Sammelband 5 eisenharte Western Juni 2019. Pete HackettЧитать онлайн книгу.
die Lippe.
„Ja, das vermute ich und das meinte ich auch vorhin.“ Tom Calhoun wandte sich dem Mädchen zu und sah, dass auch ihr Gesicht die Farbe verloren hatte. Er fragte sich, wie sie zu Cory stehen mochte.
Al Dreek stieg brummend auf den Bock. Knarrend bewegte sich das Gefährt in den Federn.
Der Postmeister stand vor der Station. Grüßend hob er die Hand und rief: „Gute Fahrt!“
Mit einem lauten Knallen strich die Peitsche durch die Luft.
„Vorwärts!“, rief der Kutscher. Die Pferde stemmten sich in die Sielen und zogen an. Rumpelnd setzte sich die Kutsche in Bewegung. Staub quoll hinter den Rädern in die Höhe.
*
Drückend lastete die Hitze über der Prärie. Kein Lufthauch bewegte das Gramagras rechts und links der Poststraße. Drinnen in der Kutsche war es fast unerträglich heiß. Dem Spieler rann der Schweiß in Bächen über das Gesicht. Auch Lola Starr wischte sich immer wieder mit einem bereits völlig durchnässten Taschentuch über das Gesicht. Der von den Pferden und Rädern aufgewirbelte Staub wehte an den glaslosen Fenstern vorbei und herein. Er machte den Menschen in dem Gefährt das Atmen schwer.
Immer wieder glitt Tom Calhouns Blick hinaus in die endlose Prärie. Doch nirgends konnte er etwas Verdächtiges entdecken.
Es war bereits Mittag, als die Kutsche an einem kleinen, halb ausgetrockneten Creek hielt. Der Fahrer war vom Bock geklettert und ließ die Pferde saufen. Auch die Insassen der Kutsche stiegen aus.
Cory trank aus seiner Flasche und reichte sie dann dem Mädchen. Tom Calhoun, der das gesehen hatte, vermutete, dass das Wasser bald kochen musste. Er wandte sich um, kniete am Fluss nieder und trank. Als er sich wieder aufrichtete, sagte er: „Ich glaube. das Flusswasser ist kälter. Miss!“
Lola blickte ihn an und versuchte zu lächeln. Doch es gelang ihr nicht recht. Mit einer müde wirkenden Bewegung gab sie Cory die Flasche zurück. Dann bückte sie sich und schöpfte das Wasser mit den hohlen Händen.
Wachsam spähte Tom zu den Büschen hinüber, die etwa dreihundert Yard entfernt waren. Mit raschen Schritten ging er zur Kutsche zurück.
Nichts geschah.
„Wer Hunger hat, muss sich melden“, sagte der Kutscher.
Niemand antwortete ihm.
„Dann fahren wir weiter. Wir müssen uns beeilen, wenn wir es vor Anbruch der Dunkelheit bis zur Station schaffen wollen. Die Pferde sind nicht sehr schnell bei dieser Hitze.“
Kaum war der letzte in die Kutsche gestiegen, setzte sie sich sofort wieder rumpelnd in Bewegung Al Dreek lenkte die Pferde in den Creek hinein. Als sie auf der anderen Seite waren, fuhr die Peitsche laut knallend durch die Luft. Schnaubend zogen die Pferde das Gefährt zum trockenen Uferstreifen hinauf. Immer näher rückten die Büsche. Tom Calhoun hatte das Gewehr schussbereit in der Hand. Langsam fuhr die Kutsche an den Büschen vorbei. Nichts geschah.
Ben Warthon richtete sich etwas auf. Klirrend bewegte sich die kurze Kette zwischen seinen Handgelenken.
Cory grinste ihn an.
„Machst du es schon lange?“ fragte er.
„Überhaupt nichts habe ich gemacht!“, schrie Ben ihn an. „Ich habe damit nichts zu tun, verdammt. Ich war nur auf der Suche nach einem Job als Cowboy.“
„Um als Cowboy Arbeit zu finden, hättest du doch nicht hierher reiten müssen“, entgegnete Tom Calhoun leise. „Nicht mitten im Sommer.“
Ben Warthons Augen funkelten ihn zornig an.
