Tarzan – Band 1 – Tarzan und die weiße Frau. Edgar Rice BurroughsЧитать онлайн книгу.
nur zu froh, gesellschaftlichen Verkehr mit dem feinen englischen Edelmann und seiner Gattin zu meiden, sodass die Claytons sehr viel sich selbst überlassen waren.
An und für sich entsprach dies ihren Wünschen vollkommen, aber dadurch waren sie auch von dem Leben und Treiben auf dem kleinen Schiff abgesondert und nicht imstande, in Fühlung mit den täglichen Vorkommnissen zu bleiben, die schon so bald in einer blutigen Tragödie endigen sollten.
In der ganzen Atmosphäre des Schiffes lag ein unbestimmtes Etwas, das Unheil verkündete.
Äußerlich ging auf dem kleinen Fahrzeug alles, soweit die Claytons es sahen, seinen gewohnten Gang, aber dass sie einer unbekannten Gefahr entgegengingen, fühlten beide, obschon sie sich gegenseitig nicht darüber aussprachen.
Am zweiten Tag, nachdem der schwarze Michel verwundet worden war, kam Clayton gerade rechtzeitig auf das Deck, um zu sehen, wie der schlaffe Körper eines Matrosen von vier Kameraden hinuntergebracht wurde, während der erste Steuermann, einen schweren Knüppel in der Hand haltend, der kleinen Gruppe trotziger Matrosen nachsah.
Clayton stellte keine Frage — er hatte es auch nicht nötig —, aber als am folgenden Tage der große Umriss eines englischen Schlachtschiffes am fernen Horizont auftauchte, war er halb entschlossen, zu verlangen, dass er und seine Gattin an dessen Bord übergesetzt würden, denn seine Befürchtung, dass ihnen bei ihrem Verbleiben auf der düsteren »Fuwalda« noch etwas Übles zustoßen könnte, wuchs ständig.
Gegen Mittag kamen sie in Sichtweite des britischen Schiffes, aber wenn Clayton auch nahezu entschlossen war, den Kapitän zu bitten, sie übersetzen zu lassen, so wurde ihm jetzt das augenscheinlich Lächerliche eines solchen Ersuchens plötzlich klar. Welchen Grund sollte er dem befehlenden Offizier von Ihrer Majestät Schiff angeben, um in der Richtung zurückzufahren, aus der er soeben gekommen war?
Wahrhaftig, wenn er den Offizieren erzählt hätte, dass zwei widerspenstige Matrosen rau behandelt worden seien, so hätten sie nur heimlich über ihn gelacht und ihn der Feigheit bezichtigt, wenn er das kleine Schiff nur aus diesem Grunde verlassen hätte.
So verzichtete Lord Greystoke darauf, an Bord des britischen Kriegsschiffs gebracht zu werden; aber am späten Nachmittag, noch bevor die Mastspitzen des Kriegsschiffes am fernen Horizont ganz verschwunden waren, fand er seine größten Befürchtungen bestätigt, und er verwünschte nun seinen falschen Stolz, der ihn einige Stunden vorher davon abgehalten hatte, sein junges Weib in Sicherheit zu bringen, als sich ihm diese Rettung bot — eine Rettung, die nun für immer vorbei war.
Es war am Nachmittag, als der kleine alte Mann, der vor einigen Tagen so unmenschlich von dem Kapitän niedergeschlagen worden war, sich an Clayton und seine Frau, die dem entschwindenden Schlachtschiff nachsahen, heranschlich. Der Alte polierte Messingstangen, und als er näher an Clayton herankam, sagte er in flüsterndem Tone:
Er wird’s bezahlen, Herr! Das glauben Sie mir aufs Wort. Er wird’s bezahlen!
Was meinen Sie, mein Bester? fragte Clayton.
Wie? Haben Sie nicht gesehen, was hier vorgeht? Dieser Teufels-Kapitän! Gestern zwei zerschlagene Köpfe und heute drei. Der vom schwarzen Michel ist wieder so gut wie neu, und er ist nicht der Kerl, der sich das gefallen lässt, er nicht, mein Wort darauf!
