Teppiche. Clemens von AlexandriaЧитать онлайн книгу.
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1. Du findest auch, daß, nachdem Platon gesagt hatte: „Denn bei allem, was wächst, ist der erste Trieb, wenn er einen guten Anlauf zu trefflicher Entwicklung nimmt, von entscheidender Bedeutung für die Erreichung des entsprechenden Ziels der ihm eigenen Naturanlage“,3887
2. der Geschichtschreiber Ephoros sagt: „Auch bei den wilden Pflanzen liegt es in der Natur, daß sie nicht mehr veredelt werden können, wenn sie über das zartere Alter hinaus sind.“3888
3. Und jenes Wort des Empedokles: „Denn einst war ich bereits sowohl Knabe als Mädchen; ich war auch Pflanze und Vogel und Fisch, der stumm in dem Meere sich aufhält“,3889
4. umschreibt Euripides im „Chrysippos“: „Nicht erleidet den Tod, was auch immer entsteht; Eins wandelt sich nur in das andere um Und zeigt eine andre Gestaltung.“3890
5. Und nachdem Platon im „Staat“ Weibergemeinschaft gefordert hatte,3891
6. schreibt Euripides im „Protesilaos“: „Gemeinsam sollte nämlich sein der Weiber Bett.“3892
7. Während ferner Euripides schreibt: „Denn das was ausreicht, ist Verständigen genug“,3893
8. sagt Epikuros geradezu: „Der allergrößte Reichtum ist Genügsamkeit.“3894
9. und während wieder Aristophanes schrieb: „Wenn du gerecht bist, wird dein Leben ruhig sein, Und glücklich wirst du leben, frei von Lärm und Furcht“;3895
10. sagt Epikuros: „Die herrlichste Frucht der Gerechtigkeit ist die Seelenruhe.“3896
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1.3897 Diese Beispiele für die Tatsache, daß die Griechen Gedanken von anderen entwenden, sollen, weil sie ihrer Art nach so beschaffen sind, für die Einsichtigen als klarer Beweis genügen. Nun wurden sie aber, wie wir zeigten, nicht nur darüber ertappt, daß sie einzelne Gedanken und Ausdrücke entwendeten und in ihre eigene Sprache umsetzten, sondern sie werden ja auch dessen überführt werden, daß sie sich geradezu ganze Schriften durch Diebstahl aneigneten.
2.3898 Sie nahmen nämlich ganz und gar die Schriften anderer und gaben sie als eigene Werke heraus, wie Eugammon aus Kyrene von Musaios3899 das ganze Buch über die Thesproter, und Peisandros aus Kamiros die Herakleia des Peisinus von Lindos, und Panyassis aus Halikarnassos die Eroberung Oichalias von Kreophylos aus Samos entnahm.
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1. Man kann aber feststellen, daß auch der große Dichter Homeros jene Verse: „So wie ein Mann einen stattlichen Schößling des Ölbaums sich großzieht“3900 und das folgende wörtlich von Orpheus aus dessen Gedicht „Entrückung des Dionysos“ übernommen hat.3901
2. Und in der Theogonie hat Orpheus über Kronos gedichtet: „Und auf die Seite mit feistem Nacken sich neigend, so lag er, Und es erfaßt’ ihn die Macht des allesbezwingenden Schlafes.“3902 Diese Schilderung hat aber Homeros auf den Kyklopen übertragen.3903
3. Und Hesiodos dichtet in bezug auf Melampus: „Süß ist es auch zu erfahren, was schufen unsterbliche Götter Sterblichen Menschen, ein deutliches Zeichen für Schlechte und Edle“,3904 und das folgende, indem er es wörtlich vom dem Dichter Musaios3905 entnahm.
