund zur Annahme zu haben, dass unsre Führer keine Unterthanen dieses Königs waren, sondern im Zwiespalt mit ihm gelebt und uns als Sühne gebracht hatten, um damit ihren Frieden mit einem Feinde zu machen, der für sie zu stark war. Wir erhielten endlich Befehl, in die Verzäunung zu treten, und gelangten in ein grosses offenes Gebäude, das wie die andern aus Binsen und Zweigen zusammengefügt war. In der Mitte hockte ein wild aussehender alter Neger, von vier jungen