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Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2. Augustinus von HippoЧитать онлайн книгу.

Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2 - Augustinus von Hippo


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haben“. Er scheint mir nämlich gesagt zu haben, daß sie das Leben haben sollen, indem sie eingehen, und es in Überfluß haben, indem sie ausgehen. Es kann aber niemand durch die Türe d. i. durch Christus ausgehen zum ewigen Leben, das in der Anschauung sein wird, wenn er nicht durch dieselbe Türe d. i. durch denselben Christus in seine Kirche, welche sein Schafstall ist, zum zeitlichen Leben eingegangen ist, welches im Glauben ist. Daher sagt er: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben“, d. i. den Glauben, welcher durch die Liebe wirkt1285, durch welchen Glauben sie in den Schafstall eingehen, um zu leben, weil der Gerechte aus dem Glauben lebt1286, „und es in Überfluß haben“ diejenigen, welche durch Ausharren bis ans Ende durch jene Türe d. i. durch den Glauben an Christus ausgehen, weil sie als wahre Gläubige sterben und im Überflusse das Leben haben werden, indem sie dorthin kommen, wohin jener Hirt vorausging, wo sie fortan nie mehr sterben sollen. Obwohl es also auch hier in diesem Schafstall nicht an Weide gebricht, weil wir in Bezug auf beides das Wort verstehen können: „Und er wird Weide finden“, d. h. in Bezug auf den Eingang und den Ausgang, so werden sie doch dort die wahre Weide finden, wo diejenigen gesättigt werden sollen, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit1287, eine Weide, wie sie der fand, zu dem gesagt wurde: „Heute noch wirst du bei mir im Paradiese sein“1288. Wie er aber selbst die Türe, er selbst auch der Hirt sei, so daß er dahin zu verstehen ist, er gehe gewissermaßen durch sich selbst ein und aus, und wer der Türhüter sei, das heute zu erörtern wäre zu lang und ist durch genauere Darlegung mit seiner Hilfe darzulegen.

      46. Vortrag

       Einleitung.

      Sechsundvierzigster Vortrag.

      Von da an, wo es heißt: „Ich bin der gute Hirt“ usw., bis dahin: „Der Mietling aber flieht, weil er ein Mietling ist, und er sich um die Schafe nicht kümmert“. Joh. 10, 11―13.

       1.

      Als der Herr Jesus zu seinen Schafen redete, sowohl zu den gegenwärtigen als zu den zukünftigen, die damals auch schon zugegen waren ― weil da, wo bereits Schafe von ihm waren, auch solche waren, die seine Schafe erst werden sollten ―, desgleichen zu den gegenwärtigen und zukünftigen, zu jenen und zu uns, und so viele auch nach uns seine Schafe sein werden, da zeigte er, wer zu ihnen gesandt sei. Alle also hören die Stimme ihres Hirten, wie er spricht: „Ich bin der gute Hirte“. Er würde nicht beifügen „gut“, wenn es nicht schlechte Hirten gäbe. Aber die schlechten Hirten, das sind Diebe und Räuber, oder wenigstens, wie oftmals, Mietlinge. Alle diese Personen, die er hier vorgeführt hat, müssen wir erforschen, unterscheiden, kennen lernen. Zwei Dinge hat der Herr schon ans Licht gezogen, die er gewissermaßen verschlossen vorgelegt hatte; schon wissen wir, daß die Türe er selbst ist, wir wissen, daß auch der Hirt er selbst ist. Wer die Diebe und Räuber sind, ist in der gestrigen Lesung offenbar geworden; heute aber haben wir vom Mietling gehört, wir haben auch vom Wolfe gehört; gestern ist auch der Türhüter genannt worden. Zu den guten Dingen also gehört die Türe, der Türhüter, der Hirt und die Schafe; zu den schlimmen gehören die Diebe und Räuber, die Mietlinge, der Wolf.

       2.

      Unter der Türe verstehen wir Christus den Herrn, unter dem Hirten ebenfalls ihn; wen aber unter dem Türhüter? Die ersteren zwei hat er uns nämlich selbst erklärt, den Türhüter überließ er uns zu suchen. Und was sagt er vom Türhüter? „Diesem“, sagt er, „öffnet der Türhüter“. Wem öffnet er? Dem Hirten. Was öffnet er dem Hirten? Die Türe. Und wer ist die Türe? Der Hirt selbst. Wenn Christus der Herr nicht selbst erklärt, nicht selbst gesagt hätte: „Ich bin der Hirt“, und: „Ich bin die Türe“, würde dann wohl einer von uns zu sagen sich getrauen, daß Christus selbst sowohl der Hirt wie die Türe ist? Wenn er nämlich sagen würde: „Ich bin der Hirt“, und nicht sagen würde: „Ich bin die Türe“, so müßten wir wohl zu erforschen suchen, wer die Türe sei, und würden vielleicht, etwas anderes meinend, vor der Türe stehen bleiben. Seine Gnade und Barmherzigkeit hat uns erklärt, wer der Hirte sei, er hat sich selbst damit gemeint; er hat auch erklärt, wer die Türe sei, er hat sich damit wieder selbst gemeint; dem Türsteher nachzuforschen, hat er uns überlassen. Wen werden wir als den Türhüter erklären? Wen immer wir finden mögen, wir müssen uns hüten, ihn für größer zu halten als die Türe, weil der Türhüter in den Häusern der Menschen größer ist als die Türe. Denn der Türhüter wird der Türe, nicht die Türe dem Türhüter vorgezogen, weil der Türhüter die Türe, nicht die Türe den Türhüter bewacht. Ich wage nicht, jemand größer zu nennen als die Türe, denn ich habe bereits gehört, was die Türe ist, es ist mir nicht unbekannt, ich bin nicht auf meine eigene Vermutung angewiesen, es ist mir kein menschliches Meinen gestattet: Gott hat es gesagt, die Wahrheit hat es gesagt, es läßt sich nicht ändern, was der Unveränderliche gesagt hat.

