Im Schatten des Feldmarschalls: Geschichten aus dem Powder-Mage-Universum. Brian McClellanЧитать онлайн книгу.
wollte Verundish nicht mehr sterben.
Ein Lichtblitz blendete sie, und sie stolperte rückwärts; sie blinzelte, um wieder klar sehen zu können, und schaute mit an, wie Grenatio auf sie zurannte, in Flammen gesetzt vom Feuer eines Privilegierten.
Verundish suchte nach der Magiequelle. Ein einzelner Privilegierter konnte ihre gesamte Kompanie vernichten. Vielleicht sogar auch die zweite Angriffswelle. Es war Wahnsinn zu versuchen, ihn zu töten, aber es war die einzige Chance, die sie hatte.
Das Feuer walzte durch ihre Männer, steckte ihre Uniformen in Brand und verbreitete Chaos. Dort hinten, wo der Innenhof in einer Straße mündete: Ein Privilegierter stand dort in der Öffnung, die behandschuhten Hände in Flammen, und schickte mit zuckenden Fingern die adronischen Soldaten reihenweise in den Tod.
Ihre Männer rannten schreiend in Deckung. Niemand von ihnen konnte es mit einem Privilegierten aufnehmen. Niemand konnte das. Es gab nichts, was man gegen einen Privilegierten tun konnte, außer wegzurennen.
Verundish verfluchte das Blut, das ihren Arm herunterlief und ihre Schwerthand glitschig machte, und nahm ihren Säbel in die andere Hand. Sie warf sich auf eine Seite des Innenhofs.
Mit dem Rücken zur Mauer schlich sie sich so schnell sie es sich traute auf den Privilegierten zu. Sie hatte eine geladene Pistole in ihrem Gürtel – eine Chance auf einen Treffer, und sie würde nah genug herankommen müssen, um sicherzugehen, dass der Schuss saß.
Der Privilegierte schleuderte weiter mit Feuer um sich. Er war kein mächtiger Privilegierter; wenn er gut darin gewesen wäre, mehrere Zauber gleichzeitig zu wirken, hätte er die gesamte Kompanie auf einen Schlag niedergebrannt. Verundish stellte ihren Säbel an der Mauer ab und zog ihre Pistole.
Der Schuss traf den Privilegierten in die Seite. Er zuckte und fiel mit einem überraschten Gesichtsausdruck auf ein Knie. Dann wandte er seinen Blick zu Verundish.
Sie hob ihren Säbel auf und stürmte auf ihn los. Er richtete eine Hand auf sie. Magische Hitze umspülte ihr Gesicht, und Verundish fühlte einen ziehenden Schmerz an ihrem Oberschenkel, als Feuer wie geschmolzenes Glas sie hart genug traf, um sie herumzuwirbeln. Sie stolperte vorwärts.
Ihr Säbel schnitt drei Finger von der rechten Hand des Privilegierten ab. Er schrie, und sie schlug mit voller Kraft zu. Die Klinge traf den Privilegierten an der Schulter, und er wurde von der Wucht des Hiebs umgeworfen. Mit einem Ruck riss sie die Klinge los, dann stach sie ihm damit durch das Herz.
Sie stolperte wieder und fiel fast hin. Der Schmerz an ihrem Oberschenkel war unerträglich. Vor ihrem inneren Auge konnte sie die verbrannte und verkohlte Haut und das entstellte Fleisch sehen. Sie wagte es nicht, sich die Wunde anzusehen, aus Angst, ihren Kampfgeist zu verlieren.
Als sie zurückschaute, sah sie, wie Constaire in der Bresche auftauchte. Hinter ihm stürmte die zweite Angriffswelle mit aufgepflanzten Bajonetten in die Festung, vorbei an den Toten und Verwundeten, um den Innenhof zu sichern und den Weg zur Straße frei zu kämpfen.
Constaire fing sie just in dem Moment, als sie fiel. Er starrte erst sie an, dann die Leiche zu ihren Füßen.
»Du hast einen Privilegierten getötet!«
»Ich …« Verundish wusste nicht, was sie sagen sollte. Anscheinend hatte sie versagt in ihrem Vorhaben, zu sterben. Sie wusste, dass sie nicht mehr sterben wollte, aber wie konnte sie ihr kleines Mädchen retten?
Sie bemerkte etwas aus dem Augenwinkel und schaute hoch. Die Gurlaner waren wieder auf den Mauern über ihnen, auf beiden Seiten der Bresche. Sie hatten den Höhenvorteil, und während sie zuschaute, eröffneten sie das Feuer auf die zweite Angriffswelle der Adroner.
»Runter!«, sagte sie zu Constaire.
»Wir wehren sie ab. Zu den Treppen, Männer!« Er entfernte sich von ihr und zog sein Schwert.
