Tradition. Katherine V. ForrestЧитать онлайн книгу.
und betrat in Begleitung von Kate und Taylor das Tradition. Taylor informierte ihn über das Nötigste. Ohne eine Regung in den tiefen Furchen seines Gesichts musterte Bodwin von der Türschwelle aus die Küche, kein Wort kam über seine Lippen. Seine Aufgabe würde es sein, mit der Presse zu sprechen.
»Charlotte sagt, der Täter hat sich verletzt, Lieutenant«, berichtete Taylor. »Wir brauchen jemanden, der sofort alle Krankenhäuser und Ärzte überprüft.«
Ein kaum wahrnehmbares Zucken ging durch Bodwins Körper. Ohne den Blick vom Küchenboden abzuwenden, antwortete er: »Er müsste schon ein verdammter Volltrottel sein, um in ein Krankenhaus zu gehen, oder?« Damit kehrte er der Küche und dem arbeitenden Laborteam den Rücken zu.
»Gut für uns, dass es so viele Volltrottel unter den Verbrechern gibt«, entgegnete Kate freundlich.
Bodwin wusste so gut wie sie, dass kriminelles Verhalten wenig mit Intelligenz zu tun hatte. Seine spontane Bemerkung hing eher mit seiner unversöhnlichen Abneigung gegen Charlotte Mead zusammen. Mead, die alle Statusfeinheiten grundsätzlich ignorierte, würde selbst Chiefinspector Daryl Gates zur Schnecke machen, sollte er sich je erdreisten, die Unberührbarkeit eines Tatorts zu verletzen. Lieutenant Bodwin jedenfalls hatte es bitter bereut, dass er einmal unbedarft in einen Verbrechensschauplatz hineinmarschiert war. Charlotte Mead hatte seine Fingerabdrücke auf einem Beweisgegenstand gefunden und dafür gesorgt, dass der Bericht in der ganzen Abteilung die Runde machte.
»Ich werde jemanden damit beauftragen«, sagte Bodwin und ging hinaus, um sich den Fernsehkameras zu stellen.
Gloria Gomez trug schwarze Jeans und einen weißen Baumwollpullover. Mit ihrem dunklen Haar, das ihr offen auf die Schultern fiel, wirkte sie weit jünger als zwanzig Jahre. Ihre schmalen Kinderhände lagen eng gefaltet auf dem resopalbeschichteten Tisch des Verhörraums.
»Ich muss Teddie sehen«, flüsterte sie, die dunklen Augen stumpf vor Schock. »Ich … kann es einfach nicht begreifen, bevor ich Teddie nicht gesehen habe.«
Kate nickte. »Ich verstehe«, sagte sie. Niemand hätte Kate damals davon abhalten können, in jenes ausgebrannte Autowrack auf dem Hollywood Freeway zu schauen. Ihr Bedürfnis, Anne zu sehen, war übermächtig gewesen. »Aber es wird noch eine Weile dauern, bis das möglich ist«, fügte sie hinzu.
Gloria Gomez würde Teddie frühestens in ein paar Tagen zu sehen bekommen – wenn überhaupt. Vielleicht wäre es gar nicht das Schlechteste, dachte Kate, wenn sich der Abschied von Teddie noch ein wenig hinauszögert, der Anblick der entstellten Leiche könnte unmittelbar nach der Obduktion ein noch schrecklicherer sein. Im Anschluss müssten seine nächsten Verwandten – wahrscheinlich Joe und Margaret Crawford – erst einmal darüber entscheiden, was mit der Leiche geschehen sollte. Je nachdem, welche Begräbniszeremonie die Familie Crawford für angemessen hielt, würde Gloria Gomez vielleicht noch einmal einen Blick in den offenen Sarg werfen können. Teddies Gesicht schien nur geringfügig verletzt zu sein, und die Kleidung würde den zerschundenen Körper verbergen, so dass Gloria sich ihren Wunsch erfüllen und von ihrem Freund in Frieden Abschied nehmen könnte.
»Gloria«, sagte Taylor, »wir wissen, wie schwer das Ganze für Sie ist. Aber bitte versuchen Sie, mit uns zu sprechen. Wann haben Sie Teddie das letzte Mal gesehen?«
Kate warf ihm einen schnellen Blick zu. Sein Verhalten gegenüber Gloria Gomez war so rücksichtsvoll, wie es Francisco Caldera gegenüber unpersönlich gewesen war.
»Gestern Abend …« Die junge Frau stockte.
