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Zwischen den Rassen. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Zwischen den Rassen - Heinrich Mann


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      Mai nickte beruhigt. Mit einem unaufhaltsamen Lächeln des Triumphes:

      „Mit mir redet er anderes!“

      „Würdest du ihn heiraten, Mai?“ fragte Lola, kniete neben ihrer Mutter hin und strich ihr schmeichelnd über Hals und Arm.

      „Ich sehe meine Mai schon als Herzogin, in ihrem Schloss in der Sierra; sie geht auf die Jagd nach Wölfen, Adlern und ähnlichen Wappentieren.“

      Mai hatte ernsthaft nachgedacht.

      „Alles wohl überlegt,“ sagte sie, „hat auch Herr Aguirre seine Vorzüge. Er ist Abgeordneter, sehr einflussreich, und Spanien wird vielleicht Republik werden.“

      „Wie weit du denkst, Mai! Aguirre, dies ungesund rosige Baby, denkt nur an das Nächste: er will unser Geld, das Geld, das er uns zutraut. Zu viel Ehre!“

      „Du siehst zu trübe, Lola. Und ferner ist er in gesetztem Alter, und ich bin, ach, nicht mehr ganz jung.“

      „Im Gegenteil“; dabei herzte Lola ihre Mutter eifriger; „du bist so jung, dass ich mich neben dir meines Alters schäme. Schon als du mich aus der Pension abholtest, war ich, glaub’ ich, weiter im Leben als du. Die zwei Jahre aber, die wir in der Welt umhergereist sind, haben meinem Alter zehn hinzugefügt. Ich fange sogar an, hässlich zu werden.“

      „Das ist nicht wahr! Du bist die Frische selbst. Dein Alter bildest du dir ein, weil du zu viel denkst. Das könnte deine Stirn falten: gib acht. Du bist zerstreut bei der Toilette und gerade sie verlangt unsere ganze Geisteskraft. Dann hättest du dir nicht die Stirnhaare abgebrannt und wärest jetzt nicht so schwer zu frisieren.“

      Lola griff seufzend nach den krausen Härchen.

      „Ich habe schließlich doch meinen Beruf verfehlt. Oft komme ich mir vor wie ein verkleideter Mann.“

      „Das wird vergehen, wenn du heiratest. Findest du es noch nicht an der Zeit? Welche schönen Gelegenheiten hast du vorübergehen lassen! Ich weiß nicht: du bist doch so klug; aber eine Schwarze hat mehr Geschick, sich einen Mann einzufangen. Halt, gefällt dir etwa Herr Aguirre? Er scheint mich zu lieben. Meinst du nicht?“

      „Gewiss, Mai.“

      „Tatsache ist, dass er während der Regatta nicht von meiner Seite wich. Wenn du ihm aber irgendein Gefühl entgegenbringst . . .“

      Mais Stimme bebte schon wieder; Mai war schon wieder zu einem Opfer bereit und ängstigte sich davor. Lola wehrte ab; sie lachte befangen, tat ein paar Schritte; dann, ernsthaft, mit verhaltenem Zorn:

      „Du sprachst von meiner Verheiratung, und doch verlierst du sie zu oft aus dem Auge. Die Tochter einer Mutter, die sich zu gut unterhält, wird nicht leicht einen Mann finden.“

      Mai sah tief erschrocken aus; Lola schloss verzeihend:

      „Ich weiß, du verdienst keinen ernsten Tadel. Erinnere dich nur, bitte, wie leicht man sich unschuldig kompromittiert, und verspäte dich abends mit keinem der Herren mehr!“

      „Du bist streng wie dein Vater,“ sagte Mai und erschauerte. „Weißt du wohl, dass ich ihn wieder gesehen habe? Ja, gerade in der Nacht, von der du sprichst, erschien er mir.“

      Demütig bittend:

      „Willst du nicht sein Bild in dein Zimmer nehmen?“

      „Das geht nicht, Mai: es würde ihn noch mehr erzürnen.“

      Lola ging ans Fenster und sah hinaus. Frau Gabriel murmelte vor sich hin und seufzte. Eine junge Männerstimme kam von unten:

      „Fräulein Lola, ich habe alles, was Sie wünschten.“

      „Gut,“ antwortete Lola.