Verdammter Narr. Du wirst tot sein, bevor du die Treppen erreichst.
Ein Lichtblitz oben auf der Mauer machte Verundish auf eine weitere Privilegierte aufmerksam. Verundish hustete ein Lachen. Es war alles so unnütz. Diese verdammte Magierin würde das gesamte Himmelfahrtskommando und die zweite Angriffswelle auslöschen.
Die Privilegierte erhob ihre behandschuhten Hände.
Ihr Kopf explodierte in einer Blutfontäne. Es war so brutal, dass Verundish zusammenzuckte, obwohl es gute dreißig Schritt entfernt von ihr passierte. Der Körper der Privilegierten sackte zusammen, und von den Gurlanern auf den Mauern ertönten entsetzte Schreie.
Aus den Reihen der adronischen Soldaten kam eine Gestalt mit einer rauchenden Pistole in der Hand hervorgerannt. Sie erklomm den Schutt, der nach oben auf die Mauer führte, beinahe ohne an Tempo einzubüßen. Der Degen der Gestalt blitzte auf, als sie sich mit übermenschlicher Geschwindigkeit auf die gurlischen Soldaten stürzte.
Verundish konnte ihren Augen kaum trauen. War das ein Dämon aus der Grube? Ein Engel, den Kresimir geschickt hatte?
Die Gestalt machte eine Geste mit einer Hand; plötzlich explodierten die Pulverhörner von einem Dutzend gurlischer Infanteristen und töteten ihre Besitzer.
Bei der plötzlichen Erkenntnis kamen ihr die Tränen: Das war kein Engel oder Dämon.
Das war ein Pulvermagier.
General Tamas hatte seine Befehle ignoriert und sich mit in die Schlacht gestürzt.
Endlich übermannte sie der Schmerz, und Verundish ließ ihren Kopf auf die kühlen Steinplatten des Innenhofs sinken.
Verundish erwachte in einem ihr fremden Zimmer.
Nichts kam ihr bekannt vor. Der Putz an den Wänden bröckelte, und aus einem hohen Fenster kam Licht. Das Zimmer war nicht viel größer als eine Gefängniszelle, und sie fragte sich, ob es vielleicht eine Zelle war.
War das Himmelfahrtskommando am Ende doch nicht erfolgreich gewesen? War die zweite Angriffswelle abgeschlachtet und zurückgedrängt worden? Sie meinte sich daran zu erinnern, dass sie gesehen hätte, wie General Tamas mitkämpfte. Vielleicht war er gefallen. Immerhin waren in der Festung fünf weitere Privilegierte gewesen. War sie jetzt in Darjah gefangen?
Die Gurlaner hätten sie doch mit Sicherheit einfach umgebracht.
Verundish fragte sich, wie viel Zeit seit dem Angriff vergangen war. Sie erinnerte sich daran, geschrien zu haben, bis ihr Hals wund gewesen war, und dass Ärzte ihr eine Malapfeife in den Mund gesteckt und ihr den Rauch in den Mund geblasen hatten. Der Schmerz hatte langsam nachgelassen, und die Feldchirurgen hatten angefangen, ihren Oberschenkel mit ihren Skalpellen zu bearbeiten und den blutigen Schnitt an ihrem Arm zu nähen.
Sie versuchte, ihren Kopf zu drehen – mit wenig Erfolg. Durch den Schmerz entfuhr ihr ein unfreiwilliges Wimmern.
Wieso tat alles so furchtbar weh? Sie fühlte sich, als sei jeder Knochen in ihrem Leib gebrochen.
Die Tür zu ihrem Zimmer wurde mit einem Knarren geöffnet. »Ah, Frau Oberst, Sie sind wach«, sagte eine weibliche Stimme. »Ich habe wundervolle Neuigkeiten. Der Feldmarschall wird Sie sehen wollen.«
Oberst? Sie mussten sie mit jemandem verwechselt haben. Panik kam in ihr auf, und sie versuchte, sich zu bewegen.
»Holen Sie den Feldmarschall«, rief die Stimme in den Flur. Sie erkannte die Stimme wieder aus ihrer fiebrigen Erinnerung an die Operation. Sie gehörte einer der Ärztinnen. »Na, na. Bewegen Sie sich lieber nicht«, sagte die Ärztin. »Ihr Körper ist steif und ihre Muskeln schwach, weil Sie sie so lange nicht benutzt haben. Sie waren lange Zeit bewusstlos.«
»Wie …« Verundishs Stimme brach ab, und die Ärztin kam in ihr Sichtfeld. Es war eine ältere Frau in einer adronischen Uniform, über der sie einen weißen Kittel trug. Sie lehnte sich über Verundish und gab ihr Wasser.
Verundish musste husten, schaffte es aber, ein wenig herunterzuschlucken. Als die Ärztin