Schwarzes Echo. Michael ConnellyЧитать онлайн книгу.
Square vorbei zu der Pfandleihe im Bradbury Building. An den meisten Wochenenden war es in Downtown L.A. so ruhig wie in Forest Lawn, und er ging nicht davon aus, dass der Laden geöffnet hatte. Er war neugierig und wollte nur vorbeifahren und einen Blick auf das Geschäft werfen, bevor er sich zum ComCenter aufmachte. Als er jedoch an der Ladenfront vorüberfuhr, sah er, wie ein Mann mit einer Sprühdose das Wort »Geöffnet« in Schwarz auf eine Sperrholzplatte schrieb. Die Platte ersetzte die Schaufensterscheibe des Ladens. Bosch sah die Scherben auf dem dreckigen Gehweg unterhalb der Sperrholzplatte. Er hielt am Straßenrand. Der Sprayer war schon drinnen, als Bosch an die Tür kam. Er passierte eine Fotozelle, die irgendwo über all den Musikinstrumenten an der Decke eine Glocke erklingen ließ.
»Ich hab nicht geöffnet, nicht sonntags«, rief ein Mann von hinten. Er stand hinter seiner verchromten Registrierkasse, die auf einem Glastresen thronte.
»Auf dem Schild, das Sie gerade geschrieben haben, steht was anderes.«
»Ja, aber das gilt für morgen. Wenn die Leute Bretter vor den Fenstern sehen, denken sie, man hat das Geschäft aufgegeben. Ich hab das Geschäft nicht aufgegeben. Ich hab geöffnet, außer an Wochenenden. Ich hab nur für ein paar Tage ein Brett da draußen. Ich habe ›Geöffnet‹ geschrieben, damit die Leute Bescheid wissen, verstehen Sie? Ab morgen.«
»Gehört der Laden Ihnen?«, sagte Bosch, während er sein Ausweisetui hervorzog und seine Marke aufklappte. »Es wird nur ein paar Minuten dauern.«
»Oh, Polizei. Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Ich warte schon den ganzen Tag auf die Polizei.«
Bosch drehte sich um, verblüfft, dann sah er den Zusammenhang.
»Sie meinen die Scheibe? Deswegen bin ich nicht hier.«
»Was soll das heißen? Die Streifenbeamten haben gesagt, ich soll auf die Detectives warten. Ich habe gewartet. Seit fünf Uhr früh bin ich hier.«
Bosch sah sich im Laden um. Das übliche Angebot von Blechblasinstrumenten, elektronischem Schrott, Schmuck und Sammlerstücken. »Hören Sie, Mr. …«
»Obinna. Oscar Obinna Pfandleihen in Los Angeles und Culver City.«
»Mr. Obinna, wegen Vandalismus tanzen an Wochenenden keine Detectives mehr an. Ich meine, vielleicht tun sie es nicht mal mehr in der Woche.«
»Vandalismus? Ich wurde ausgeraubt. Ein echter Raub.«
»Sie meinen, ein Einbruch? Was wurde gestohlen?«
Obinna deutete auf zwei Vitrinen zu beiden Seiten der Kasse. Die oberen Scheiben der Vitrinen waren in tausend Stücke zersprungen. Bosch trat näher heran und sah zwischen den Scherben kleine Schmuckstücke, billig wirkende Ringe und Ohrringe. Außerdem sah er samtbezogene Sockel, verspiegelte Platten und hölzerne Ringstifte, auf denen sich kein Schmuck mehr befand. Er sah sich um und konnte im ganzen Laden keinen weiteren Schaden entdecken.
»Mr. Obinna, ich könnte den wachhabenden Detective anrufen und fragen, ob heute noch jemand zu Ihnen kommt, und wenn ja, wann sie hier sein können. Aber deswegen bin ich nicht gekommen.«
Dann zog Bosch die Klarsichthülle mit dem Pfandschein hervor. Er hielt ihn Obinna hin.
»Kann ich bitte dieses Armband sehen?« Im selben Augenblick, als er es sagte, kam ihm die böse Ahnung. Der Pfandleiher, ein kleiner, rundlicher Mann mit olivfarbener Haut und dunklem Haar, das er sich um den kahlen Schädel drapiert hatte, blickte skeptisch zu Bosch auf, und die buschigen, dunklen Augenbrauen schoben sich zusammen.
