Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2. Augustinus von HippoЧитать онлайн книгу.
ihre Werke; dem Fleische nach waren sie von ihm, aber ihr Leben war nicht nach ihm.
5.
Wir aber, Teuerste, stammen wir etwa von dem Geschlechte Abrahams, oder war Abraham auf irgendeine Weise unser Vater nach dem Fleische? Von seinem Fleische stammt das Fleisch der Juden, nicht das Fleisch der Christen; wir stammen von andern Völkern ab, und doch sind wir durch Nachahmung Kinder Abrahams geworden. Höre den Apostel: „Dem Abraham wurden die Verheißungen gemacht und seinem Samen. Es heißt nicht“, sagt er, „und* den* Samen, als in vielen, sondern als in einem: und deinem Samen, d. i. Christus. Wenn ihr aber Christi seid, so seid ihr also der Same Abrahams, nach der Verheißung Erben“1184. Wir sind also Same Abrahams geworden durch die Gnade Gottes. Nicht aus dem Fleische Abrahams hat ihm Gott Miterben gemacht. Die einen hat er enterbt, die andern an Kindes Statt angenommen, und von jenem Ölbaum, dessen Wurzel in den Patriarchen ist, die stolzen natürlichen Zweige abgeschnitten und den wilden Ölzweig eingepflanzt1185. Als darum die Juden zu Johannes kamen, um sich taufen zu lassen, fuhr er sie an und sprach zu ihnen: „Ihr Natterngezücht“. Ganz besonders nämlich prahlten sie mit der Hoheit ihrer Abstammung, er aber nannte sie ein Gezücht von Nattern, nicht einmal von Menschen, sondern von Nattern. Er sah die Gestalt von Menschen, aber er erkannte das Gift. Sie waren jedoch gekommen, um sich zu bekehren, da sie sich ja taufen lassen wollten, und er sprach zu ihnen: „Ihr Natterngezücht! Wer hat euch gezeigt, dem kommenden Zorne zu entfliehen? Bringet also würdige Früchte der Buße. Und sagt nicht bei euch selbst: Wir haben Abraham zum Vater! Denn Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams erwecken“1186. Wenn ihr nicht würdige Früchte der Buße bringet, so schmeichelt euch nicht mit jener Abstammung; Gott kann euch verdammen und den Abraham trotzdem der Nachkommenschaft nicht berauben. Denn er vermag Kinder Abrahams zu erwecken. Zu Kindern werden die Nachahmer seines Glaubens werden: „Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams erwecken“. Wir sind es; in unsern Voreltern waren wir Steine, da wir statt Gott Steine verehrten; aus solchen Steinen bereitete Gott dem Abraham eine Familie.
6.
Was erhebt sich also eitle und nichtige Prahlerei? Die Kinder Abrahams sollen einmal aufhören sich zu prahlen; sie hörten, was sie hören mußten: „Wenn ihr Kinder Abrahams seid“, so zeiget es durch Taten, nicht durch Worte. „Ihr suchet mich zu töten, einen Menschen“; vorderhand sage ich nicht: den Sohn Gottes, sage ich nicht: das Wort, weil das Wort nicht stirbt; ich nenne bloß das, was ihr seht, weil ihr das, was ihr seht, töten, und den, welchen ihr nicht seht, beleidigen könnt. Also „dies hat Abraham nicht getan. Ihr tut die Werke eures Vaters“. Und noch sagt er nicht, wer ihr Vater sei.
7.
Was antworteten nun jene? Sie erkannten nämlich allmählich einigermaßen, daß der Herr nicht von der Abstammung des Fleisches, sondern von der Lebensführung rede. Und weil es die Gewohnheit der Schrift ist, die sie lasen, es in geistigem Sinne Hurerei zu nennen, wenn die gleichsam zur Unzucht hingegebene Seele vielen und falschen Göttern dient, so antworteten sie darauf: „Sie sagten also zu ihm: Wir sind nicht aus der Hurerei geboren, wir haben* einen* Vater, Gott“. Schon galt Abraham nichts mehr. Sie wurden nämlich abgewiesen, wie sie durch den Mund der Wahrheit abgewiesen werden mußten; denn Abraham war ein solcher, dessen Taten sie nicht nachahmten und mit dessen Geschlecht sie sich brüsteten. Und so änderten sie die Antwort, indem sie, glaube ich, bei sich selbst sagten: so oft wir den Abraham nennen, wird er uns entgegenhalten: Warum ahmt ihr dem nicht nach, mit dessen Geschlecht ihr prahlt? Wir können dem heiligen, gerechten, schuldlosen, großen Mann nicht nachahmen; nennen wir also Gott unsern Vater, wir wollen sehen, was er darauf erwidern wird.
8.
