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Flöten und Dolche. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Flöten und Dolche - Heinrich Mann


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sich nie­mals un­sern ein­sa­men Ver­fei­ne­run­gen, son­dern un­fehl­bar dem wohl­ge­lun­ge­nen Ty­pus. Den er­hal­ten sie, das ist ihre Be­stim­mung. Sie las­sen es, un­wis­send über ihre Funk­ti­on, ge­sche­hen, dass wir schö­nen Krank­haf­tig­kei­ten uns an ih­nen zu­grun­de rich­ten. Sie aber sind von der Mensch­heit das Un­ver­wüst­li­che. Und ich bete sie an, weil ich die Kraft an­be­te!

      Mit­ten aus mei­nen Schüch­tern­hei­ten her­aus ent­führ­te ich mich da­mals plötz­lich – mich, und die klei­ne Prin­zes­sin Nora. Was für eine Über­ra­schung! Ein Haus­leh­rer von un­be­deu­ten­der Ge­stalt, dem die Da­men nicht ein­mal ein Pa­ket zu tra­gen ga­ben! … Ich hat­te sie durch eine Tat der Verzweif­lung alle auf ein­mal er­nied­rigt. Eine ent­führ­te Prin­zes­sin Gal­li­po­li – wer war die, vor der ich noch die Li­der zu sen­ken brauch­te. Ach, ich be­hielt trotz­dem im­mer die Nei­gung, zu Bo­den zu se­hen. Jede Frech­heit bei Frau­en ist mir seit­her ge­lun­gen; aber zu je­der habe ich mich zwin­gen müs­sen.

      Man wirft mir Unz­art­hei­ten vor, et­was Schlim­me­res als Frech­hei­ten. Ein Klub­mann hat sich ge­wei­gert, sich mit mir zu schla­gen, und ein Ehren­rat hat ihm recht ge­ge­ben. Die To­ren, wie könn­ten sie ah­nen, dass mei­ne Unz­art­hei­ten aus mei­ner Furcht vor der ei­ge­nen Zart­heit stam­men. Ich lei­de an zu viel Ver­ste­hen, zu viel Be­den­ken, zu viel Voraus­sicht des Jam­mers der an­de­ren. Ich habe ganz das Zeug, als Be­sieg­ter zu en­den. Wel­che Selbst­ver­ge­wal­ti­gung hat es mich ge­kos­tet, die klei­ne Prin­zes­sin Nora sit­zen zu las­sen, ent­ehrt, de­klas­siert. Noch heu­te, wenn ich ihr in Rom in der ho­hen Halb­welt be­geg­ne – ich spü­re et­was wie Angst …

      Hab’ ich nicht oft­mals Angst we­gen Tina, der großen Tra­gö­din, die an mir lei­det?«

      Ma­rio Mal­vol­to warf sich in den Wa­gen zu­rück, er späh­te er­regt nach der Höhe des fer­nen Ber­ges, wo dem Mond­grau wei­ter Laub­wel­len mond­grau ein Schloss ent­stieg. Ein Licht, ein klei­nes, boh­ren­des, schwä­len­des Licht stak, ähn­lich ei­nem Ge­dan­ken, hin­ter ei­ner Baum­kro­ne und ver­wan­del­te sie in eine röt­li­che Wol­ke.

      »Wo in der Welt wacht sie jetzt? Wie lan­ge schon bin ich ohne Nach­richt. Es ist schlimm dies­mal, da sie sich ge­wei­gert hat, heu­te Abend die Schöp­fe­rin mei­ner Arach­ne zu sein. Habe ich ihr einen Schmerz zu­ge­fügt, den ich nicht von ihr emp­fan­gen hät­te? Wer ist so kun­dig im Lei­den und im Lei­den­ma­chen als wir bei­de. Wir wis­sen, dass wir nir­gends so ar­bei­ten, dass wir nie so große Künst­ler sind, wie bei­ein­an­der, durch­ein­an­der. Und trotz al­ler Ver­wün­schun­gen, al­ler Er­schlaf­fung und al­len Has­ses stür­zen wir im­mer wie­der auf­ein­an­der zu. Es gibt in der Welt kei­ne Ko­mö­die wie un­se­re Lie­be. Hin­ter al­len un­se­ren Lei­den­schaf­ten, wil­den Ge­stal­ten, die von un­serm Le­ben bren­nen, lau­ert die Kunst, ein zwei­fel­haft lä­cheln­der Ku­lis­sen­mensch, gie­rig nach Wir­kun­gen für eine neue Rol­le.

      Von Zeit zu Zeit er­tappt ei­ner den an­de­ren dar­auf, dass er nur Ko­mö­die spielt. Und plötz­lich bricht bei bei­den der Ekel aus, und wir pral­len aus­ein­an­der. Aber vier Mo­na­te spä­ter er­schei­nen wir wie­der bei der Pro­be. Das ist Be­rufs­an­ge­le­gen­heit. Von Lie­be hat das nichts – nichts von der Lie­be, für die man als Jüng­ling die ar­beit­sa­men Näch­te durch­wacht, um de­rent­wil­len man den Ruhm er­sehnt. Denn ich möch­te wis­sen, wozu der Ruhm dient, wenn er nicht Lie­be ein­trägt … Ach, er ist Phan­tom wie sie. Er ent­weicht im­mer wei­ter, je has­ti­ger man auf ihn zu­läuft. Als ich ganz un­be­kannt war, hat­te er Kör­per; ein Kö­nig, der den gol­de­nen Kranz schwang. Seit ich ihn Fet­zen um Fet­zen er­kauft habe und ge­nau weiß, wie er her­ge­stellt wird – was kann er mich noch füh­len las­sen. Der Ruhm ist ein von mir weit­hin aus­ge­streu­ter, glän­zen­der Irr­tum über mei­ne Per­son. Er gilt ei­nem, der nicht ich bin. Über mich darf die Wahr­heit kei­ner wis­sen.

