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Hurra, wir dreh’n uns noch. Uwe TörlЧитать онлайн книгу.

Hurra, wir dreh’n uns noch - Uwe Törl


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hü hü? Eh, dit jeht ja ma jar nich!“

      „Sei doch mal ruhig Grips!“

      „Der hat doch bei Rocco jenascht!“, erboste sich Gruftine.

      „Nur zwee Kekse“, stand ihr Bruder plötzlich hinter uns.

      „Rocco, du Sauhund!“, vergas sie plötzlich ihre Halsschmerzen.

      „Man Lütte, nu hab dir ma nich so. Iss alles Easy, alles cool!“

      „Alles cool?“

      „Nun seid doch mal still! Abschreg nuschelt so schon genug!“ Grabs war säuerlich und Rastarocco bot seine Kekse feil.

      „Ne Danke!“, wehrte ich ab.

      „Sinn jesund, Bruder – Kräuterkekse.“

      „Nur ohne Schnittlauch.“

      „Natürlich nur ohne Schnittlauch!“, grinste Rocco mich breit an: „Man Bruder, dass du noch hier und nich in … Is’ mir schlecht!“ Rocco erspähte plötzlich Grabs Pappe Undefinierbares unter einer eigenwilligen Soße, welche vielleicht mal neben einer Tube Majo stand. Es wär ja nicht einmal aufgefallen, hätte Rocco nicht darauf hingewiesen. Warum die Gesamtpräsentation dieser schon halb aufgefutterten Portion Schmierfingerfood aussah wie ein Rudel geschlechtskranker Nacktschnecken mit Pilzbefall, wollte ich, weil angewidert, nicht auf den Grund gehen.

      „Nimm du ’n Keks Alter“, riss Gripsy mich aus meinem Würgereiz, „eh, ick schwör dir, denne haste verschissen, wa!“

      „Was bist du denn für ’ne kleene Meckerzigge?“

      „Eh, Vorsicht Alter!“

      „Seid doch mal leise!“

      „Alter, Vorsicht eh!“, äffte ich die Gruftine, versteckt hinter meinem Teeglas, nach.

      Dafür durfte ich mir: „Noch so’n Spruch, Hodenbruch!“, anhören. Ihr rechter Zeigefinger in Schussposition unterstützte ihre Ansage.

      „Kurzsichtig?“ Grad so, dass ich es ausgesprochen hatte, schnellte besagter Finger in meine Richtung. Genau vier Kekse breit vor meinem linken Auge kam er zum stehen. Ihrer Körpergröße geschuldet, gestaltete sich ihr Arm mit besagtem Finger im deutschen Winkel. Grabs mahnte ungewohnt streng zur Obacht: „Gribs!“

      „Hä, wat iss ’n?“

      „Dein Arm!“

      „Ja, mein Arm?“

      Was mir Anlass gab, mich zu erbarmen. Ergab sich mein rechter Zeiger der Fingerhakelei, wie er den ihren heim ins Reich holte. „Die Farbe steht dir nicht!“

      „Oh“, bemerkte sie ihren Fauxpas, „wat een Mist. Ausjerechnet vorm Türken!“

      „… Kurden“, flüsterte ich. „War ja nich wejen de Zieche!“ Tja, was blieb da noch? Sie müsste sich schon auf ’nen Wassereimer stellen, um mir in die Augen zu sehn. Sollte sie rein fallen, könnte sie ja noch die ein, oder andere Bahn ziehn. Das verriet ich ihr aus Sicherheitsgründen wegen meiner Hoden natürlich nicht – nich wahr! Nur war mir noch ein wenig nach stänkern: „Wo sind eigentlich deine Halsschmerzen geblieben?“, bemühte ich mich, mit einer Stimme als würde ich mit Pappnägel gurgeln, um Auskunft: „Stand dir wohl der Wunderdoktor zu nah im Rücken? Oder lag es eher am Zauberberg, den dein Bruder fast vom Tresen riss?“

      „Mann, Alter, nu kriech dich ma widder ein, eh! Wat soll ick denn machen, dass mir hier wer beachten tun tut? Kiek mir doch an. Grad so, dass ick mit ’nem Hydranten uff Oochenhöhe …“

      Ja, genau Grips, denk ich mir so, wie ich die Gruftine begucke. Wer soll dich beachten mit deiner Schädel-Maus, zwischen dem weisen Tresen und den weisen Regalen in deinem weisen Zelt?

      „Nun kommt mal zur Ruhe, jetzt kommt gleich das Gedicht.“ Grabs hatte sich mit Rocco für gute Sicht postiert: „Mal sehn, was heute passiert?“

      „Wieso, was sollte denn passieren?“, wollte ich schon wissen, obwohl es mir reichte nur zu zuhören.

