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DERMALEINST, ANDERSWO UND ÜBERHAUPT. Klaus HübnerЧитать онлайн книгу.

DERMALEINST, ANDERSWO UND ÜBERHAUPT - Klaus Hübner


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Malaisen. Am 17. Oktober 1802 zog ihn seine Schwester Ulrike in die Kutsche. Das war's mit der Schweiz. Wer es genauer wissen möchte, muss bis Mai 2011 warten: Ein Büchlein mit dem schönen Zitattitel »Ich will im eigentlichsten Verstande ein Bauer werden« verspricht weitere Details. Wichtig aber waren die Schweizer Monate allemal. Und Thun hat eine Sehenswürdigkeit mehr: das Haus auf der Insel. Zu Recht, sagt Günter Blamberger: »Thun ist Kleists zweiter Geburtsort, der Ort seiner Neugeburt als Dichter.«

      Günter Blamberger: Heinrich von Kleist. Biographie. Frankfurt am Main 2011: S. Fischer Verlag.

      Philipp Burkard / Anett Lütteken (Hrsg.): »Ich will im eigentlichsten Verstande ein Bauer werden«. Heinrich von Kleist in der Schweiz. Göttingen 2011: Wallstein Verlag.

      Rudolf Loch: Kleist. Eine Biographie. Göttingen 2003: Wallstein Verlag.

      Gerhard Schulz: Kleist. Eine Biographie. München 2007: C. H. Beck Verlag.

      Robert Walser: Kleist in Thun (1907). In: Das Gesamtwerk in 12 Bänden. Hrsg. von Jochen Greve. Band I, S. 174–185. Zürich / Frankfurt am Main 1978: Suhrkamp Verlag.

      Mit den Augen des Fremden

      Adelbert von Chamisso ist neu zu entdecken

      Nichts gegen das von Hans Magnus Enzensberger mit großem Aufwand ins Werk gesetzte »Humboldt-Projekt«, das dem heutigen gebildeten Lesepublikum die wichtigsten Schriften Alexander von Humboldts nahe bringen möchte. Auch nichts dagegen, dass aus Anlass des kürzlich begangenen zweihundertfünfzigsten Geburtstags von Georg Forster ganz zu Recht dessen Voyage Round the World gewürdigt wurde. Noch einem aber aus jenen fernen Tagen, als die Weltkarten noch jede Menge weißer Flecken hatten, gebührt die ehrwürdige Charakterisierung »Dichter, Naturwissenschaftler, Weltreisender«, die sich im Untertitel eines neuen Ausstellungskatalogs findet: dem 1781 auf einem Schloss in der Champagne geborenen, mit den Eltern vor der Revolution nach Preußen geflüchteten und sich dort zu einem der meistgeschätzten und populärsten deutschen Poeten entwickelnden Charles Louis Adelaide Chamisso de Boncourt. Nicht wenige seiner Balladen lernten deutsche Gymnasiasten bis vor Kurzem noch auswendig, und die Kenntnis seiner Geschichte vom Mann, der seinen Schatten verkaufte, gehört nach wie vor zum literarischen Grundwissen. Man dürfe Chamissos »unsterbliche Geschichte von Peter Schlemihl« als eine »Parabel der Fremdheit« lesen, meint Harald Weinrich, der vor zwanzig Jahren maßgeblich für die Einrichtung des Adelbert-von-Chamisso-Preises gesorgt hat – eines renommierten Literaturpreises für deutsch schreibende Schriftsteller nicht-deutscher Herkunft und Muttersprache, über den man am Ende des Katalogs auch einiges lesen kann. Es stimmt: Der Lyriker und Erzähler Adelbert von Chamisso ist immer noch relativ bekannt. Der Naturwissenschaftler und Weltreisende allerdings erfährt erst jetzt größere Aufmerksamkeit, und das liegt vor allem an der im Berliner Bezirk Kreuzberg präsentierten, von viel Liebe zum Detail getragenen Ausstellung Mit den Augen des Fremden. Und an dem opulent aufgemachten, lehrreichen und unterhaltsamen Katalog, der uns den nicht weit vom Ausstellungsort beerdigten Dichter endlich einmal so vorstellt, wie es einschlägige Literaturgeschichten bisher nicht konnten. Mit anhaltendem Staunen nimmt man zur Kenntnis, dass dieser Chamisso noch weit mehr war als ein großer deutscher Dichter aus Frankreich.