„Ich wusste, warum ich soweit von zu Hause fortreite!“
„Wirklich?“
„Natürlich. Ich wollte nicht, dass mich mein Vater zurückholt. Das hätte er in Colorado sicher gemacht. Dort wäre es für ihn ziemlich einfach gewesen, mich zu finden. Er hat nun mal etwas dagegen, alle Arbeit allein machen zu müssen. Er ist ein kleiner Farmer.“
„Du hast es jedenfalls erklärt“, sagte Tom Calhoun. „Doch deine Erklärung leuchtet mir nicht ganz ein. So viele Ranches, wie es in Texas gibt, konnte dein Vater nicht nach dir absuchen. Außerdem ziehen Rindertrecks nach Norden. Ein junger Mann wie du findet hundert Möglichkeiten, zu verschwinden. Ich glaube auch nicht, dass ein kleiner Farmer viel Zeit haben würde, nach seinem verschwundenen Sohn zu suchen.“
Ben Warthon hatte die Lippen fest aufeinandergepresst, so dass sie wie ein schmaler Strich in seinem Gesicht standen. Blitze schossen aus seinen Augen. Tom Calhoun hatte auf einmal das Gefühl, als würde der Junge anfangen, ihn zu hassen.
„Man hört überall, dass Texaner stolz sind und sich vor dem Tod nicht fürchten“, meinte Cory. „Es hat nun mal nicht geklappt, mein Junge, damit musst du dich abfinden.“
Schweigen herrschte in der Kutsche, die langsam schneller wurde.
„Wie gut, dass keiner von uns weiß, was noch alles passiert“, sagte der Spieler in die Stille. Langsam wandte er den Kopf und blickte Tom Calhoun mit einem dünnen Grinsen an.
Plötzlich fiel die Kutsche krachend mit dem Hinterrad in ein Loch. Lola Starrs Kopf wurde gegen die Wand geschleudert. Ein Schrei entfuhr ihren Lippen.
„Man sollte hier unten endlich eine Eisenbahn bauen“, sagte Cory. „Wegen achtzehntausend Dollar würden sich Banditen wohl kaum der Gefahr aussetzen, einen Zug anzuhalten. Was meinen Sie dazu, Calhoun?“
„Das weiß ich ebensowenig wie Sie, Cory. Dafür weiß ich aber eins: es handelt sich um sehr viel Geld. Um mehr, als die meisten Männer jemals auf einen Haufen gesehen haben. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie auch zu diesen Leuten gehören, Cory.“
„Sie reden einen Blödsinn, Calhoun. Sie müssten wissen, dass einem Spieler viel Geld durch die Hände geht. Ich habe gewonnen und verloren. Geld hat mir nie viel bedeutet.“
„Und das soll ich Ihnen glauben, Cory? Den Gefallen kann ich Ihnen aber nicht tun. Für einen Spieler ist hier ein schlechtes Arbeitsfeld. Das wissen wir beide. Wer ein guter Kartenhai ist, der bleibt heute in Kansas. Aber Sie haben Kansas verlassen.“
Tom Calhoun blickte von Cory auf das Mädchen. Er hatte das Gefühl gehabt, von ihr scharf beobachtet zu werden. Jetzt wandte sie schnell den Kopf und blickte zum Fenster hinaus, vor dem der wehende Sand vorbeizog und wie eine endlose Fahne hinter der Kutsche in der Luft hing.
„Sie scheinen sich ja für einen Mann zu halten, der über alles Bescheid weiß, Mr. Calhoun“, knurrte der Spieler.
Tom Calhoun zuckte die Schultern.
„Ich bin in meinem Leben vielen Menschen begegnet, Cory. Das ist alles. Ich glaube die Menschen zu kennen. Und ich wette mit Ihnen, dass Sie keine fünfzig Dollar Ihr Eigentum nennen.“
Der Spieler nahm diese Worte gelassen entgegen. In seinem Gesicht zuckte kein Muskel.
„Ich glaube nicht, dass Sie das etwas angehen kann, Calhoun.“
„Natürlich nicht. Nur unter den gegebenen Umständen verändert sich die Lage entscheidend. Wir sprachen doch von den achtzehntausend Dollar.“
„Man könnte Ihre Worte als Beschuldigung auffassen“, sagte das Mädchen und wandte ihren Blick wieder dem Inneren der Kutsche zu. „Wenn Sam es dem Richter erzählen würde, müsste der Sie deswegen zur Rechenschaft ziehen.“
„Ich glaube nicht, dass er es dem Richter erzählen wird“, sagte Tom und lächelte auf eine harte, wissende Art.
„Woher wollen Sie denn das wissen?“, entgegnete das Mädchen heftig.
„Fragen Sie doch Cory, Miss Starr. Er wird Ihnen bestätigen, dass er nicht die Absicht hat, es dem