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Warnung vor Büchern. Erzählungen und Berichte. Ханс ФалладаЧитать онлайн книгу.

Warnung vor Büchern. Erzählungen und Berichte - Ханс Фаллада


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Kaff.

      Ich lief die ganze Nacht und das beste Stück des nächsten Tages mit viel Kohldampf im Bauch. In all den Taschen hatte sich nicht ein Groschen gefunden, nicht eine Tabakskrume, ich bekam mal wieder einen richtigen Begriff von diesen Kerlen auf dem Lande.

      Schließlich kam ich auch so nach Kassel, drückte mich auf den Wartesälen herum, aber es roch da sauer nach Schmiere, so machte ich, dass ich wieder fortkam und lief durch die Straßen. Ich kannte in Kassel keinen Schwanz und keine Gelegenheit, aber irgendetwas musste ich drehen und das heute Abend noch, soviel war klar. Ich kam durch verschneite Anlagen, in denen fast kein Mensch war, es wurde schon dunkel, dann durch Villenstraßen, dann in ein Arbeiterviertel.

      [95]Einmal kam ich hinter einen Rollwagen, er hielt bald da, bald dort, und lud seine Kisten ab. Waren die Kollis zu groß, so half auch der Kutscher dem Ablader, gemeinsam trugen sie die Kiste ins Haus.

      Ich suchte mir ein Frachtstück aus, nicht zu groß, so ein Dings, das aussah, als könnte was drin sein, mich in Gang zu bringen. Die Kiste schnappte ich mir ruhig, als die beiden im nächsten Haus waren, und ging in einen Torweg. Da war eine Kellertreppe, ich stieg hinunter und setzte mich vor den Keller.

      Nun kam es darauf an, ob die Brüder gleich merken würden, dass die Kiste fehlte. Aber eine halbe Stunde verging und nichts rührte sich. So machte ich mich dann mit meinem Kolli auf die Socken. Ich kam wieder durch die Proletengegend, dann durch die Villenstraßen. Unterwegs simulierte ich, was drin sein konnte. Es war viel leichter, als ich taxiert hatte, höchstens dreißig Kilo. Bloß nichts zu saufen, dachte ich. Denn dann betrank ich mich mit meinem hohlen Magen und wurde gekitscht, soviel war klar.

      In den Anlagen war es still und dunkel, es schneite, kein Mensch zu sehen. Hinter einem Gebüsch warf ich die Kiste ab. Sie war mit einem Eisenband zugemacht, verdammt schwer aufzukriegen. Ich musste einen Holzschuh als Hammer nehmen, natürlich ging die Sohle zu Bruch.

      Ich spannte nicht schlecht, als ich unter den Deckel fasste, aber es war schon richtig: Flaschen! Ich steckte mir ein paar ein und ging zur nächsten Laterne. Dralles Birkenhaarwasser! Es gab Schlimmeres, aber viel Marie brachte die Sore nicht. Als ich mir die Taschen vollsteckte, merkte ich, dass doch noch anderes in der Kiste war, ich geriet auf Kartons, in denen Parfüms und Seifen waren, so [96]Geschenkpackungen zu Weihnachten. Auch davon steckte ich Proben ein, warf auf die Kiste Schnee, zog den kaputten Holzschuh an und ging wieder los.

      Bei den Proleten suchte ich mir einen Babutz, das Geschäft war schon zu, aber ich klingelte an der Wohnung und fragte die Frau nach dem Meister. Ich möchte gern noch rasiert werden. Sie ließ mich rein, ich sah ihr wohl so aus, als könnte ich Rasieren brauchen.

      Ich sah gleich, dass ich den Richtigen gefasst hatte, so einen kleinen Gelben, der gern was verdient, wenn es nichts kostet. Von Rasieren sagte ich nichts mehr, ich zog meine Proben aus der Tasche und fragte, ob er die Sachen brauchen könnte. Die Frau stand dabei und sah mich nur an, sie hatte auch schon gemerkt, dass mein einer Holzschuh kaputt war.

      Erst tat er zach, mit so ein bisschen Kram gebe er sich nicht gern ab. Ich meinte, wo das herkäme, wäre vielleicht noch mehr. Er gab mir zehn Mark und wollte aufbleiben, bis ich wiederkäme, lieh mir auch einen Rucksack, dass ich nicht nachts mit der Kiste über die Straße zu schleppen brauchte.

      Alles ging glatt, ich kriegte noch neunzig Mark und er rasierte mich, die Frau gab mir ein Essen und, ohne dass ich ein Wort sagte, ein Paar Trittlinge von ihrem Mann.

      Dann ging ich in eine Kneipe, wo Musik und Weiber und die richtigen Jungens waren. Ich trank diesen Abend fast nichts, alles ging gut, ich schlief mit einer kleinen Blonden, die mir noch Hemd, Kragen und Schlips von ihrem Stenz schenkte.

      Aber in der Nacht fingen die Schmerzen in den Füßen wieder an. Zwei Tage hielt ich’s aus, dann ging ich zum [97]Arzt. Der sagte, so etwas hätte er noch nicht gesehen. Vier Zehen wurden mir abgenommen, aber das war da nicht mehr schlimm, ich hatte schon wieder reichlich Kies und gute falsche Flebben.

      (Knast = Strafhaft, Zet = Zuchthaus, Betteln mit der Waffe = Raub, stiften gehen = fliehen, stikum = zuverlässig, Stubben = zahlender Kunde der Dirnen, trampeln = bedrohen, erpressen, filzen = körperlich visitieren, türmen = fliehen, Bruch = Einbruch, Sore = Diebesgut, Trittlinge = Schuhe, Stenz = Zuhälter, Flebben = Ausweispapiere.)

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