      Ulrike Treziak nimmt Harald Weinrichs Anregungen auf, wenn sie in der Einleitung schreibt: »Chamisso war jemand, der in verschiedenen Kulturen, mit verschiedenen Sprachen, in unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten gelebt und mit Menschen verschiedener Religionszugehörigkeit verkehrt hat. Gerade das hat ihn zu einem Wissbegierigen gemacht und zu einem offenen Geist … Diese Offenheit für das Fremde war die Grundvoraussetzung für seinen tiefen Respekt vor anderen Kulturen.« Genau das zeichnet Chamisso aus. Am Morgen des 9. August 1815 meldet sich der Vierunddreißigjährige auf der Reede zu Kopenhagen beim Sohn eines in der Goethezeit viel gespielten Bühnendichters. Otto von Kotzebue ist der Kapitän des Forschungsschiffs »Rurik«, das drei Jahre lang »in die Südsee und um die Welt« segeln wird, mit Chamisso als Naturforscher und Korrespondenten. Brasilien und Chile samt Osterinseln, die Halbinsel Kamtschatka, die Aleuten und Alaska, später Kalifornien, Hawaii, Guam und Manila, und über Kapstadt schließlich zurück nach Europa – der Leser reist, kundig geführt von Ulrike Treziak und sinnlich angeregt durch die vorzüglich reproduzierten Lithografien von Ludwig Choris, mit Chamisso durch die Beringsee und den gesamten pazifischen Raum. Ein Abenteuer! Und das schon im ersten von insgesamt siebzehn Katalogbeiträgen! Die übrigens alle leicht lesbar sind und doch auf dem neuesten Stand der Forschung, ob es nun um die Biografie des dichtenden Botanikers geht, um die genauere Analyse seines erst 1836 erschienenen letzten Buches Reise um die Welt, um Mitreisende wie den Arzt Johann Friedrich Eschscholtz oder den »Reisemaler« Ludwig Choris, um »Stabkarten, Sandkarten und Seekarten« oder um Chamissos wertvolle Hinterlassenschaften in den Botanischen Museen von Berlin und St. Petersburg. Allein zwei Katalogseiten füllt die Liste der ihm gewidmeten Namen von Pflanzen, Tieren und geografischen Orten, von »Aconitum delphinifolium ssp. Chamissonianum« (Eisenhut-Art) bis »Xylaria chamissonis« (brasilianische Kernpilz-Art)!

      Kurzum: Es gibt nichts Besseres und vor allem nichts Schöneres über den dichtenden Naturforscher als diesen empfehlenswerten Katalog, der am Ende auch noch dessen Spuren im Berliner »Chamisso-Kiez« nachgeht und dazu einlädt, es nicht bei einem Besuch der Ausstellung zu belassen. Sondern sich auch ein wenig in der Nachbarschaft umzusehen. Vielleicht besorgt man sich dann gleich Chamissos Reise um die Welt.

      Mit den Augen des Fremden. Adelbert von Chamisso – Dichter, Naturwissenschaftler, Weltreisender. Berlin 2004: Kreuzberg Museum. 240 S.

      Adelbert von Chamisso – Vermittler zwischen Sprachen und Kulturen

      Dass Adelbert von Chamisso nicht nur wegen seiner interkulturellen Biografie, sondern vor allem durch seine Übersetzertätigkeit einer der großen Vermittler zwischen dem deutschen und dem französischen Kulturraum im 19. Jahrhundert war, hat Werner Feudel 1986 in einem kleinen Aufsatz herausgearbeitet. Dass er zugleich der humanistisch-literarischen Sphäre und der zeitgenössischen Welt der Naturwissenschaften angehörte und deshalb auch als produktiver Vermittler zwischen unterschiedlichen akademischen Kulturen betrachtet werden kann, ist mehrfach nachgewiesen worden. Und dass die ethnologischen und sprachwissenschaftlichen Studien in der Folge von Chamissos naturforschender Weltreise fast durchgängig eine Kulturen vergleichende Dimension aufweisen und somit auch auf Vermittlung zielen, ist evident. Aus Berlin schreibt Chamisso 1814 an de la Foye: »Kein anderes Vaterland habe ich doch, kann ich doch haben, als die gelehrte Republik, wo ich bescheiden und still mich einzubürgern gedenke, und da meine kleine Freiheit harmlos zu genießen.« Harald Weinrich beginnt seinen Essay Chamissos Gedächtnis damit, den wissenschaftlichen Nachruhm des Biologen, Botanikers und Geografen Chamisso herauszustellen, ehe er vom Literaten und insbesondere von dessen Schlemihl spricht. Weinrichs luzider Essay, der ursprünglich ein Vortrag war, beschwört am Ende »das lebendige Fortwirken dieses Autors im Denken, Fühlen und Schreiben derjenigen Autoren, die ich vor Jahren einmal ›Chamissos Enkel‹ genannt habe, weil sie wie Adelbert von Chamisso aus einer anderen Sprache und Kultur kommen und mit ihrem Schreiben der deutschen Literatur neue Impulse gegeben und sie ein gutes Stück hellsichtiger und weltoffener gemacht haben«. Um das in diesem Essay auch angesprochene weite Feld, von Chamissos allmählicher Kanonisierung in der deutschen Literaturgeschichte und seinem Nachruhm als deutscher Dichter bis hin zu den von Weinrich erwähnten Literaten, die man heute mindestens »Chamissos Ur-Urenkel« nennen müsste, soll es hier gehen – wobei ich, aus Kompetenzgründen, den Naturwissenschaftler weitgehend außer Acht lasse und mich auf den Dichter Adelbert von Chamisso konzentriere, ohne allerdings literaturwissenschaftliche Textanalysen zu liefern. Es geht mir um die bis heute anhaltende Bedeutung eines Mannes, der als Nicht-Muttersprachler mit dem Schlemihl zu Weltruhm gelangte, der insgesamt ein relativ erfolgreiches und nachhaltig weiterwirkendes literarisches Werk in deutscher Sprache geschaffen hat und der durch die unter anderem von Edward Mornin näher untersuchte »europäische Dimension seiner Einstellung und seiner Dichtung« hervorsticht. Deutsche Literatur, und was für eine, von einem Autor französischer Muttersprache – das ist schon für Chamissos Zeitgenossen äußerst bemerkenswert gewesen, und eine recht lange Zeit hindurch, bis ins letzte Drittel des 20. Jahrhunderts hinein, ist es auch mehr oder weniger


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