Die Falschheit fand ohne weiteres, was sie zu sagen hatte, und die Wahrheit sollte nicht finden, was sie antworten sollte? Laßt uns hören, was sie sagen; laßt uns hören, was sie zu hören bekommen. „Einen“, sagen sie, „haben wir zum Vater. Jesus also sprach zu ihnen: Wenn Gott euer Vater wäre, so würdet ihr mich gewiß lieben; ich bin nämlich von Gott ausgegangen und gekommen. Denn ich bin nicht von mir selbst gekommen, sondern jener hat mich gesandt.“ Ihr nennet Gott ― Vater, erkennet mich wenigstens als Bruder an. Aber doch erhob er den Einsichtigen das Herz und berührte das, was er häufig sagt: „Ich bin nicht von mir selbst gekommen, jener hat mich gesandt, von Gott bin ich ausgegangen und gekommen“. Erinnert euch an das, was wir oft sagen: Von ihm ist er gekommen, und* von* dem er gekommen ist,* mit* dem ist er gekommen. Christi Sendung also ist die Menschwerdung. Der Ausgang des Wortes von Gott ist ein ewiger Ausgang; bei dem trifft die Zeit nicht zu, durch den die Zeit geworden ist. Niemand sage in seinem Herzen: Bevor das Wort war, wie war es da Gott? Sage nie: Bevor das Wort Gottes war. Gott war nie ohne das Wort, weil das Wort etwas Bleibendes, nicht etwas Vorübergehendes ist, Gott, nicht ein Schall, derjenige, durch welchen Himmel und Erde gemacht worden ist, nicht etwas, das vergangen ist mit dem, was auf der Erde gemacht worden ist. Also es ist von ihm ausgegangen als Gott, als gleich, als einziger Sohn, als Wort des Vaters, und zu uns gekommen; denn das Wort ist Fleisch geworden, um unter uns zu wohnen1187. Sein Kommen ist seine Menschheit; sein Bleiben ist seine Gottheit; seine Gottheit ist das Ziel, dem wir zueilen, seine Menschheit der Weg, auf dem wir gehen. Wenn er für uns nicht der Weg geworden wäre, auf dem wir gehen, so würden wir nie zu ihm, dem Bleibenden, gelangen.
9.
„Warum“, sagt er, „kennet ihr meine Sprache nicht? Weil ihr mein Wort nicht hören könnt.“ Darum konnten sie nicht erkennen, weil sie nicht hören konnten. Aber warum konnten sie nicht hören, als weil sie sich nicht bessern wollten durch Glauben? Und warum dies? „Der Vater, von dem ihr seid, ist der Teufel.“ Wie lange erwähnt ihr den Vater? Wie lange ändert ihr die Väter, bald den Abraham, bald Gott? Höret den Sohn Gottes, wessen Söhne ihr seid: „Der Vater, von dem ihr seid, ist der Teufel“.
10.
Hier nun muß man sich hüten vor der Irrlehre der Manichäer, welche behauptet, es gebe eine gewisse Natur des Bösen und ein Reich der Finsternis mit seinen Fürsten, das sich erkühnte, gegen Gott zu kämpfen; jener Gott aber habe, damit die feindselige Schar sein Reich nicht zerstöre, gegen dieselbe Fürsten von seinem Lichtreich gleichsam als seine Söhne gesendet, und diese Schar sei gänzlich besiegt worden, und davon komme der Teufel her. Von daher lassen sie auch unsern Leib stammen und in diesem Sinne sei, meinen sie, vom Herrn gesagt worden: „Der Vater, von dem ihr seid, ist der Teufel“, weil sie gleichsam von Natur böse wären, da sie ihren Ursprung aus der feindlichen Schar der Finsternis hätten. So irren sie, so verblenden sie sich, so machen sie sich selbst zu einer Schar der Finsternis, indem sie glauben, was falsch ist, wider den, von dem sie geschaffen sind. Denn jede Natur ist gut, aber die Natur des Menschen ist durch den bösen Willen verschlimmert worden. Was Gott gemacht hat, kann nicht böse sein, wenn der Mensch nicht selbst sich böse ist; aber allerdings der Schöpfer ist Schöpfer, das Geschöpf ist Geschöpf; das Geschöpf kann dem Schöpfer nicht gleichgesetzt werden. Unterscheidet den, der es gemacht hat, von dem, was er gemacht hat. Nicht gleich sein kann dem Schreiner die Bank, nicht gleich sein kann die Säule dem Erbauer, und doch hat der Schreiner, wenn er eine Bank anfertigte, das Holz nicht selbst geschaffen. Der Herr aber, unser Gott, hat, weil er allmächtig ist und durch das Wort machte, was er gemacht hat, zu allem, was er machte, nichts gehabt, woraus er es machte, und doch hat er es gemacht. Denn es ist geworden, weil er wollte; es ist geworden, weil er sprach, aber was geworden, kann mit dem Schöpfer nicht verglichen werden. Du suchst, was du (mit ihm) vergleichen könntest, anerkenne den einzigen Sohn. ― Wodurch also sind die Juden Kinder des Teufels? Durch Nachahmung, nicht durch Abstammung. Höret den Sprachgebrauch der Heiligen Schrift. Der Prophet sagt zu denselben Juden: „Dein Vater ist ein Amorrhäer, und deine Mutter eine Kethäerin“1188. Die Amorrhäer waren ein Volk, von dem die Juden nicht abstammten; auch die Kethäer waren ein Volk, das mit dem Stamme der Juden durchaus nichts gemein hatte. Allein weil die Amorrhäer und Kethäer gottlos waren, die Juden aber ihre Gottlosigkeiten nachahmten, nahmen sie sich Eltern, von denen sie zwar nicht abstammten, deren Sitten sie aber nachahmten, so daß sie gleichfalls verdammt wurden. Ihr fragt aber vielleicht, woher