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BIERKÄMPFE, BAROCKENGEL UND ANDERE BAVARESKEN. Klaus HübnerЧитать онлайн книгу.

BIERKÄMPFE, BAROCKENGEL UND ANDERE BAVARESKEN - Klaus Hübner


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      Aventinus, Schmeller und Britting. Vor drei Jahren ist Eberhard Dünninger gestorben

      Mit viel Liebe und enormem Detailwissen hat Bernhard Lübbers, der Leiter der Staatlichen Bibliothek Regensburg, zusammen mit dem Kunsthistoriker und Verleger Peter Morsbach einen ansehnlichen Gedenkband herausgegeben, der das Leben und Wirken des in Würzburg geborenen, in Regensburg zur Schule gegangenen und beruflich lange in München tätigen Literaturhistorikers und Bibliothekars Eberhard Dünniger umfassend würdigt. Elf kompetente Aufsätze, zahlreiche ansprechende Fotos sowie ein zwanzigseitiges, von Konrad Zrenner besorgtes Verzeichnis aller Veröffentlichungen des großen bayerischen Gelehrten runden sich zu einem anregenden Erinnerungsband. Hervorgegangen ist er aus einem Gedenksymposium, das noch in Eberhard Dünningers Todesjahr im Leeren Beutel zu Regensburg stattfand.

      Dünningers Sohn Leonhard, der frühere bayerische Kultusminister Hans Maier, der Münchner Bibliothekar Klaus Kempf und der Regensburger Emeritus Bernhard Gajek beleuchten die Biografie des Verstorbenen. Hier wird der Leser über seine Arbeit im Bayerischen Kultusministerium (1965–1986), seine Leistungen als Generaldirektor der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken (1986–1999) und sein lebenslanges Wirken in Forschung und Hochschule präzise informiert. In der zweiten, den Bibliotheken gewidmeten Abteilung gibt Manfred Knedlik einen erhellenden Überblick über die Klosterbibliotheken in der Oberen Pfalz. Bernhard Lübbers beschäftigt sich mit einem Thema, das auch Eberhard Dünninger mehrfach berührt hat: Johann Andreas Schmeller und die Bibliotheken. Die Abteilung Literatur widmet sich zwei ganz unterschiedlichen Autoren und Werken, zu deren Erhellung die Forschungen des Verstorbenen Wesentliches beigetragen haben: Christine Riedl-Valder befasst sich mit den Schriften des Aventinus, und Marita A. Panzer geht den Spuren eines kauzigen und originellen bayerisch-böhmischen Grenzgängers aus dem 19. Jahrhundert nach: Maximilian Schmidt genannt Waldschmidt (1832–1919). Im vierten Teil des Gedenkbands skizziert Peter Morsbach das Bild Regensburgs und der Oberpfalz vor der Napoleonzeit, Peter Styra würdigt Pater Emmeram und Schloss Prüfening, und Jörg Skriebeleit erzählt die Geschichte des Historikers, Archivars, Heimatforschers und Intellektuellen Fridolín Macháček (1884–1954), auf dessen ergreifendes Buch Plzeň – Terezín – Flossenbürg (1946) ihn Eberhard Dünninger hingewiesen hatte. Was einmal mehr zeigt, dass der vielseitige und außergewöhnlich kenntnisreiche Gelehrte, der unter anderem am Trinity College in Dublin studiert hatte, stets über die Grenzen des Freistaats hinausblickte. Ohne Zweifel war Regensburg Eberhard Dünningers Herzensheimat, und mit Sicherheit hat er seine Oberpfalz und sein Bayern geliebt. Zu Hause aber war er im ganzen Abendland.

      Bernhard Lübbers / Peter Morsbach (Hrsg.): Bibliotheken, Literatur, Regensburg und die Oberpfalz. In memoriam Eberhard Dünninger (1934–2015). Regensburg 2016: Dr. Peter Morsbach Verlag. 178 S.

      Heavy Southbound Traffic. Auf den Spuren von Johann Andreas Schmeller

      Als Jugendlicher hörte ich oft Radio. Meistens AFN – American Forces Network. Wegen der Musik. AFN war aber auch einer der ersten Radiosender, der Verkehrsdurchsagen brachte. Unvergesslich: »Heavy southbound traffic on the Nuremberg-Munich Autobahn, especially in the area of the Holledau Triangle«. Dieses Dreieck kannte ich wohl, und ich wusste, dass halb Europa auf der Fahrt vom hohen Norden nach Rom oder Sizilien durch die Holledau musste1. Später stand ich oft genug selbst am Holledau-Dreieck im Stau, und die mit Büschen und Bäumchen bestandene, von Autobahnen vollkommen eingeschlossene Wiese dort kam mir bald vor wie der heimliche Mittelpunkt von Südbayern. Im Zeitalter des unaufhörlichen Lastwagenverkehrs und der immer hässlicher werdenden Gewerbegebiete könnte das wirkliche Zentrum des Landes doch auch ein Autobahndreieck sein, dachte ich mir. Oder sind es doch die Hopfengärten drumherum?