4. Der Lustspieldichter Aristophanes übernahm in der ersten Fassung der „Thesmophoriazusen“ die Verse aus den „Empipramenoi“ (Verbrannten) des Kratinos.3906
5. Der Lustspieldichter Platon und Aristophanes im „Daidalos“ berauben einander.3907
6. Den „Kokalos“ aber, den Araros, der Sohn des Aristophanes, verfaßt hatte, veränderte der Lustspieldicher Philemon und brachte ihn im „Hypobolimaios“(dem Untergeschobenen) auf die Bühne.3908
7. Und die Dichtungen des Hesiodos3909 verwandelten in Prosa und brachten sie als eigene Werke heraus die Geschichtschreiber Eumelos3910 und Akusilaos.3911
8. Den Melesagoras3912 ferner bestahlen die Geschichtschreiber Gorgias von Leontinoi3913und Eudemos von Naxos3914 und außer ihnen auch Bion von Prokonnesos,3915 der auch die Schriften des alten Kadmos3916 etwas gekürzt abschrieb, und Amphilochos3917 und Aristokles3918 und Leandrios3919 und Anaximenes3920 und Hellanikos3921 und Hekataios3922 und Androtion und Philochoros;3923 und Dieuchidas von Megara3924 schrieb den Anfang seines Buchs aus der „Deukalioneia“ des Hellanikos3925 ab.
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1. Übergehen will ich, daß Herakleitos aus Ephesos das meiste von Orpheus genommen hat.3926
2. Platon aber hat auch die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele von Pythagoras übernommen, dieser aber von den Ägyptern.
3. Und viele Anhänger Platons haben Schriften verfaßt, in denen sie beweisen wollen, daß sowohl die Stoiker, wie wir schon anfangs sagten,3927 als auch Aristoteles die meisten und wichtigsten ihrer Lehren aus Platon genommen haben.
4. Aber auch Epikuros hat seine Hauptlehren von Demokritos geraubt.
5. Soviel nun davon.3928 Denn mein Leben würde nicht ausreichen, wenn ich alles einzelne durchgehen und den selbstsüchtigen Diebstahl der Griechen nachweisen und zeigen wollte, daß sie als eigene Erfindung die trefflichsten ihrer Lehren ausgaben, die sie doch von uns genommen haben.
III. Kapitel
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1. Es läßt sich aber nachweisen, daß sie nicht nur ihre Lehren von den Barbaren nehmen, sondern auch außerdem mit den unglaubhaften Erzählungen der griechischen Sagengeschichte die wunderbaren Taten nachahmen, die bei uns von alter Zeit her auf Grund der göttlichen Macht durch heilig lebende Männer zu unserer Bekehrung vollführt wurden.
2. Wenn wir sie nun fragen, können wir von ihnen nur eines von beiden zur Antwort erhalten, entweder daß das, was sie erzählen, wahr ist, oder daß es erlogen ist. Aber daß es erlogen ist, werden sie wohl nicht sagen; denn sie werden sich doch nicht selbst freiwillig der größten Torheit zeihen, daß sie nämlich erlogene Geschichten aufzeichnen; vielmehr werden sie notgedrungen zugeben, daß es wahr ist.
3. Und wie können ihnen dann noch die Wundertaten als unglaubhaft erscheinen, die durch Moses und die übrigen Propheten verrichtet worden sind? Da nämlich der allmächtige Gott für alle Menschen Sorge trägt, sucht er die einen durch Gebote, die anderen durch Drohungen, manche auch durch wunderbare Zeichen und einige durch gnädige Verheißungen zum Heilsweg zu bekehren.
4. Folgendes ist ein Beispiel. Als einmal eine lange andauernde Dürre Griechenland dem Verderben nahe brachte und Mißwachs herrschte, da kamen, wie erzählt wird, die Griechen, die noch am Leben waren, wegen der Hungersnot als Bittflehende nach Delphi und fragen die Pythia, auf welche Weise sie aus der Not erlöst werden könnten.
5. Sie antwortete ihnen aber, es gebe nur ein Mittel der Hilfe gegen das Unglück, wenn sie nämlich das Gebet des Aiakos verwendeten. Aiakos ließ sich also von ihnen gewinnen, stieg auf den griechischen Berg hinauf, hob seine reinen Hände zum Himmel empor, rief Gott als gemeinsamen Vater an und flehte zu ihm, er möge sich des bedrängten Griechenlands erbarmen.
6. Und wie er noch betete, ertönte ein ungeheurer Donnerschlag, und der Himmel bedeckte sich ringsum mit Wolken, heftige und anhaltende Regengüsse strömten herab und erfüllten das ganze Land. Infolge davon reifte eine ergiebige und reiche Ernte heran, die durch das Gebet des Aiakos herbeigeführt war.3929