Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий ЦицеронЧитать онлайн книгу.
wie es im Gastmahle des Xenophon 154 heißt, und die Abkühlung im Sommer, sowie hinwiederum die Sonnenwärme und das Kaminfeuer. Diesen Vergnügungen pflege ich auch im Sabinischen 155 nachzugehen, wo ich täglich meinen Tisch mit eingeladenen Nachbarn vollzählig mache, und wir das Mahl bis tief in die Nacht, soviel wir können, unter mancherlei Gesprächen hinziehen.
47. » Aber der Kitzel der sinnlichen Genüsse ist bei den Greisen nicht mehr so groß.« Ich glaube es, aber auch nicht das Verlangen darnach. Nichts aber ist lästig, was man nicht vermißt.
Schön ist die Aeußerung des Sophokles 156. Als ihn, schon vom Alter geschwächt, Jemand fragte, ob er noch der Liebe pflege, entgegnete er: »Das mögen die Götter verhüten! Wahrlich, ich bin davor geflohen wie vor einem rohen und rasenden Herrn.« Freilich, den nach solchen Genüssen Lüsternen ist die Entbehrung derselben vielleicht verhaßt und beschwerlich; den Gesättigten und Befriedigten aber ist die Entbehrung angenehmer als der Genuß, wiewol der nicht entbehrt, der nicht vermißt. Darum behaupte ich, dieses Nichtvermissen ist angenehmer. 48. Wenn nun das jugendliche Alter gerade diese Vergnügungen lieber genießt, so genießt es erstens, wie gesagt, nur Dinge von geringem Werthe, sodann solche, deren das Greisenalter, wenn es sie auch nicht im Ueberflusse genießt, nicht gänzlich entbehrt.
Sowie Turpio Ambivius 157 dem einen größeren Genuß gewährt, der in der ersten Sitzreihe des Theaters zusieht, jedoch auch dem Genuß bereitet, der in der letzten zusieht; ebenso freut sich die Jugend, die die Vergnügungen in der Nähe beschaut, vielleicht mehr; aber auch das Alter, das sie aus der Ferne betrachtet, erfreut sich deren soviel, als genug ist.
49. Aber wie wichtig ist es, daß der Geist gleichsam nach überstandenen Dienstjahren der Sinnenlust, des Ehrgeizes, der Wettstreite, der Feindschaften und aller Begierden bei sich selbst ist und, wie man sagt, mit sich selbst lebt! Hat er vollends gleichsam eine Nahrung der wissenschaftlichen Beschäftigungen, so ist Nichts erfreulicher als ein von Amtsgeschäften freies Greisenalter.
Wir sahen den Gajus Gallus 158, den Freund deines Vaters, mein Scipio, wie er, ich möchte sagen, Himmel und Erde auszumessen bemüht war. Wie oft überraschte ihn das Tageslicht, wenn er des Nachts Etwas zu verzeichnen begonnen hatte! wie oft die Nacht, wenn er des Morgens damit angefangen hatte! Welche Freude machte es ihm die Sonnen- und Mondesfinsternisse uns lange vorher zu sagen!
50. Wie steht es mit den geringfügigeren, aber doch Scharfsinn erheischenden Beschäftigungen? Wie viel Freude hatte Nävius 159 an seinem Punischen Kriege. wie viel Plautus 160 an seinem Truculentus, wie viel an seinem Pseudolus! Ich sah auch noch den alten Livius 161, der sechs Jahre vor meiner Geburt unter dem Consulate des Cento und Tuditanus ein Schauspiel aufgeführt hatte und bis zu meinem Jünglingsalter fortlebte. Was soll ich von des Publius Licinius Crassus 162 Fleiße im priesterlichen und bürgerlichen Rechte sagen, oder von dem unseres Publius Scipio 163, der erst vor wenigen Tagen Oberpriester geworden ist? Gleichwol waren alle diese Männer, die ich erwähnte, schon Greise, als wir sie diese Beschäftigungen mit brennendem Eifer treiben sahen. Den Marcus Cethegus 164
Flos delibatus populi Suadaeque medulla.
Dann fährt Cicero fort: Πειθὼ quam vocant Graeci, cujus effector est orator, hanc Suadam appellavit Ennius, ut, quam deam in Pericli labris scripsit Eupolis sessitavisse, hujus hic medullam nostrum oratorem fuisse dixerit.
