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Virginia und der ehescheue Graf. Barbara CartlandЧитать онлайн книгу.

Virginia und der ehescheue Graf - Barbara Cartland


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      »Ich will damit sagen«, antwortete Lord Melbourne zögernd, als suche er nach den richtigen Worten, »daß ein Mann an seine zukünftige Frau gewisse Ansprüche stellt. Vor allem möchte er, daß sie rein und unberührt in die Ehe geht. Jeder trägt ein Ideal in seinem Herzen, und er will, daß die Frau, die einmal seinen Namen trägt, diesem Ideal entspricht.«

      »Rein und unberührt!« wiederholte Lady Genevieve fassungslos.

      Sie konnte ein höhnisches Lachen gerade noch zurückhalten, denn ihr fiel ein, daß dies in der Tat das gewesen war, was Lord Melbourne bei Caroline Ponsonby gesucht hatte und was er an der Königin liebte.

      Sie wußte, es hatte viele Frauen in seinem Leben gegeben. Und doch war er im Grunde seines Herzens ein Idealist, der in einer jungen, unreifen, kindhaften Frau die Verkörperung seiner Träume sah.

      Sie schluckte die Worte hinunter, die ihr auf der Zunge lagen, und bemerkte: »Es ist ein wenig spät, von mir zu erwarten, daß ich noch einmal so sein könnte, wie ich mit siebzehn war.«

      »Das ist richtig«, stimmte Lord Melbourne ihr zu. »Und Helstone mag deine Leichtfertigkeit, deine Mißachtung der Konventionen und deine Ungebundenheit durchaus interessant finden. Doch bist du ganz sicher, daß er diese Eigenschaften auch bei seiner zukünftigen Frau sucht?«

      »Er wird mich heiraten«, erklärte Lady Genevieve eigensinnig.

      Lord Melbourne seufzte.

      »In diesem Fall gibt es nichts mehr zu sagen, meine Liebe.«

      Er sprach die Worte mit einem charmanten Lächeln, und Lady Genevieve sprang auf, lief auf ihn zu und legte ihm die Hände auf die Schultern.

      »Wenn Osric mich heiratet, Vetter William, werde ich mir alle Mühe geben, mich zu bessern, auch in meinem Verhalten zu anderen. Und als seine Frau wird niemand mir den Zutritt bei Hofe verwehren können.«

      »Nicht, wenn du dich entsprechend verhältst.«

      »Du kannst dich auf mich verlassen«, versprach Lady Genevieve. »Und du wirst dafür sorgen, daß ich zur Krönung geladen werde, nicht wahr?«

      »Das ist unmöglich«, erwiderte Lord Melbourne. »Es sei denn, dein Verlöbnis mit dem Earl würde noch vor dem achtundzwanzigsten Juni bekanntgegeben.«

      Lady Genevieve preßte die Lippen zusammen.

      »Ich habe also noch eine Galgenfrist«, flüsterte sie mit belegter Stimme. »Na schön, ich werde sie verdammt gut nutzen. Darauf können Sie sich verlassen!«

      »Und versuche, nicht zu fluchen«, mahnte Lord Melbourne. »Die Queen wie viele junge Mädchen ist äußerst entsetzt, wenn jemand in ihrer Gegenwart einen Fluch benutzt.«

      »Wie können Sie das nur ertragen, Vetter William?« fragte Lady Genevieve. » Sie und all die anderen?«

      Lord Melbourne zögerte, bevor er antwortete.

      »Ich bin der festen Überzeugung, daß alles, was ich in meinem Leben gelernt habe, alles Wissen und alle Erfahrungen, die ich zusammengetragen, alles Schwere, das ich erlitten habe, nur einen Sinn hatte: einer jungen Frau zu dienen, die einmal - davon bin ich felsenfest überzeugt - eine große Königin werden wird.«

      »Glauben Sie das wirklich?«

      »Ja«, sagte er schlicht. »Und was noch wichtiger ist: Sie vertraut auf mich.«

      Lady Genevieve schwieg.

      Sie erinnerte sich daran, daß jemand ihr erzählt hatte, nach Meinung der Queen sei Lord Melbourne der aufrichtigste, liebenswürdigste und verständnisvollste Mann der Welt.

      Nachdem der Premierminister sich mit einem zärtlichen Kuß von ihr verabschiedet hatte, ergriff Lady Genevieve eine wertvolle Alabasterstatue und schmetterte sie wütend zu Boden, so daß sie in tausend Stücke sprang.

      Dann begann sie laut und heftig zu fluchen.

