Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2. Augustinus von HippoЧитать онлайн книгу.
Hat er etwa gesagt: Das Gute zu* tun* liegt mir nicht nahe? Wenn er das gesagt hätte, dann bliebe keine Hoffnung übrig. Er sagt nicht: Das Gute zu tun, liegt mir nicht nahe, sondern er sagt: „Das* Vollenden* liegt mir nicht nahe“. Denn was ist die Vollendung des Guten als die Vernichtung und das Ende des Bösen? Was ist aber die Vernichtung des Bösen, als was das Gesetz sagt: „Du sollst nicht begehren“1173? Gar nicht „begehren“ ist die Vollendung des Guten, weil es die Vernichtung des Bösen ist. Dies sagte er: „Das Vollenden des Guten liegt mir nicht nahe“, weil er nicht bewirken konnte, daß ihn nicht gelüstete; er bewirkte nur, daß er das Gelüsten zügelte, um dem Gelüsten nicht zuzustimmen und dem Gelüsten die Glieder nicht zum Dienste anzubieten. „Das Vollenden des Guten“ also, sagt er, „liegt mir nicht nahe“; ich kann nicht erfüllen, was gesagt ist: „Du sollst nicht begehren“. Was ist also notwendig? Daß du erfüllest „Du sollst deinen Begierden nicht nachgehen“1174. Das tue inzwischen, solange unerlaubte Begierden in deinem Fleische sind. „Du sollst deinen Begierden nicht nachgehen.“ Bleibe im Dienste Gottes, in der Freiheit Christi; diene im Geiste dem Gesetze deines Gottes. Überlaß dich nicht deinen Begierden. Wenn du ihnen folgst, vermehrst du ihre Kräfte; wenn du ihre Kräfte vermehrst, wie kannst du siegen, da du gegen dich die Feinde mit deinen eigenen Kräften nährst?
13.
Die volle und vollkommene Freiheit also in dem Herrn Jesu, der gesagt hat: „Wenn euch der Sohn befreit, dann werdet ihr wahrhaft frei sein“, wann wird diese volle und vollkommene Freiheit eintreten? Wenn keine Feindschaft mehr sein wird, wenn „der letzte Feind, der Tod, vernichtet sein wird“. „Es muß nämlich dieses Verwesliche die Unverweslichkeit anziehen, und dieses Sterbliche die Unsterblichkeit anziehen; wenn aber dieses Sterbliche die Unsterblichkeit angezogen haben wird, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht: Verschlungen ist der Tod im Siege. Wo ist, o Tod, dein Streit“1175? Was heißt das: „Wo ist, o Tod, dein Streit?“ „Das Fleisch“ gelüstete „gegen den Geist, und der Geist gegen das Fleisch“, aber als das Fleisch der Sünde sich mächtig zeigte. „Wo ist, o Tod, dein Streit?“ Bald werden wir leben, bald werden wir nicht mehr sterben, und zwar in dem, der für uns gestorben und auferstanden ist, „damit, die leben“, sagt er, „nicht mehr sich leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist“1176. Laßt uns zum Arzte des Verwundeten flehen, lassen wir uns zur Herberge tragen, damit wir geheilt werden. Er ist es ja, der Gesundheit verheißt, der sich des halbtoten von den Räubern am Wege Zurückgelassenen mitleidig angenommen; er goß Öl und Wein ein, sorgte sich um die Wunden, hob ihn auf das Lasttier, brachte ihn in die Herberge und empfahl ihn dem Wirte. Welchem Wirte? Vielleicht jenem, der gesagt hat: „Wir sind Gesandte an Christi Statt“1177. Er gab auch zwei Geldstücke, welche zur Herstellung des Verwundeten verwendet werden sollten1178; vielleicht sind das die zwei Gebote, an denen das ganze Gesetz hängt und die Propheten1179. Also, Brüder, auch die Kirche in dieser Zeit, in der der Verwundete geheilt wird, ist eine Herberge für den Wanderer, aber für die Kirche selbst ist droben die Erbschaft des Besitzers.
42. Vortrag
Einleitung.
Zweiundvierzigster Vortrag.
Von da an: „Ich weiß, daß ihr Kinder Abrahams seid, aber ihr suchet mich zu töten“, bis dahin: „Darum höret ihr nicht, weil ihr nicht aus Gott seid“. Joh. 8, 37―47.
1.