      „Sie bestehen im Ernst darauf?“

      „Ohne Zweifel. Wann kommen Sie?“

      „Sehr bald. In einer Stunde werden die beiden Kavaliere Ihrer Mama da sein. Empfehlen Sie mich ihr!“

      „Auf Wiedersehen!“

      „In einer Stunde: und ich bin nicht angezogen!“ rief Frau Gabriel und sprang auf. „Lola beeile dich! Welch Glück, dass wir frisiert sind.“

      Bei der Tür kehrte sie um.

      „Was denkst du über unsern Landsmann?“

      „Da Silva Dolenha?“ — und Lola fühlte sich unfrei.

      „Ja. Hältst du es für unmöglich, dass er eine von uns liebt? Er kommt täglich.“

      Da Lola schwieg:

      „Anzeichen gäbe es wohl, dass ich es bin, die er liebt.“

      Lola kam plötzlich in Bewegung.

      „Nein, Mai, diesmal irrst du. Sei versichert, der denkt nicht an dich!“

      „Ach;“ Mai war gekränkt; „wie kannst du das beurteilen. Du bist in solchen Dingen ein Kind.“

      „Mag sein. In diesem Fall aber weiß ich, wen Da Silva liebt. Wir sind Freunde, und er hat es mir gesagt.“

      „Wen denn? Mein Gott!“

      Mai stammelte, heftig enttäuscht. Lola, überlegen:

      „Das verrät man nicht unter Freunden.“

      „Freunde: was ist denn das?“

      „Du wirst es sehen. Geh, Mai, zieh dich an! Du wirst es sehen.“

      Dann rief sie nochmals:

      „Mai! . . Glaubst du wohl, dass ich leidenschaftlich bin?“

      „Du? Warum, Kind?“

      „Ich meine, weil wir von solchen Dingen sprechen . . . Nein, ich weiß gewiss, ich bin es nicht.“

      „Wie sonderbar du bist!“

      Lolas bewegte Miene blieb noch auf die Tür gerichtet, die sich geschlossen hatte. Allmählich ward ihr Blick sinnend, und sie setzte sich auf einen Koffer. Mais Mädchen trat ein und holte die Sachen ihrer Herrin. Lolas eigene lagen auf Bett und Stühlen verstreut, mit Büchern und Notenblättern dazwischen. Ein Glas mit Rosen war umgefallen; Lola erhob sich unbewusst und richtete es auf. Dann sah sie sich nach einem freien Sitz um, fand keinen und kehrte auf den Koffer zurück.

      „Mai hat’s gut,“ sann Lola. „Täglich andere Kleider: und merkt nicht, dass es eigentlich alles eins ist. So hat sie auch alle Tage eine neue Liebe; und wem immer sie gelten mag: dass es Liebe, richtige Liebe ist, daran zweifelt sie nie. Wenn ich wüsste, ob ich Da Silva liebe! Manchmal ist’s nur zu klar. Kurz darauf komme ich nach Haus und denke an etwas anderes. Aber das Manchmal ist schlimm genug: es ist beschämend. Ich werde dann melancholisch, wie in der Pensionszeit, als die dicke Jenny mir gewisse Aufschlüsse gegeben hatte . . . Ich glaube, nur äußerlich halte ich mich fester; innerlich bin ich viel lockerer als Mai. Ich glaube jetzt, sie ist die bei weitem Unschuldigere. Anfangs habe ich sie ungerecht beurteilt: es war verzeihlich. Aus der anständigen Welt Ernestes plötzlich heraus — an diese südlichen Allerweltsplätze, in ein erhitzendes Durcheinander flüchtiger Begierden: jeden Tag, den ich mich nicht amüsierte, sah ich als verloren an; nur der Ehrgeiz, durch meine so plötzlich entdeckte Stimme groß zu werden, erhob mich noch; (und auch er schwindet schon, und ich will mit dem Singen heute fast nichts mehr erreichen als meine Unabhängigkeit . . .) Und nun die Frau neben mir, die ebensolch taumelndes Instinktwesen war wie die andern, ohne die Würde eines Geistes, das war meine Beschützerin, meine Freundin, meine ganze Familie, das war Mai, die schöne Mai, die ich in allen meinen Kindheitserinnerungen so poetisch in ihrer Hängematte liegen sah! Der einzige Mensch, an den ich geglaubt hatte! Ich weiß noch, wie empört ich war. Davon also hatte sie geträumt in ihrer Hängematte! Kaum ist Pai tot, stürzt sie sich, ihrer Freiheit froh, in die dümmste Unenthaltsamkeit! Um Pais willen war ich empört und bereit, sie zu hassen. Wie argwöhnisch solch ganz junges, unerfahrenes Mädchen das


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