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Blutblume. Louise Boije af GennäsЧитать онлайн книгу.

Blutblume - Louise Boije af Gennäs


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wen ahmte ich nach?

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      Samstag saßen wir lange in Schlafanzügen am Frühstückstisch und aßen selbst gebackenes Roggenbrot, ganz wie Mama versprochen hatte. Lina erzählte vom Stall und den anderen Mädchen dort. Ich konterte mit Storys über Sixten, Siv und Jalil aus Vällingby, dann über Eva und Gullbritt aus dem Café und schließlich erzählte ich von Bella, Roger, Pelle und den anderen bei Perfect Match. Ich war erst so kurz in Stockholm und hatte schon hinter die Kulissen so unterschiedlicher Welten geschaut, Mama und Lina amüsierten sich königlich über meine Geschichten.

      »Sie hat den Laptop einfach auf den Steinboden geknallt?«, fragte Lina beeindruckt. »Sie klingt supercool!«

      »Sie klingt superdumm«, warf Mama mit hochgezogenen Augenbrauen ein. »Und ziemlich verwöhnt. Muss die Firma etwa für ihre Wutausbrüche aufkommen?«

      »Nein, das zahlt sie selbst«, antwortete ich. »Ihr gefällt das ja selbst nicht.«

      »Das kann ich gut verstehen«, sagte Mama.

      »Jetzt hör aber auf«, sagte Lina. »Jeder hat Makel.«

      »Alle außer meiner großen Schwester«, sagte ich. »Sprich mir nach: Alle aus meiner großen Schwester

      »Du bist verrückt«, grinste Lina.

      Mama legte ihre Hand auf meine.

      »Schön, dich hier zu haben«, sagte sie. »Nicht wahr, Lina?«

      Lina nickte. Dann stand sie auf und umarmte mich. Ein Moment, in dem mich das Gefühl beschlich, dass ich wieder nach Hause ziehen sollte. Aber das Gefühl kam und ging.

      »Kommt mich doch mal in Stockholm besuchen«, schlug ich ihnen vor. »Erst mal muss ich natürlich eine Wohnung finden. Aber das wäre doch toll mit euch zu Besuch!« Lina schaute mir tief in die Augen, die Hände auf meine Schultern gelegt, und sprach eindringlich, als wolle sie mich hypnotisieren.

       »Du musst Prioritäten setzen! Finde zuallererst eine neue Unterkunft!«

      »Ich gebe mein Bestes.«

      Als wir uns gerade daranmachten, den Tisch abzuräumen, klingelte es an der Tür. Lina ging hin, um zu öffnen.

      »Sara!«, rief sie über die Schulter. »Sally ist da!«

      Sofort sank meine Laune. Wieder wurde mir der alte Wischlappen über den Kopf gezogen, der nur so nach Schimmel und der Nässe der vergangenen Jahre stank. Ich holte tief Luft und bemerkte, dass Mama mich beobachtete.

      »Reiß dich zusammen«, flüsterte sie. »Sally ist deine älteste Freundin.«

      Also ging ich in den Flur, wo Sally stand und aussah, wie sie immer ausgesehen hatte: gut gebaut, Stupsnase, massenweise Kajal um die Augen und wunderbar gelaunt, aber gleichzeitig bereit, sofort auszuholen. Eine Unzahl Erinnerungen aus Unter-, Mittel- und Oberstufe prasselten auf mich ein.

      Als wir klein waren, waren Sally und ich richtig gute Freundinnen gewesen, aber je älter wir wurden, desto mehr ließ unsere Freundschaft nach. Sally wurde immer kaltschnäuziger, und ich blieb eine feige Streberin, weshalb sie sich auf meine Kosten durchsetzte. Ich erinnerte mich deutlich daran, wie Sally mich dafür aufzog, dass ich so viel lernte, dass ich keinen Freund hatte, dass ich mich weder für Kleidung noch Make-up, noch Rauchen und Trinken interessierte. Und daran, dass ich mich gezwungen fühlte, die Zähne zusammenzubeißen und weiter mit ihr befreundet zu bleiben, angetrieben von meiner Mutter, die sich permanent Sorgen machte, dass ich zur Außenseiterin wurde.

      Ich hatte Sally gegenüber nie Stellung bezogen, ihr nie erzählt, wie wütend und traurig sie mich gemacht hatte. Auf lange Sicht war Mamas Plan aufgegangen, in der Oberstufe fand ich Freunde – zum Teil durch Sally, später allein. In dieser Zeit war auch Sally wieder netter geworden, irgendwie wieder mehr die Sally, die sie als Kind gewesen war. Trotzdem trug ich noch die Narben von all ihren Schikanen in mir, genauso einen Nachhall der unterdrückten Wut und – ja – dem Gefühl des Verrats. Ich wusste einfach nicht, ob ich ihr trauen konnte.