      Wenige Kilometer Luftlinie vom Dreieck sieht die Welt vollkommen anders aus. Von »heavy southbound traffic« keine Spur, im Gegenteil: kaum irgendein Traffic! Ohne Navi schaut man hier recht alt aus – wer auf immer schmaler werdenden Straßen mit Kreuzungen ohne jeden Wegweiser versucht hat, nach Rinnberg zu gelangen, weiß das. Eine bayerische Bauernlandschaft von lieblich-herber Anmut bildet die Kulisse für Johann Andreas Schmellers einstigen, eine gute Stunde dauernden Schulweg nach Pörnbach – und zurück. Viel Wald, viel Mais, einige Pferdekoppeln, und vor allem: Hopfen! Im Sommer zuckelt man zwischen gewaltigen Hopfenwänden durch, entgegenkommen sollte einem niemand, schon gar nicht ein Mähdrescher oder ein Milchlaster. Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm, im Tal die Kirche von Rohr, gleich daneben Rinnberg. Endlich!

      Ein ausgesprochen schönes, aufgeräumtes Dorf mit viel Luft zwischen den Häusern und vielen Blumen. Beim Nussbaum an der Dorfstraße ist eine Hinweistafel aufgestellt. Hier sind wir richtig! »Zurück zu meinen Lieben / Nach Rimberg schwebt mein Geist«. So lautet die Inschrift auf einem schönen, naturbelassenen Stein, hinter dem orangerote Lilien blühen. Rimberg, Rinberg, Rinnberg – so genau nahm man es damals nicht mit der Schreibung der Ortsnamen. Weiter heißt es auf dem Stein: »Johann Andreas Schmeller. *6.8.1785 – †27.7.1852. Verfasser des Bayerischen Wörterbuchs. Die Heimat gedenkt seiner. Landkreis Pfaffenhofen«. Ein paar Meter weiter an der Straße findet man auch noch eine weiße Stadelmauer mit einer Steintafel, die an den im Alter von drei Jahren aus seiner Geburtsstadt Tirschenreuth (»Türschenreut«, wie er selber schreibt) nach Rinnberg gelangten Buben erinnert: »An dieser Stelle stand das Elternhaus des grossen bairischen Sprachforschers Johann Andreas Schmeller. Von 1787–99 verbrachte er hier seine Kindheit.« Floh die Familie aus der armen Oberpfalz? Vertraut man dem Journalisten Gerhard Matzig, ist Tirschenreuth auch heute nicht reich und auf jeden Fall, statistisch betrachtet, die »billigste Stadt Deutschlands«2.

      Der alte Schmeller – nein, nicht Heimito von Doderers Romanfigur aus der Strudlhofstiege3, sondern »dieser wundervolle Gelehrte, der das Mundartlexikon gemacht hat«4 – war schon mal bekannter als heute. Nicht nur in der Wissenschaft, bei den Dialektologen, den Mediävisten und den Historikern, sondern auch bei den an der bairischen Mundart interessierten Bürgern des Freistaats. In vielen Haushalten steht noch heute die vollständige Ausgabe seines Bayerischen Wörterbuchs herum, die zum zweihundertsten Geburtstag des »baierischen Grimm« in vier Bänden erschien5. Ob Schmellers Opus Magnum eifrig benutzt wird? Oder doch eher ein Staubfänger ist? In der Bayerischen Staatsbibliothek in München, die ihrem einstigen Bibliothekar vor fünfunddreißig Jahren eine schöne Gedächtnisausstellung gewidmet hat6, wird sein Nachlass verwahrt. Dort findet man alles von und über den oberpfälzischen Korbmacherssohn aus der Holledau, dessen Verdienste insbesondere um die Handschriftenabteilung des Hauses gar nicht genug herausgestellt werden können. Bis dahin allerdings war es ein weiter Weg – von Pörnbach erst einmal ins Seminar des Klosters Scheyern, dann auf die Gymnasien von Ingolstadt und München. Schon 1801 begann er sein Tagebuch – manchmal mit durchaus merkwürdigen Einträgen wie beispielsweise dem vom 22. Juli: »Ein herrlicher Tag. Gestern fiel aus Baufälligkeit ein Haus zusammen, und erschlug etliche Menschen.«7 Der besonders an Pädagogik und Philologie interessierte Schüler war immer in Geldnot und hing ab von wohlmeinenden Gönnern. In Rinnberg entstand 1803 seine erste wissenschaftliche Arbeit: Über Schrift und Schulunterricht. Ein ABC-Büchlein in die Hände Lehrender. Die Studie ist geprägt von der Faszination, die Person und Werk des Schweizer Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) auf ihn ausübten. Dem wollte er seine Arbeit persönlich vorstellen – vielleicht war auch eine Stelle in der Schweiz drin? Pestalozzis Absage muss Schmeller schwer getroffen haben, denn 1804 traf der Mittel- und Erwerbslose eine unerwartete Entscheidung: Er trat als Soldat in die Dienste des spanischen Königs Karl IV. und marschierte bald von Solothurn bis nach Tarragona. Soldat? Na ja, nach einiger Zeit wurde Schmeller dann doch Hilfslehrer, für Spanisch, Englisch, Französisch und andere Fächer, und zwar am Real Instituto Pestalozziano Militar in Madrid. Von Spanien ging's dann 1808 nach Basel – fünf Jahre lange unterrichtete er dort, durch Vermittlung Pestalozzis, an einer Privatschule, und im Herbst 1812 stellte er fest: »Mir ward menschlicher Besitzthümer keines, nicht Ahnen, nicht Gold, nicht Äcker – nur die Sprache. Die Worte sind mein Grund und Boden, die mir Brod, vielleicht gar Ehre ertragen soll. Nur für des Vaterlandes Worte kann ich wirken.«8

      Nachdem Bayern im Oktober 1813 mit dem Vertrag von Ried der Koalition gegen Napoleon beigetreten war, meldete sich Schmeller freiwillig.


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