»Sie wollen meinen Fall nicht aufnehmen?«
»Nein, Sir. Ich untersuche einen Mordfall. Könnten Sie mir bitte das Armband zeigen, das auf diesem Pfandschein steht? Dann rufe ich im zuständigen Büro an und versuche rauszufinden, ob heute noch jemand wegen Ihres Einbruchs kommt. Vielen Dank für Ihre Kooperation.«
»Aaaah! Das ist typisch! Ich kooperiere. Ich schicke jede Woche meine Listen, mache sogar Fotos für Ihre Hehlerei-Abteilung. Dann bitte ich mal um einen Detective, der einen Raub untersuchen soll, und ich kriege einen Mann, der sagt, sein Job ist Mord. Ich warte seit fünf Uhr heute Morgen.«
»Geben Sie mir Ihr Telefon. Ich besorge Ihnen jemanden.«
Obinna nahm den Hörer vom Wandtelefon und reichte ihn herüber. Bosch gab ihm die Nummer, die er wählen sollte. Während Bosch mit der wachhabenden Beamtin im Parker Center sprach, suchte der Ladeninhaber in einem dicken Buch nach der Eintragung. Die Beamtin, eine Frau, von der Bosch wusste, dass sie während ihrer gesamten Laufbahn noch nie im Außendienst gearbeitet hatte, fragte Bosch, wie es ihm ginge, dann erklärte sie ihm, sie habe den Einbruch in die Pfandleihe an das zuständige Revier weitergeleitet, obwohl sie wusste, dass dort heute keine Detectives sein würden. Das zuständige Revier war Central Division. Bosch ging um den Tresen herum und rief die dortige Dienststelle trotzdem an. Niemand nahm ab. Während das Telefon läutete, begann Bosch ein einseitiges Gespräch.
»Ja, hier ist Harry Bosch, Hollywood Detectives. Ich wollte mich nur nach dem Stand des Einbruchs drüben beim Happy Hocker am Broadway erkundigen … ist er? Wissen Sie, wann? … Mh-hm, mh-hm … Richtig, Obinna. O-B-I-N-N-A.«
Er sah hinüber, und Obinna nickte, dass er korrekt buchstabiert hatte.
»Ja, er wartet hier … gut … ich sage es ihm. Danke.«
Er hängte ein. Obinna sah ihn an, die buschigen Augenbrauen hochgezogen.
»Heute war viel zu tun, Mr. Obinna«, sagte Bosch. »Die Detectives sind im Einsatz, aber sie kommen her. Dürfte nicht mehr allzu lange dauern. Ich habe dem Wachhabenden Ihren Namen gegeben und gesagt, er soll die Männer so schnell wie möglich herschicken. Kann ich jetzt das Armband sehen?«
»Nein.«
Bosch fummelte eine Zigarette aus einer Packung, die er aus seiner Manteltasche gezogen hatte. Er wusste, was kam, bevor Obinna seinen Arm über einer der zertrümmerten Vitrinen ausstreckte.
»Ihr Armband ist weg«, sagte der Pfandleiher. »Ich habe es hier in meiner Liste rausgesucht. Ich sehe, dass ich es hier in der Vitrine hatte, weil es ein sehr schönes Stück war, sehr wertvoll. Jetzt ist es weg. Wir sind beide Opfer des Einbrechers, was?«
Obinna lächelte, offensichtlich froh, seinen Kummer mit jemandem teilen zu können. Bosch betrachtete das Glitzern der Scherben am Boden der Vitrine. Er nickte und sagte: »Ja.«
»Sie kommen einen Tag zu spät, Detective. Schade.«
»Haben Sie gesagt, nur diese beiden Vitrinen wären betroffen?«
»Ja. Eingeschlagen und ausgeräumt. Zackzack.«
»Um welche Uhrzeit?«
»Die Polizei hat mich um halb fünf heute Morgen angerufen. Da wurde der Alarm ausgelöst. Ich bin gleich hergekommen. Als die Scheibe eingeschlagen wurde, ist der Alarm losgegangen. Die Beamten haben niemanden gesehen. Sie haben gewartet, bis ich da war. Seitdem warte ich auf Detectives, die nicht kommen. Ich kann meine Vitrinen nicht sauber machen, bevor sie da waren und diese Sache untersucht haben.«
Bosch dachte an den zeitlichen Ablauf. Die Leiche war irgendwann vor dem anonymen Anruf um vier Uhr abgeladen worden. Der Einbruch in die Pfandleihe hatte etwa zur selben Zeit stattgefunden. Ein Armband des Toten war gestohlen worden. Es gibt keine Zufälle, sagte er zu sich selbst.
»Sie sagten irgendwas von Fotos. Listen und Fotos für das Dezernat Hehlerei?«
»Ja, LAPD, das stimmt. Ich gebe Listen von allem, was ich annehme, an die Detectives weiter. Das steht so im Gesetz. Ich kooperiere in jeder Hinsicht.«
Obinna nickte energisch und betrachtete traurig seine zerbrochene Vitrine.
»Was ist mit den Fotos?«, sagte Bosch.
»Ja, Fotos. Diese Detectives, sie sagen, ich soll Fotos von meinen besten Erwerbungen machen. So können sie gestohlene Ware besser erkennen. Das ist nicht vorgeschrieben, aber wie ich sage, ich arbeite mit. Ich kaufe eine Polaroidkamera. Ich hebe die Fotos auf, falls sie kommen und nachsehen wollen. Tun