      »Oh!«, sagte sie, noch bevor wir uns begrüßen konnten. »VIP-Besuch aus Stockholm, ohne dass er vorher angekündigt wird. Ich hab es von der Nachbarin erfahren, die im Stall war.«

      »Hallo, Sally«, sagte ich und umarmte sie. »Komm doch rein. Willst du Kaffee?«

      »Trägt der Papst einen komischen Hut?«, fragte sie und legte Jacke und Tasche ab. »Was für eine Frage!«

      Dann folgte sie mir in die Küche, umarmte meine Mutter und setzte sich zu uns an den Tisch. Sofort schnappte sie sich eine Scheibe Roggenbrot und strich dick Butter darauf. In meinem Kopf echoten Bellas Worte: »Trau keiner Frau, die wenig isst.«

      Dabei war Bella selbstverständlich gertenschlank.

      »Und?«, fragte Sally mit vollem Mund. »Wie ist es in Stockholm? Hast du schon alle deine alten Freunde vergessen?«

      »Sara arbeitet in einer PR-Agentur!«, platzte Lina heraus.

      Sally runzelte die Stirn.

      »PR-Agentur? Wolltest du nicht in einem Café in Sundbyberg anheuern?« Ich zuckte mit den Schultern und merkte, dass ich gar keine Lust hatte, davon zu erzählen. Sally und Bella gehörten in unterschiedliche Welten, und ich hatte keine Lust, daran auch nur das Geringste zu ändern.

      »Ich habe einen Job bei einer PR- und Event-Agentur in Östermalm gefunden«, erklärte ich.

      Sally lachte böse.

      »Sind das nicht Leute, die erwachsene Männer in lächerliche Kostüme stecken und so zu Konferenzen schicken? Und so Roter-Teppich-Galas für halb verhungerte D-Promis und sonstige Schnorrer schmeißen?«

      Das schwarze Team hat die Waffen bis zum Mittag. Das blaue Team danach.

      »Ja, genau«, sagte ich. »Wir albern nur herum, aber verdienen ziemlich gut damit.«

      »Wir?«, fragte Sally. »Bist du schon Teilhaberin?«

      »Wie läuft’s bei dir denn so?«, fragte ich. »Hast du den Job bei der Bank bekommen?«

      »Na klar. Hab am ersten September angefangen. Ist echt genial, ich habe tolle Kollegen. Henke arbeitet auch da, wir haben unendlich viel Spaß zusammen. Keine Kaffeepause unter vierzig Minuten.«

      Henke war in unsere Klasse am Gymnasium gegangen. Immer streng gekämmt, eng stehende Augen, Nerdhumor.

      »Klingt super«, sagte ich.

      Eine Pause entstand.

      »Ich wollte fragen, ob du zu Flisan mitkommen willst«, sagte Sally dann. »Sie feiert heute Geburtstag mit Wein und Torte.«

      Flisan war eins der Mädels, mit denen Sally und ich in der Oberstufe recht viel Spaß gehabt hatten. Davor hatte Flisan mich mitgemobbt, aber als wir ans Karolinska Gymnasium, das Karro, kamen, wo lauter andere Schüler von anderen Schulen zusammengeführt wurden, war das wie ein Neustart, und alles beruhigte sich. Dass ich damals ausgerechnet zu Flisan wollte, als das mit dem Tunnel passierte, machte keinen Unterschied, Flisan an sich war ziemlich lieb. Wir hatten bloß nicht mehr viel gemeinsam.

      »Ja, geh doch mit.« Mama klang fast drängend. »Das klingt total gemütlich.«

      Ich hörte die alte Angst in ihrer Stimme, und mir wurde ein bisschen übel.

      Sara hat keine Freunde, Sara wird gehänselt, Sara ist nicht wie die anderen.

      Papa hatte das nie gekümmert.

      »Deine Zeit kommt noch«, hatte er nur gesagt. »Edle Früchte reifen langsam.«

      »Ich dachte, wir wollten heute Abend zusammen essen, als Familie«, sagte ich. »Wo ich doch gestern erst so spät angekommen bin.«

      »Dann essen wir halt vorher«, sagte Mama. »Und danach ziehst du mit Sally los. Ist doch schön, deine


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