Sie meinen, lieber Mann, dass die Mannschaft meutern will?
Meutern? erwiderte der Alte, meutern? Totschlagen wird man, Herr, mein Wort darauf!
Wann?
Es kommt, Herr, es kommt, aber ich darf nicht sagen, wann, und ich habe jetzt schon verflucht viel gesagt, aber Sie waren neulich so gut gegen mich, und da dachte ich, es wäre nicht mehr als recht, sie zu warnen. Aber halten Sie die Zunge fest, und wenn Sie schießen hören, so gehen Sie hinunter und bleiben Sie dort! Das ist alles, aber schweigen Sie, oder man wird Ihnen eine Pille zwischen die Rippen jagen, — verlassen Sie sich darauf, Herr!
Und der alte Mann polierte weiter und entfernte sich allmählich von der Stelle, wo die Claytons standen.
Das sind ja schöne Aussichten, Alice, sagte Clayton.
Du musst den Kapitän sofort warnen, John! sagte sie. Die Unruhen können dann vielleicht noch verhütet werden.
Eigentlich müsste ich es tun, aber vom selbstsüchtigen Standpunkt aus möchte ich lieber »die Zunge festhalten«. Was die Leute auch unternehmen mögen, uns werden sie schonen, aus Dank dafür, dass ich für den schwarzen Michel Partei ergriffen habe, aber wenn sie herausfänden, dass ich sie verraten hätte, so würden wir keine Gnade vor ihnen finden, Alice!
Du hast aber nur eine Pflicht, John, und die liegt auf der Seite der verletzten Autorität! Wenn du den Kapitän nicht warnst, so machst du dich der Mithilfe schuldig, genau so, als ob du an der Anzettelung der Verschwörung mit beteiligt gewesen wärest.
Du fasst die Sache falsch auf, mein Liebling, erwiderte Clayton. An dich denke ich, — darin liegt meine erste Pflicht. Der Kapitän hat sich selbst in diese Lage gebracht. Warum soll ich im wahrscheinlich nutzlosen Versuch, ihn vor seinem eigenen brutalen Wahnsinn zu retten, es riskieren, meine Frau undenkbaren Gräueln auszusetzen? Du hast keinen Begriff, meine Liebe, von dem, was folgen würde, wenn dieses Pack von Halsabschneidern die »Fuwalda« in ihre Gewalt bekäme.
Pflicht ist Pflicht, mein Lieber, und kein Scheingrund kann etwas daran ändern. Das müsste ein armseliges Weib für einen englischen Lord sein, wenn es ihn verhindern wollte, einfach seine Pflicht zu tun. Ich verstehe die Gefahr, die daraus entstehen kann, aber ich kann ihr mit dir vereint entgegentreten, und zwar tapferer als ich es im Bewusstsein der Schuld könnte, dass du eine Tragödie hättest vermeiden können, wenn du deine Pflicht nicht vernachlässigt hättest.
So geschehe denn dein Wille, Alice, antwortete er. Vielleicht machen wir uns auch unnötige Sorgen. Wenn mir auch die Vorgänge an Bord dieses Schiffes nicht gefallen, so sind sie doch vielleicht nicht so tragisch, denn es ist möglich, dass der alte Seemann mehr die Wünsche seines bösen alten Herzens geäußert als von wirklichen Tatsachen gesprochen hat. Meuterei auf hoher See mag vor hundert Jahren häufig gewesen sein, aber im Jahre 1883 ist es das unwahrscheinlichste Vorkommnis, das man sich denken kann. — Doch da geht der Kapitän in seine Kajüte! Wenn ich ihn warnen soll, so möchte ich diese unangenehme Sache gleich erledigen, denn ich habe überhaupt wenig Lust, mit dem brutalen Menschen zu sprechen.
Indem er so sprach, schlenderte