      Sie verfluchte den Hof, die verleumderischen alten Weiber, die in alles ihre Nase steckten und der Queen mit ihren ewigen Skandalgeschichten unablässig in den Ohren lagen.

      Als Lady Genevieve den Salon verließ, standen die Diener mit schreckensbleichen Gesichtern wie erstarrt in der Nähe der Tür, während die Zofen sich auf dem Treppenabsatz versammelt hatten und in ein unterdrücktes Kichern ausbrachen.

      Immer noch fluchend stieg Lady Genevieve in den ersten Stock hinauf und betrat ihr Schlafzimmer, das gerade von zwei Zofen in Ordnung gebracht wurde. Wütend warf sie die Tür ins Schloß und stürzte sich auf die beiden wie eine Furie. Der jüngeren versetzte sie einen Schlag ins Gesicht, die andere traktierte sie mit einer Haarbürste. Weinend lief das Mädchen aus dem Zimmer.

      Der Wutausbruch schien Lady Genevieve gutgetan zu haben, denn eine halbe Stunde später, als ihr der Besuch Lord Helstones gemeldet wurde, bedachte sie das Mädchen mit ihrem strahlendsten Lächeln. Sie wirkte schön und begehrenswert wie immer.

      Als sie die Treppe ins Erdgeschoß hinunterstieg, trug sie ein reich besticktes und mit Samtschleifen geschmücktes Musselinkleid. Über dem Arm hing ein spitzenbesetzter Seidenschal, und in der Hand hielt sie einen sogenannten Kiepenhut mit prächtigen bunten Hahnenfedern und einem feinen Schleier, der ihr Gesicht nur zart verhüllen würde.

      Stolz betrat sie zum zweiten Mal an diesem Tag den Salon.

      Lord Helstone stand an derselben Stelle vor dem Kamin, wo auch Lord Melbourne auf sie gewartet hatte.

      Er wirkte äußerst elegant in dem modisch geschnittenen Cutaway und mit dem hohen, blütenweißen Hemdkragen unter dem markanten Kinn.

      Als ihr Blick auf ihn fiel, bemerkte Genevieve zum ersten Mal eine Ähnlichkeit zwischen den beiden Männern.

      Ja, sie hatten etwas Gemeinsames. Es war die Atmosphäre weltmännischer Überlegenheit, die sie umgab. Von beiden ging ein Strom der Selbstsicherheit und Autorität aus. Nichts vermochte sie aus der Ruhe zu bringen. Und es schien für sie keine Situation zu geben, der sie nicht augenblicklich gewachsen waren.

      Lady Genevieve schloß die Tür hinter sich und blieb stehen, den Kopf so gedreht, daß ihr Profil am wirkungsvollsten zur Geltung kam.

      Sie wußte, daß die Eleganz ihres Kleides und die Schönheit ihrer Erscheinung ihren Eindruck auf ihn nicht verfehlen würden.

      Lord Helstone besaß einen außerordentlich feinen Blick für Schönheit in jeder Form.

      »Ich habe mich schrecklich nach dir gesehnt, Osric«, sagte sie schließlich mit einschmeichelnder Stimme.

      »Ich wollte mit dir sprechen, Genevieve.«

      Lady Genevieve ging auf den Earl zu.

      Als sie dicht vor ihm stand, hob sie das Gesicht mit einem schmachtenden Ausdruck zu ihm empor.

      »Sind Worte denn so wichtig?« flüsterte sie.

      Er blickte auf sie nieder, in seinen Augen stand ein harter Glanz.

      »Nimm Platz, Genevieve. Es gibt einige Dinge, die wir unbedingt miteinander besprechen sollten.«

      Er sah das leichte Flackern, die Abwehr in ihrem Blick. Dann zuckte sie die Achseln warf schmollend die Lippen auf und ließ sich auf dem Sofa nieder.

      Sein sachlicher Ton hatte sie gekränkt, aber sie wollte es nicht auf eine Auseinandersetzung ankommen lassen.

      »Ich höre«, erklärte sie mit einem schnippischen Unterton.

      »Als wir das letzte Mal zusammen waren«, begann der Earl, »machtest du die Andeutung, daß du ein Kind von mir erwartest.«

      Lady Genevieve lächelte.

      »Das ist wahr«, sagte sie. »Ich dachte, es würde dich glücklich machen. Stell dir vor - ein Erbe, ein Sohn, der deinen Namen tragen wird! Ist es nicht das, was jeder Mann sich wünscht?«

      »Unter gewissen Umständen ja«, stimmte der Earl zu. »Ich möchte auf jeden Fall sicher sein, daß


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