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target="_blank" rel="nofollow" href="#ulink_e9c0f8b5-3301-5d72-8801-1f4a3bc27304">32.Der Inhalt dieses 11. Kapitels hängt durchaus mit der Frage nach dem Begriffe der Glückseligkeit zusammen. Je nachdem man ihn faßt, muß es sich entscheiden, ob sie in diesem Leben erreichbar und als vorhanden erkennbar ist oder nicht. Die bekannte Mahnung des Solon, vor dem Tode niemanden glücklich zu preisen, erfährt eine berechtigte Kritik. Da die Glückseligkeit oder sollen wir sagen das Lebensglück in tugendgemäßer Tätigkeit besteht und die Tugend ein fester Besitz ist, fester beinahe als alles andere im Leben, so ist sie ebenso erreichbar und als vorhanden erkennbar wie dauerhaft und beständig. Das äußere Wohlergehen gehört freilich auch zum Lebensglück, und insofern als dieses eine ungewisse Sache ist, kann man ja sagen, daß die Entscheidung, ob ein Leben glücklich war, erst bei dessen Ende gefällt werden kann. Aristoteles macht nun auch einige Bemerkungen über die Eudämonie nach dem Tode, die vielfach arg mißverstanden worden sind, als ob es ihm zufolge ungereimt wäre, überhaupt von einer Glückseligkeit Verstorbener zu reden, und die Seele, wenn sie etwa nach dem Tode fortbestehen sollte, doch aller Tätigkeit beraubt wäre. Ebenso wird nicht immer gut verstanden was er von dem Zusammenhang der Verstorbenen mit den Überlebenden sagt. Man bemerke also, daß er in der Ethik von der hienieden und im Staate erreichbaren Glückseligkeit redet. Es ist das Glück, dessen der Mensch als Mensch und Bürger fähig ist, das den Vorwurf und das Ziel der Sitten-, Rechts- und Staatslehre ausmacht. Nach dem Tode besteht der Mensch als Mensch so wenig fort wie als Bürger, weil Mensch der Verein von Leib und Seele ist. Darum will man ja auch das Wort Eudämonie lieber mit Lebensglück als mit Glückseligkeit wiedergeben, weil eben das diesseitige Glück gemeint ist. Dieses besteht in tugendgemäßer menschlicher Tätigkeit. Dieselbe hört aber offenbar nach dem Tode auf. Es konnte Aristoteles Absicht nicht sein, die Unsterblichkeit zu läugnen, einmal weil die Frage von der Unsterblichkeit in die Ethik, wie er sie behandelt, nicht gehört und es seiner streng systematischen Manier widerspräche, an diesem Orte die Unsterblichkeit stillschweigend und als wäre es so selbstverständlich, preißzugeben; dann auch, weil sie anderwärts von ihm ausdrücklich oder stillschweigend ausgesprochen und in der Psychologie mit Sorgfalt bewiesen wird. Er gehörte nämlich zu den jetzt, nach Kant und Schopenhauer, für rückständig geltenden Menschen, die in allem Ernste glauben, die Unsterblichkeit wissenschaftlich beweisen zu können. Aristoteles konnte aber auch mit der Bemerkung, es sei ungereimt, von einer Eudämonie Verstorbener zu reden, nicht sagen wollen, es gebe überhaupt keine Glückseligkeit für sie. Denn dem widerspricht der Schlußsatz dieses Kapitels: mag was im Leben geschieht, die Todten berühren oder nicht, es kann auf keinen Fall ihre Glückseligkeit in Unglückseligkeit verwandeln. Was nun seine Reflexionen über den Zusammenhang der Verstorbenen mit den diesseitigen Vorgängen betrifft, so bedenke man, daß die Verstorbenen für diese Welt, der allein die Aufmerksamkeit unseres Ethikers zugewandt ist, nur im Andenken der Nachwelt fortleben, und daß sie demnach nur insofern von den diesseitigen Vorgängen berührt werden, als dieselben ihr Ansehen fördern oder schädigen. Dahin gehören also die Ehrungen und Diffamationen der Verstorbenen selbst; dann die gute oder schlechte Führung ihrer Hinterbliebenen und Freunde, sowie auch deren Glück oder Unglück. Denn auch das muß in gewisser Weise ihr Ansehen mehren oder mindern.
33.Vgl. Kapitel 3 Anm. 17.