       3.

      Ich werde also betreffs dieser tiefgründigen Frage sagen, was mir richtig scheint; wähle jeder, was ihm gefällt, er möge jedoch ehrerbietig urteilen, wie geschrieben steht: „Denket von Gott in Güte, und in der Einfalt des Herzens suchet ihn“1289. Vielleicht müssen wir unter dem Türhüter den Herrn selbst verstehen. Es besteht nämlich in den menschlichen Verhältnissen ein größerer Unterschied zwischen dem Hirten und der Türe als zwischen dem Türhüter und der Türe, und doch hat sich der Herr sowohl Hirt wie Türe genannt. Warum sollen wir ihn also nicht auch als Türhüter verstehen? In der eigentlichen Bedeutung ist nämlich Christus der Herr weder ein Hirt, wie wir gewöhnlich Hirten kennen und sehen, noch auch eine Türe, denn es hat ihn kein Handwerker gemacht; im bildlichen Sinne aber ist er sowohl Türe wie Hirt; ja ich wage zu sagen, auch Schaf ist er; das Schaf ist nämlich sonst unter dem Hirten, dennoch ist er sowohl Hirt wie Schaf. Wo ist er Hirt? Siehe, hier die Stelle, lies das Evangelium: „Ich bin der gute Hirt“. Wo ist er Schaf? Frage den Propheten. „Wie ein Schaf ist er zur Schlachtung geführt worden“1290. Frage den Freund des Bräutigams: „Siehe das Lamm Gottes, siehe, das da hinwegnimmt die Sünde der Welt“1291. Noch etwas Wunderbareres möchte ich hinsichtlich des bildlichen Sinnes sagen. Das Lamm nämlich, das Schaf und der Hirt sind unter sich befreundet, gegen die Löwen aber pflegen die Hirten die Schafe zu schützen, und doch lesen wir, wie von Christus, obgleich er Schaf und Hirt ist, gesagt wird: „Der Löwe aus dem Stamme Juda hat gesiegt“1292. Dies alles, Brüder, verstehet im bildlichen, nicht im eigentlichen Sinne. Wir sehen häufig die Hirten auf einem Felsen sitzen und von da die ihnen anvertrauten Herden bewachen; gewiß ist der Hirt mehr als der Fels, auf welchem der Hirt sitzt, und doch ist Christus sowohl Hirt wie Fels. Dies alles im bildlichen Sinne. Wenn du mich aber nach dem eigentlichen Sinne fragst: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“1293. Wenn du mich nach dem eigentlichen Sinne fragst, so ist der eingeborene Sohn, vom Vater in Ewigkeit von Ewigkeit erzeugt, gleich dem Erzeuger, durch den alles gemacht ist, zugleich mit dem Vater unveränderlich und durch die Annahme der menschlichen Gestalt nicht verändert, infolge der Menschwerdung Mensch, Sohn des Menschen und Sohn Gottes. All dies, was ich gesagt habe, ist nicht Bild, sondern Wirklichkeit.

       4.

      Wir dürfen also, Brüder, kein Bedenken tragen, ihn nach gewissen Ähnlichkeiten als Türe und als Türsteher zu nehmen. Denn was ist die Türe? Die Stelle, wo wir eintreten. Wer ist der Türsteher? Der öffnet. Wer also eröffnet sich, außer wer sich selbst auslegt? Siehe, der Herr hatte die Türe genannt, wir hatten es nicht verstanden; als wir es nicht verstanden, war es verschlossen; der aufgeschlossen hat, ist der Türhüter. Es liegt also keine Notwendigkeit vor, etwas anderes zu suchen, keine Notwendigkeit, aber vielleicht ist die Geneigtheit dazu da. Wenn die Geneigtheit dazu vorhanden ist, so weiche nicht vom rechten Wege ab, trenne dich nicht von der Trinität. Wenn du eine andere Person für den Türhüter begehrst, so möchte dir wohl der Heilige Geist in den Sinn kommen; denn der Heilige Geist wird es nicht verschmähen, der Türhüter zu sein, da der Sohn sich gewürdigt hat, die Türe zu sein. Betrachte als Türhüter den Heiligen Geist; sagt ja der Herr selbst zu seinen Jüngern vom Heiligen Geiste:


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