Die böse Macht. C. S. LewisЧитать онлайн книгу.
Wissenschaft auf Beobachtung beruht«, sagte Mark.
»Sie ist ein unwiderstehliches Werkzeug«, rief Straik, »weil sie ein Werkzeug in Seiner Hand ist. Richtschwert und Balsam zugleich. Das konnte ich keiner der Kirchen klarmachen. Sie sind mit Blindheit geschlagen, verblendet von den schmutzigen Fetzen des Humanismus, der Kultur, der Menschenfreundlichkeit, des Liberalismus und ihrer eigenen Sünden oder was sie dafür halten, obgleich sie wirklich das am wenigsten Sündige an ihnen sind. Darum stehe ich allein: ein armer, schwacher, unwürdiger Mann, aber der einzige lebende Prophet. Ich weiß, dass Er in Macht und Herrlichkeit kommen wird. Und darum sehen wir die Zeichen Seiner Ankunft, wo wir Macht sehen. So kommt es, dass ich mich mit Kommunisten und Materialisten und jedem anderen verbünde, der wirklich bereit ist, die Ankunft des Herrn zu beschleunigen. Noch der Geringste dieser Menschen hier begreift den tragischen Sinn des Lebens und hat die Unbarmherzigkeit, die völlige Hingabe, die Bereitschaft, alle bloß menschlichen Werte aufzuopfern, lauter Dinge, die ich unter all der widerlichen Heuchelei der organisierten Religionen nicht finden konnte.«
»Sie wollen damit also sagen«, sagte Mark, »dass es in der unmittelbaren Praxis keine Grenzen für Ihre Zusammenarbeit mit dem Institut gibt?«
»Lassen Sie die Vorstellung einer Zusammenarbeit fahren!«, sagte der andere. »Arbeitet der Ton mit dem Töpfer zusammen? Arbeitete Kyros mit dem Herrn zusammen? Diese Leute werden Werkzeuge sein. Auch ich werde ein Werkzeug sein. Ein Mittel zum Zweck. Aber hier kommen wir zu dem Punkt, der Sie angeht, junger Mann. Sie haben keine Wahl, ob Sie Werkzeug sein wollen oder nicht. Wenn Sie einmal Ihre Hand an den Pflug gelegt haben, gibt es kein Zurück mehr. Niemand kehrt dem N.I.C.E. den Rücken. Jene, die es versuchen, werden in der Wildnis umkommen. Aber die Frage ist, ob Sie sich damit zufrieden geben, eines der Werkzeuge zu sein, die zur Seite geworfen werden, wenn sie Ihm gedient haben – die gerichtet werden, nachdem sie andere gerichtet haben. Oder werden Sie unter jenen sein, die das Erbe antreten? Denn es ist alles wahr, wissen Sie. Die Heiligen werden die Erde erben – hier in England, vielleicht innerhalb der nächsten zwölf Monate –, die Heiligen und niemand sonst. Wissen Sie nicht, dass wir sogar über Engel zu Gericht sitzen werden?« Dann dämpfte Straik plötzlich seine Stimme und fügte hinzu: »Die wahre Wiederauferstehung findet schon jetzt statt. Das wirkliche Leben wird ewig währen, hier in dieser Welt. Sie werden es sehen.«
»Es ist gleich zwanzig nach«, sagte Mark. »Sollten wir nicht zur Ausschusssitzung?«
Straik machte schweigend mit ihm kehrt. Teils, um eine Fortsetzung des Gesprächs in dieser Richtung zu verhindern, und teils, weil er wirklich eine Auskunft haben wollte, sagte Mark nach einer Weile: »Mir ist etwas ziemlich Unangenehmes passiert. Ich habe meine Brieftasche verloren. Es war nicht viel Geld darin: nur etwa drei Pfund. Aber es waren Briefe und andere Dinge darin, es ist ziemlich ärgerlich. Sollte ich das irgendjemandem melden?«
»Sie können es dem Hausverwalter sagen«, meinte Straik.