XV.
51. Ich komme nun zu den Freuden des Landlebens, an denen ich ein unglaublich großes Vergnügen finde. Sie werden einerseits durch kein Greisenalter gestört und scheinen mir andererseits sich am Nächsten an das Leben eines Weisen anzuschließen. Denn sie stehen mit der Erde in Rechnung, die sich niemals ihrer Herrschaft weigert und nie ohne Zins zurückgibt, was sie empfangen hat, sondern zuweilen mit geringerem, gemeiniglich aber mit größerem Ertrage. Doch mich erfreut nicht nur die Frucht, sondern auch die Triebkraft und Natur der Erde selbst. Wenn sie in ihren erweichten und aufgelockerten Schoß den ausgestreuten Samen aufgenommen hat, behält sie ihn zuerst verdeckt zurück; daher nennen wir im Lateinischen das Eggen, wodurch der Samen verdeckt wird, occatio von occaecare, verdecken, unsichtbar machen 165. Sodann dehnt sie den durch ihren Dunst und ihre Umfassung erwärmten Samen aus 166 und lockt aus ihm das grasartig aufsprießende Grün, das, auf Wurzelfäden gestützt, allmälich heranwächst, sich an einem knotigen Halme emporrichtet und jetzt, gleichsam mannbar werdend, sich in Schoßbalge einschließt. Und wenn es aus diesen hervorbricht, so entfaltet es die reihenartig gebaute Frucht der Aehre und schützt sich durch einen Wall von Stacheln gegen den Biß der kleinen Vögel.
52. Was soll ich die Entstehung, das Pflanzen und Heranwachsen der Weinstöcke erwähnen? Dieß bietet, damit ihr die Erholung und den Genuß meines Alters kennen lernet, eine Unterhaltung, an der ich mich nicht genug freuen kann. Ich übergehe die Triebkraft selbst aller Erdgewächse, die aus einem so kleinen Feigen- oder Weinbeerkerne oder aus den kleinsten Samenkörnern der übrigen Früchte oder Pflanzen so große Stämme und Aeste hervorbringt. Was die Fächser, Setzlinge, Reiser, Ableger, Senker aus sich schaffen, muß es nicht Jeden mit Freude und Bewunderung erfüllen? Der Weinstock nun, der doch von Natur hinfällig ist und, wenn er nicht gestützt wird, zur Erde sinkt, umfaßt trotzdem, um sich aufzurichten, mit seinen Ranken wie mit Händen Alles, was er erreicht. Da er in mannigfaltigen sich schlängelnden Windungen fortkriecht, so beschränkt ihn die Kunst der Landbauer, indem sie ihn mit dem Messer beschneiden, da mit er nicht durch die Reiser in's Holz wachse und sich zu sehr nach allen Richtungen ausbreite. 53. So tritt zu Anfang des Frühlings an dem übrig gebliebenen Holze, gleichsam an den Gelenken der Reiser, das sogenannte Auge hervor. Aus diesem bricht die Traube hervor und entwickelt sich. Sie wächst durch den Saft der Erde und durch die Sonnenwärme, hat anfänglich einen sehr herben Geschmack, wird aber darauf, zur Reife gelangt, süß, und mit Laub bekleidet entbehrt sie einerseits nicht einer mäßigen Wärme und wehrt andererseits die zu große Sonnenhitze ab. Kann wol Etwas theils für den Genuß erfreulicher, theils für den Anblick schöner sein als sie?
Aber, wie ich vorhin bemerkte, nicht allein der Nutzen des Weinstockes, sondern auch sein Anbau und selbst seine natürliche Beschaffenheit macht mir Freude: die Reihen der Stützpfähle, die Verknüpfung der Ranken, das Anbinden und Fortpflanzen der Stöcke, die zuvor erwähnte Beschneidung der Reiser und die Einsenkung derselben.
Was soll ich die Bewässerung, das Aufgraben und Umhacken des Ackers anführen, wodurch die Erde ungleich fruchtbarer wird? Was soll ich von der Nützlichkeit der Düngung reden? 54. Ich habe darüber in dem Buche über die Landwirtschaft 167 geschrieben. Der gelehrte Hesiodus 168 hat davon auch nicht ein Wort gesagt, obwol er über den Ackerbau geschrieben hat. Homerus hingegen, der, wie ich glaube, viele Menschenalter früher lebte, läßt den Laertes