      Man muss sa­gen: Die­ser Mal­vol­to be­han­delt Wei­ber und Le­ben mit ei­ner Ent­schlos­sen­heit – et­was an­rü­chig ist er. Er ist ein stäh­ler­ner Da­seins­kämp­fer, das ist auch die See­le sei­ner Kunst. Die Grö­ße und die Kraft der Ras­se ist auf­er­stan­den in ei­nem Dich­ter. Man sieht, auch in ei­ner schma­len Brust kön­nen sie sich er­he­ben. Die Re­naissance ist, zum An­griff be­reit, zu­rück­ge­kehrt … Das muss man sa­gen, und darf nichts ah­nen von mei­nen schwar­zen Ängs­ten, von der De­mü­ti­gung, die mir jede Frau, je­des große Kunst­werk, je­der ge­sun­de Mann zu­fügt; nichts da­von, dass ich für eine mei­ner Sei­ten, worin das Le­ben rauscht mit rei­chem Blut, hal­be Tage see­li­schen Jam­mers und hy­gie­ni­scher Übun­gen be­zah­le. Ich will nicht, dass man es ahne. Es steht wohl hin­ter je­der vollen­de­ten Schön­heit der Schmerz und hat noch den Mei­ßel in der Hand. Soll­te ich nicht stolz sein?

      Ich füh­le den me­lan­cho­li­schen Stolz auf ein Werk, das nicht die Kraft schuf, son­dern nur der Wil­le zu ihr; auf ein Le­ben ohne wah­re Stär­ke, das nur sehn­süch­ti­ger Drang in die Höhe reckt, wie eine Nio­be ihre Arme. Ich seh­ne mich am Schlus­se von al­len, die ich ge­habt habe, noch heu­te nach der Frau. Ich träu­me noch von ihr wie mit zwan­zig Jah­ren – nur hoff­nungs­lo­ser. Denn ich habe sie in­zwi­schen er­probt, und dass sie nie die Ge­fähr­tin des Ko­mö­di­an­ten ist. Sie ist mir zu ähn­lich, was hät­te sie mir zu bie­ten, oder ich ihr. Sie will sel­ber Ap­plaus. Sie will mit Lei­den­schaf­ten be­zahlt wer­den: – mir ist sie zu teu­er. Ich brau­che mei­ne Ge­füh­le, um sie den Leu­ten vor­zu­spie­len. Ich muss an mei­ner See­le spa­ren, da­mit an­de­re sich mit ihr be­rau­schen kön­nen. Je mehr ich Le­ben aus­tei­le, de­sto är­mer muss mein ei­ge­nes wer­den.

      Die sel­te­ne­re Frau aber und die wah­re – sie, die sich ein­fach hin­gibt, in un­be­dach­ter Lei­den­schaft; die an nichts zwei­felt, nichts ver­langt, kei­nen Bei­fall, kein Mar­ty­ri­um; die all ihr Le­ben zu­sam­men­rafft, um es ohne ein Zau­dern, ohne ein Be­sin­nen auf Welt, Ruf, Zu­kunft in mei­nes zu wer­fen, mich reich zu ma­chen, durch mich zu at­men und mit mir un­ter­zu­ge­hen: na­tür­lich gibt es sie für mich nicht. Trä­te sie auch leib­haf­tig in mei­ne Tür, das Wun­der wäre un­voll­stän­dig. Denn in mir, in mei­nen Ta­gen, hät­te sie nicht Raum: nicht sie selbst, die zu groß, zu stark wäre; nur die Sehn­sucht nach ihr!

      Hab’ ich sie heu­te Abend wie­der be­gehrt, auf der Büh­ne, durch das Loch im Vor­hang, hin­ter dem mein Platz ist! Hab’ ich sie alle be­gehrt!«

      Ma­rio Mal­vol­to leg­te den Kopf in den Na­cken, stöhn­te und schau­te tief in den blei­chen Fluss der Ster­ne.

      »Ich kann­te fast alle. Ein paar hat­te ich be­ses­sen, ei­ni­ge an­de­re könn­te ich ha­ben. Wozu. Soll ich sie zu mei­ner sen­ti­men­ta­len Er­zie­hung und zu mei­nem ge­sell­schaft­li­chen Fort­kom­men be­nut­zen, wie die klei­ne Prin­zes­sin Nora, oder zum Stu­di­um von zwan­zig ver­schie­de­nen Rol­len, wie Tina, die Tra­gö­din? Oder sol­len sie arme lee­re Glie­der­pup­pen sein wie Mimi, und ich be­hän­ge sie im Traum mit Lei­den­schaf­ten, die we­der sie er­le­ben wer­den noch ich? Sol­len sie zum Schluss da­hin­ter­kom­men, wer ich bin, und mich be­lei­digt und voll Ver­ach­tung weg­schi­cken? … Man wird müde, die Ster­ne dort oben mit den Au­gen zu pflücken, einen nach dem an­de­ren, und am Ende nichts in den Hän­den zu hal­ten …

      So glänz­ten sie auf den Rän­gen heu­te Abend.«

      Er be­trach­te­te einen großen, rei­fen Stern.

      »Die Li­noz­zo. Ägyp­tisch plat­te, lan­ge Nase, lan­ge Au­gen


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