4 _______
Der Ausschuss tagte ungefähr zwei Stunden, und der stellvertretende Direktor führte den Vorsitz. Seine Art, die Sitzung zu leiten, war langsam und umständlich, und Mark, der in Bracton seine Erfahrungen gesammelt hatte, gewann bald den Eindruck, dass die eigentliche Arbeit des Instituts anderswo geleistet wurde. Dies entsprach auch seinen Erwartungen, und er war zu vernünftig, um anzunehmen, dass er schon zu diesem frühen Zeitpunkt im inneren Kreis oder was immer hier in Belbury dem Progressiven Element am Bracton College entsprach, Aufnahme finden würde. Aber er hoffte, man würde ihn nicht allzu lange seine Zeit in Schattenausschüssen vergeuden lassen. An diesem Morgen wurden hauptsächlich Einzelheiten der in Edgestow bereits angelaufenen Arbeiten besprochen. Das N.I.C.E. hatte anscheinend eine Art Sieg errungen, der ihm das Recht gab, die kleine normannische Kirche abzureißen. »Natürlich wurden die üblichen Einwände auf den Tisch gebracht«, sagte Wither. Mark, der an Architektur nicht sonderlich interessiert war und die andere Seite des Wynd nicht annähernd so gut kannte wie seine Frau, ließ seine Aufmerksamkeit abschweifen. Erst am Ende der Sitzung kam Wither auf einen regelrecht sensationellen Vorfall zu sprechen. Er meinte, die meisten der Anwesenden hätten die höchst traurige Nachricht wohl bereits gehört (Mark fragte sich, warum Vorsitzende immer mit solchen Wendungen anfingen), die offiziell bekannt zu geben er nichtsdestoweniger verpflichtet sei. Er bezog sich natürlich auf die Ermordung von William Hingest. Soweit Mark dem gewundenen und anspielungsreichen Bericht des Vorsitzenden entnehmen konnte, war Bill der Blizzard gegen vier Uhr früh mit eingeschlagenem Schädel neben seinem Wagen in der Potters Lane aufgefunden worden. Der Tod war mehrere Stunden zuvor eingetreten. Mr. Wither wagte anzunehmen, es sei den Anwesenden eine melancholische Befriedigung zu erfahren, dass die N.I.C.E.-Polizei noch vor fünf Uhr am Schauplatz des Verbrechens eingetroffen sei und dass weder die lokalen Behörden noch Scotland Yard irgendwelche Einwände gegen eine weitestgehende Zusammenarbeit erhöben. Wäre der Anlass passender, so hätte er einen Antrag begrüßt, Miss Hardcastle den Dank und die Glückwünsche des Ausschusses für das reibungslose Zusammenwirken ihrer eigenen Kräfte mit denen des Staates auszusprechen. Das sei ein Lichtblick in dieser traurigen Geschichte und, wie er meine, ein gutes Omen für die Zukunft. Dezent gedämpfter Applaus ging bei diesen Worten um den Tisch. Dann begann Mr. Wither mit einiger Ausführlichkeit über den Toten zu sprechen. Sie alle hätten Mr. Hingests Beschluss, sich vom Institut zurückzuziehen, sehr bedauert, wiewohl sie seinen Beweggründen volle Anerkennung zollten; sie alle hätten empfunden, dass diese offizielle Trennung nicht im Mindesten die herzlichen Beziehungen beeinträchtigen würde, die zwischen dem Verblichenen und den meisten – er glaube sogar sagen zu dürfen, ohne Ausnahme allen seinen früheren Kollegen im Institut bestanden. Der stellvertretende Direktor war durch seine besonderen Talente sehr gut befähigt, Leichenreden zu halten, und er ließ es auch nicht an der gebotenen Ausführlichkeit fehlen. Er schloss mit der Bitte an die Versammelten, sich zu erheben und das Andenken William Hingests durch eine Schweigeminute zu ehren.
Das taten sie, und es folgte eine schier endlose Minute, während der hier und da ein Hüsteln oder Schnaufen zu hören war. Hinter all den Masken glatter Gesichter mit fest geschlossenen Lippen stahlen sich belanglose Gedanken an dies und jenes hervor, so wie Vögel und Mäuse wieder auf eine Waldlichtung herausschlüpfen, wenn die Ausflügler gegangen sind, und jeder versicherte sich im Stillen, er jedenfalls sei nicht so morbide und denke an den Tod.
Dann scharrten Füße, Stimmen wurden laut, und die Sitzung wurde aufgehoben.I
5 _______
Das Aufstehen und die morgendliche Haushaltsarbeit waren für Jane viel angenehmer, weil sie Mrs. Dimble bei sich hatte. Mark half ihr häufig, da er aber die Ansicht vertrat – und Jane spürte es immer, auch wenn er es nicht sagte –, es müsse nur »irgendwie getan« werden, Jane mache sich eine Menge unnötiger Arbeit und Männer könnten einen Haushalt mit einem Zehntel des Aufhebens in Ordnung halten, das Frauen davon machten, war Marks Hilfe häufig ein Anlass für Streitereien zwischen ihnen. Mrs. Dimble dagegen machte alles so, wie sie es wollte. Es war ein heller, sonniger Morgen, und als sie sich zum Frühstück in die Küche setzten, fühlte auch Jane sich heiter und aufgeräumt. Während der Nacht hatte sie sich eine bequeme Theorie zurechtgelegt, derzufol-ge allein die Tatsache ihres Besuchs bei Miss Ironwood und der Aussprache mit ihr die Träume wahrscheinlich zum Verschwinden bringen würde. Damit wäre die Episode abgeschlossen. Und nun dachte sie an die aufregende Möglichkeit von Marks neuer Stellung, auf die man sich freuen konnte, und begann, sich Zukunftsbilder auszumalen.
Mrs. Dimble wollte gerne wissen, was Jane in St. Anne’s erlebt hatte und wann sie wieder hinausfahren werde. Auf die erste Frage antwortete Jane ausweichend, und Mrs. Dimble war zu höflich, sie zu bedrängen. Zur zweiten Frage meinte Jane, sie werde Miss Ironwood nicht wieder behelligen und sie lasse sich auch nicht länger von den Träumen behelligen. Sie sagte, sie sei albern gewesen, aber jetzt sei alles in Ordnung. Dann blickte sie auf die Uhr und fragte sich, warum Mrs. Maggs noch nicht erschienen sei.
»Ich fürchte, meine Liebe, Sie haben Ivy Maggs verloren«, sagte Mrs. Dimble. »Habe ich Ihnen nicht erzählt, dass man auch sie auf die Straße gesetzt hat? Ich dachte, es wäre Ihnen klar, dass sie in Zukunft nicht mehr zu Ihnen kommen