      „Na weil bis jetzt immer irjend wat war. Den nimmt doch kener ernst, so wie er aussieht“, wusste Rastarocco zu berichten. „Als Schwarzer, mit so ’nem langen grau’n Bart.“

      „Na so schwarz ist er ja nun auch nicht. Eher braun, oder nicht?“

      „Ja, so Vollmilch-Nuss“, meldete sich Grabs.

      Gripsy schüttelte ihr’n Kopf: „Wieso Nuss?“

      „Weil, Abschreg iss’n Männchen?“

      „Wat ick och frache.“ Mir kamen Bedenken, dass Gripsy Grabs’ Irokesen aus lauter überschwänglicher Spontaneität mit ihren grotesken Nägeln verschnitt.

      „Letzte Woche“, gab Rocco wieder Laut, „hat ihn so ’ne Lütte jefracht, ob er een verkleideter Feuerrübel wär. Wisst ihr dit noch?“

      „Wie könnten wir det verjessen, wa?“, war Gripsy wieder begeistert. „Da fühlte der Kur…, der Türke in Abschreg sich beleidicht. Kannst kein Deutsch du? Das heißen Feier Riebel doch! De halbe Halle hat jelacht.“

      Ich konnte mir lebhaft vorstellen, was hier los war, so wie die Gruftine den kurdischen Türken imitierte.

      „Na endlich“, machte Grabs Meldung, „kommt’s Gedicht.“ Tatsache, der Enkel, der Hosenscheißer stand schon am Mikro. Ein aufgeregtes Kratzen in den Lautsprechern versprach Kultur.

      „Du guter Weihnachtsmann du Lieber …“

      „Heißt lieber guter, du lieber guter! Und ich nicht der Weihnachtsmann bin. Ich Nikolaus! Man, du weist nicht? Musst wissen doch, kleine Anhalter du. Schon groß du wie Flasche fünf Raki. Machen noch mal, du!“

      Der arme Kerl, dachte ich mir. Doch der kleine fünf Flaschen Raki große Anhaltiner zog kurz und schmerzfrei durch:

      „Lieber Weihnachtsmann du Guter,

      ich steh hier bei dein Bruder.

      Kannst holen du ihn schnell?

      Der gerbt mir sonst mein Fell!“

      Jetzt war Leben in der Bude, die Halle tobte. Zumindest was an Fußvolk um diese späte Mittagszeit da war. Ich selber war begeistert, mir tat mein Bauch weh vor Lachen. Spontan entschieden wir uns für Applaus, stehende Ovationen wenn man so will. Nur Gripsy lümmelte mit einer Arschbacke auf der einzig verfügbaren Sitzgelegenheit. Von diesem dreibeinigen Bambusbarhocker unterstützte sie mit Hilfe zwei ihrer Finger pfeifend unseren haltlosen Jubel. Doch so wie es aussah, mussten wir auf eine Zugabe verzichten. Die Oma zerrte ihren Enkel von der Bühne. Opa wurde vergessen, zog es ihn doch schon vor des Enkels Vortrag ein wenig nah in Richtung Bratwurststand, wo um diese Zeit bereits der Glühwein triumphierte. Gleich links zwischen Bühne und Grabs Unikaten-Zelt für Finger, Ohr und Hälse sah ich in weiser Voraussicht meiner Zukunft entgegen. Aber noch war ich bei Gripsy.

      Der erste Kandidat für den heutigen Tag und für’n Kurden schon zu viel. Der Nikolaus ließ sich in einen museumsreifen Ohrensessel fallen. Ein lautes Ratzen verriet den Schwung, welcher den Sessel ein ganzes Stück gefährlich nah der hinteren Bühnenkante verschob. Mit einer Mischung aus Begeisterung und Unverständnis, dass solches zugelassen, brauchte es einen Moment, bis wir uns wieder beruhigt hatten. Ich sah noch in Richtung Bühne, als mir die Originalität dieses Nikolauses auffiel. Wer sonst schien geeigneter, als Abschreg mit seinem türkischen Teint, die Glaubwürdigkeit dieses osmanischen Nationalheiligen hoch zu halten. Nur schien das Niemandem aufzufallen. Bis auf den beiden Persern vielleicht, welche zwei Zelte weiter wie wild gestikulierten. Lautstark protestierten sie in einem Kauderwelsch nahostasiatischer Halsschmerzen, mit wüstem Gehüste, wie ich glaubte, gegen ihren heiligen Nik, belehrte mich der lautstarke Schlussspruch eines Besseren: „Und Allah richte deine Zunge!“ Dazu fuchtelte einer der beiden mit einem überdimensionalen Käsemesser in der Luft, als wolle er fünf Schafe mit einem Streich ihre Hälse verschneiden. Statt der imaginären Hammelhälse fielen diesem einseitigen


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