»Gestern Abend …«, wiederholte Taylor ermutigend. Er lehnte sich zurück, kreuzte einen Fuß über das Knie und versuchte mit seiner lässigen Körperhaltung Gloria Gomez die Anspannung zu nehmen. »Erzählen Sie uns, was gestern passiert ist.«
»Ich habe ihn wie versprochen vom Tradition abgeholt –«
»Wo war Teddies Auto?«
»Er hat … hatte kein Auto.«
»Wann haben Sie ihn abgeholt, Gloria?«
»Punkt elf. Wir sind dann wie geplant ins Malone’s gefahren.«
»War sonst noch jemand dabei?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich hatte mich mit Paul verabredet. Ich wollte, dass Teddie ihn kennenlernt.«
»Wie heißt Paul mit Nachnamen?«
»Lopez … Paul Lopez. Teddie mochte ihn – er hat uns Bier geholt …« Ihr Blick schien ins Leere zu gehen.
Kate musste an Aimee denken, an die Mordermittlung vor knapp zwei Monaten, wie sich das Entsetzen über Owen Sinclairs Tod in Aimees leeren Augen widergespiegelt hatte. Sie musste sie unbedingt anrufen und ihr sagen, dass noch nicht abzusehen war, wann sie nach Hause kommen würde. Und vor allem, ermahnte sie sich selbst, musste sie unbedingt alle überflüssigen Gedanken ausschalten und sich auf den brutalen Mord an einem Schwulen konzentrieren, auf die Arbeit, die hier in diesem Augenblick anstand.
»Er kann nicht tot sein«, sagte Gloria Gomez an Kate gewandt. »Es gibt einfach keinen Grund …«
»Nein, es gibt wirklich keinen Grund«, sagte Kate ruhig. »Es tut mir sehr leid.«
»Der Mann, den er kennengelernt hat … hat er …?«
Kate tauschte rasch einen Blick mit Taylor. »Was können Sie uns darüber sagen?«
»Nicht viel. Teddie hat einen Typ kennengelernt. Sie sind zusammen weggegangen.«
An dem nüchternen Ton, in dem Gloria antwortete, merkte Kate, dass sie noch immer unter Schock stand. »Wie war sein Name?«
»Lyle … Miles … irgendwas in der Art. Ich habe kein gutes Namensgedächtnis … Ich habe kaum ein Wort mit dem Kerl gewechselt.«
»Ich entnehme Ihren Worten, dass Sie diesen Kerl nicht besonders mochten«, spekulierte Kate.
»Teddie steht auf ganz andere Typen als ich. Machos.« Ihr Versuch zu lächeln missglückte zu einer traurigen Grimasse. »Stimmt, ich mochte ihn nicht. Ich kann nicht genau sagen, warum.«
»Wie hat er ausgesehen?«
»So ’n Ramboverschnitt. Sie wissen schon, Typ Gockel – Brust raus und hautenges T-Shirt.«
Kate nickte ihr aufmunternd zu. »Hat er das angehabt? Ein T-Shirt?«
»Ja, genau. Ein schwarzes. Und ’ne Fliegerjacke.«
»Welche Farbe hatte die Jacke?«
»Dunkel … dunkelbraun. Vielleicht schwarz.«
»Erinnern Sie sich, was für eine Hose er getragen hat?«
»Jeans.«
»Normale Jeans?«
»Ach ja, jetzt fällt’s mir wieder ein. Das war einer der Gründe, warum ich ihn nicht mochte. Seine Jeans. Total zerschlissen. Flicken auf den Knien. Leute, die sich extra Klamotten kaufen, in denen sie arm aussehen, machen mich krank.«
Ihre Stimme bebte vor Empörung – für Kate ein deutliches Zeichen fehlgeleiteter Emotionen. Sie versuchte, ihre eigene Stimme ruhig klingen zu lassen, und fragte: »War er dunkelhaarig? Blond?«
»Blond. Fisselig. Kurz vorm Kahlschlag.«
Kate nickte. »Erinnern Sie sich an seine Augenfarbe?«
Sie überlegte. »Blau, glaube ich.«
»Was schätzen Sie, wie alt er war?«
Gloria zuckte die Achseln. »Älter als Teddie. Vielleicht dreißig. Er hatte einen Schnurrbart. Ich kann Männer mit Fusseln im Gesicht nie so richtig einschätzen.«
»Ich auch nicht«, bestätigte Kate lächelnd und machte sich eine weitere Notiz auf ihrem Block. Gloria Gomez erwies sich allem Anschein nach als sehr gute Zeugin. »Der Schnurrbart. War er dünn? Mittel? Dick?«
»Dick. Je dünner die Haare, desto dicker der Schnurrbart. Ist doch so, oder?«