34.Da mit diesem Kapitel der Kern des Buches, die Erörterung der Tugend, beginnt und die Tugend wie sie hier gemeint ist, der Seele angehört, so wird zum besseren Verständnis einiges aus der Seelenlehre vorausgeschickt. Sogar der Staatsmann, meint Aristoteles ganz im Sinne der sokratischen Philosophie, müsse einigermaßen in der Seelenlehre zu Hause sein. So unterscheidet er denn den rationalen und den irrationalen Seelenteil, das ist einerseits Verstand und Willen, anderseits Sinnlichkeit und vegetatives Vermögen. Die beiden Seiten des rationalen Teils entsprechen den beiden Klassen der Tugend, den dianoëtischen und den Charaktertugenden, die er vom 2. Buche an behandelt. Hier aber, an unserer Stelle, schickt er, wieder im Interesse der Systematik, die Bemerkung voraus, es müsse in unserer Disziplin unentschieden bleiben, ob die Seelenteile wie Teile des Körpers von einander getrennt oder nur dem Begriffe nach verschieden sind. Plato hatte die Vernunft in den Kopf verlegt, den Zorn oder Eifer oder wie man auch sagt, den iraszibeln Seelenteil in den oberen, die Begierde oder Lust oder den konkupiszibeln Seelenteil in den unteren Teil des Rumpfes, Timäus 69. Aristoteles will die Möglichkeit offen lassen, daß die Seelenvermögen sich nicht dem Orte und dem Subjekte, d. h. dem Träger nach unterscheiden, sondern nur dem Begriffe nach, wie die innere und die äußere Seite einer Kreislinie. Dieses Bild muß man richtig verstehen. Die Seelenkräfte, Verstand und Sinnlichkeit, sind auf keinen Fall nur der Betrachtungsweise nach verschieden, sondern real als zwei Vermögen der einen und ungeteilten Seelensubstanz, ja, sie sind auch ihrem Träger nach verschieden, insofern der Verstand ausschließlich im Geiste seinen Sitz hat, die Sinnlichkeit aber in dem Ganzen aus Geist und Körper.
35.Vgl. VII, 11, 2. Absatz.
36.Das griechische Wort, das Gewohnheit heißt, lautet έθος mit kurzem e, das griechische Wort, das sittlich heißt, lautet ηθικός mit langem e.
37.Nämlich VI, 1 ff.
38.Dies ist selbstverständlich und wie auch gleich der folgende Satz und die folgende Begründung zeigt, nicht so zu nehmen, als ob Lust und Unlust oder Lust- und Unlustgewährendes der eigentliche Gegenstand wäre, dem gegenüber sich jede sittliche Tugend betätigt; die Gerechtigkeit hat es vielmehr mit den Pflichten gegen den Nächsten, der Mut mit dem Verhalten gegenüber Gefahren und Schwierigkeiten zu tun; wohl aber ist Lust und Unlust am rechten Ort das Ziel jeder sittlichen Tugend, insofern sie darin besteht, sich am Guten zu freuen und über das Schlechte Leid zu empfinden. Vgl. VII, 12.
39.Plato sagt am Anfang des 2. Buches der Gesetze, die rechte Erziehung beginne damit, den Seelen der Kinder schon vor dem Vernunftgebrauch die rechte Lust und die rechte Liebe, die rechte Unlust und den rechten Haß einzuflößen.
40.Nämlich die sittliche Tugend oder die Charaktertugend im Unterschied von der Verstandestugend.
41.Wie der Ausspruch des Heraklit wörtlich gelautet hat, ist mir unbekannt. Die Übersetzer verweisen wohl auf Heraklits Fragment 85 (H. Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker), eine Stelle, die auch Politik V, 11. 1315a 30 vorkommt: »Mit dem Zorn, θυμός, ist schwer kämpfen; denn er setzt die Seele ein«. Aber dieser Ausspruch dürfte kaum hieher passen.
42.Der Weg zur Tugend besteht also nicht in hohen Worten, sondern in treuer fortgesetzter Übung. A force de forger on devient forgeron, sagt ein französisches Sprüchwort.
43.Bekanntlich ein durch seine Kraftleistungen wie sein Eßvermögen gleich berühmter Athlet.
44.Die Tugend wie die Natur sicherer und besser als alle Kunst – sicherer, weil sie kraft der Gewohnheit zur anderen Natur wird, und die Natur immer auf eines geht, während die Kunst auf grund des den Künstler leitenden allgemeinen Begriffs auf dies und jenes gehen kann; besser, weil sie zum Guten geneigt macht, während die Kunst auch wohl mißbraucht wird.
45.Bezugnahme auf die Reihe der zehn pythagoreischen Doppelbegriffe: Lust, Finsternis, Einheit, Vielheit u. s. w., von denen die einen Prinzipien