Unser Herr, auch in der Knechtsgestalt nicht Knecht, sondern auch in der Knechtsgestalt Herr (jene Fleischesgestalt war nämlich zwar die des Knechtes, aber obwohl es dem Fleische der Sünde ähnlich war1180, so war es doch nicht ein Fleisch der Sünde), verhieß den an ihn Glaubenden die Freiheit; allein die Juden, die auf* ihre* Freiheit stolz waren, verschmähten es, frei zu werden, da sie doch Sklaven der Sünde waren. Für frei hielten sie sich aber deshalb, weil sie Abrahams Same waren. Was ihnen nun der Herr darauf antwortete, haben wir bei der Verlesung des heutigen Lesestückes vernommen. „Ich weiß“, sagt er, „daß ihr Kinder Abrahams seid, aber ihr suchet mich zu töten, weil mein Wort in euch nicht Raum faßt“. Ich erkenne euch an, sagt er: „Ihr seid Kinder Abrahams, aber ihr suchet mich zu töten“. Ich anerkenne den Ursprung des Fleisches, nicht den Glauben des Herzens. „Ihr seid Kinder Abrahams“, aber nach dem Fleische. Deshalb, sagt er, „suchet ihr mich zu töten“, denn „mein Wort faßt in euch nicht Raum“. Wenn mein Wort erfaßt würde1181, würde es (euch) fassen; wenn ihr erfaßt würdet, so würdet ihr in den Netzen des Glaubens wie Fische eingeschlossen werden. Was heißt also: „Es faßt nicht Raum“? Es erfaßt nicht euer Herz, weil es von eurem Herzen nicht aufgenommen wird. So nämlich ist das Wort Gottes und so muß es für die Gläubigen sein wie die Angel für den Fisch; dann erfaßt es, wenn es erfaßt wird. Und es widerfährt denen kein Leid, welche erfaßt (gefangen) werden; denn sie werden zum Heile, nicht zum Verderben erfaßt (gefangen). Darum sagt der Herr zu seinen Jüngern: „Folget mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen“1182. Jene also waren nicht von solcher Art, und doch waren sie Kinder Abrahams, Söhne des Mannes Gottes, ungerechte Menschen. Denn sie stammten von ihm zwar dem Fleische nach, aber sie waren entartet, indem sie nicht den Glauben dessen nachahmten, dessen Söhne sie waren.
2.
Ihr habt nun wohl den Herrn sagen hören: „Ich weiß, daß ihr Kinder Abrahams seid“; höret, was er hernach sagt: „Ich rede, was ich bei meinem Vater gesehen habe; und ihr tut, was ihr bei eurem Vater gesehen habt“. Eben hatte er gesagt: „Ich weiß, daß ihr Kinder Abrahams seid“. Was aber tun sie? Was er ihnen gesagt hat: „Ihr suchet mich zu töten“. Das haben sie bei Abraham niemals gesehen. Der Herr aber will Gott den Vater verstanden wissen, wenn er sagt: „Was ich beim Vater gesehen habe, rede ich“. Die Wahrheit habe ich gesehen, die Wahrheit rede ich, weil ich die Wahrheit bin. Wenn nämlich der Herr die Wahrheit redet, die er beim Vater gesehen hat, so hat er sich gesehen, redet er von sich, weil er selbst die Wahrheit des Vaters ist, die er beim Vater gesehen hat; denn er ist das Wort, welches war bei Gott. Wo haben nun diese das Böse, was sie tun und was der Herr ihnen vorwirft und tadelt, gesehen? Bei ihrem Vater. Wenn wir im folgenden eine genauere Angabe darüber vernehmen werden, wer ihr Vater sei, dann werden wir erkennen, was sie bei diesem Vater gesehen haben; denn vorläufig nennt er ihren Vater nicht. Weiter oben hat er den Abraham erwähnt, aber mit Bezug auf den Ursprung des Fleisches, nicht wegen der Ähnlichkeit des Lebens; er will einen andern Vater derselben nennen, der sie weder erzeugt noch zu Menschen erschaffen hat, aber dennoch waren sie seine Kinder, sofern sie böse waren, nicht sofern sie Menschen waren, sofern sie Nachahmer, nicht sofern sie Geschöpfe waren.
3.
„Sie antworteten und sagten zu ihm: Unser Vater ist Abraham“, als wollten sie sagen: Was willst Du gegen Abraham sagen? oder: Wenn Du etwas kannst, nimm Dir den Mut, Abraham zu tadeln. Nicht daß der Herr nicht den Mut hatte, den Abraham zu tadeln, sondern Abraham war von der Art, daß er vom Herrn nicht Tadel, sondern vielmehr Lob verdiente; doch diese schienen ihn herausfordern zu wollen, daß er etwas Schlechtes von Abraham sage, und so ein Anlaß gegeben wäre, das zu tun, was sie im Sinne hatten. „Unser Vater ist Abraham“.
4.
Vernehmen wir, wie der Herr ihnen antwortete, indem er, sie verurteilend, Abraham lobte: „Jesus spricht zu ihnen: Wenn ihr Kinder Abrahams seid, dann tuet die Werke Abrahams. Nun aber suchet ihr mich zu töten, einen Menschen, der euch die Wahrheit sagte, die ich von Gott gehört habe; dies hat Abraham nicht getan“. Siehe, dieser wird gelobt, jene werden verurteilt. Abraham war kein Mörder. Ich sage nicht, spricht er: Ich bin der Herr Abrahams, womit ich, würde ich es sagen, nur die Wahrheit sagen würde. Denn er sagte anderswo: „Ich bin vor Abraham“1183; da wollten sie ihn steinigen; dies sagte er nicht. Vorläufig bin ich, was ihr seht, was ihr erblickt, wofür ihr allein mich haltet ― ein Mensch. Warum wollt ihr einen Menschen, der euch die Wahrheit, die er von Gott gehört hat, gesagt, töten,