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Die rastlosen Reisen des frommen Chaoten. Adrian PlassЧитать онлайн книгу.

Die rastlosen Reisen des frommen Chaoten - Adrian Plass


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Morgen beschlossen, dass ich auch eine dieser Unterstützergruppen haben sollte, die viele andere christliche Redner haben. Je mehr ich darüber nachdachte, desto besser gefiel mir die Vorstellung. Ich als Gottes auserwähltes Werkzeug, eindrucksvoll und ummantelt mit Vollmacht in der Öffentlichkeit, doch zurückhaltend und voll sanfter Freundlichkeit im Privatleben, wo ich mich in demütiger Unterordnung den Diensten, den Ratschlägen und der Kritik, einer kleinen Gruppe von Leuten öffnen würde, die es als ein Vorrecht empfänden und stolz darauf wären, an dem teilzuhaben, was Gott durch mich täte.

      Erwähnte die Idee beim Frühstück gegenüber Anne und Gerald.

      »Die Sache ist die«, sagte ich, »dass ich mich ihrem Rat und ihrer Kritik unterordnen würde und ihnen gegenüber gewissermaßen rechenschaftspflichtig wäre und … äh … so.«

      Anne ließ mitten im Toastbrotschmieren das Messer sinken, lachte kurz auf und sagte: »Aber du kannst doch Kritik nicht ausstehen, Schatz. Das war schon immer so. Du kriegst Wutanfälle, sobald jemand irgendetwas sagt, das auch nur entfernt nach Kritik klingt – stimmt’s nicht, Gerald?«

      »Mama hat recht, Papa«, sagte Gerald. »Kritik ist eines von den Dingen, bei denen kleine Schaumfleckchen in deinen Mundwinkeln auftauchen.«

      War völlig entsetzt über diese Reaktion auf meine Idee. »Ich kann Kritik sehr wohl ausstehen, Anne – ich habe noch nie im Leben einen solchen Unsinn gehört! Wie kannst du nur so etwas sagen? Mir ist das Herz eines Dieners gegeben.«

      Gerald sagte: »Dann hat dein Organismus wohl das Transplantat abgestoßen, Papa.«

      Ignorierte ihn.

      »Und ich kriege auch keine ›Wutanfälle‹. Das klingt ja, als wäre ich – als wäre ich ein kleines Kind, dem gesagt wird, dass es keinen Bonbon mehr kriegt. Bitte nehmt zur Kenntnis, dass Gott in mir mächtig gearbeitet hat, was den Bereich Kritik angeht. Offen gesagt, ihr könntet gar nicht falscher liegen, selbst wenn ihr es darauf anlegen würdet.«

      An dieser Stelle brachen beide in Gelächter aus, aus Gründen, die mir völlig unverständlich waren. Gerald war so mit Kichern beschäftigt, dass er gar nicht merkte, dass seine Haarspitzen in der Marmelade hingen. Das tröstete mich etwas.

      Als sie sich wieder erholt hatte, sagte Anne: »Tut mir leid, Adrian, ich bin sicher, dass Gott mächtig in dir gearbeitet hat, es ist nur – «

      »Dass es noch nicht offenbar geworden ist.«

      »Nein, Gerald, bitte nicht – das wollte ich nicht sagen. Was ich sagen wollte«, fuhr Anne in ihrem vernünftigen Tonfall fort, »war, dass du dich wirklich verändert hast. Du hast ganz recht. Du bist dir jetzt viel mehr der Probleme und Fehler bei dir selbst bewusst, die du in der Vergangenheit überhaupt nicht bemerkt hast. Aber seien wir ehrlich, Schatz, es fällt dir immer noch nicht leicht – nun ja, dir anzuhören, was andere Leute darüber zu sagen haben, stimmt’s? Es ist sicherlich sehr nützlich und beeindruckend, wenn du vor großen Sälen voller Leute stehst und erzählst, dass du keine besonders großartige Person bist, aber schließlich hast du vollkommen in der Hand, was die Leute in so einer Situation über dich wissen dürfen, nicht wahr? Die halten dich sogar für umso toller, weil du so offen über deine Fehler redest, also gewinnst du so oder so, oder? Und das ist prima, solange du ein bisschen Kritik von Leuten wie uns vertragen kannst, die dir nahe stehen und sich nicht so leicht beeindrucken lassen.«

      Sie beugte sich herüber und ergriff meine Hand. »Es tut mir leid, Schatz. Gerald und ich hätten eben nicht so über dich lachen sollen. Es war nur so witzig, dass du einen Wutanfall kriegtest, als ich dich dafür kritisierte, dass du jedes Mal einen Wutanfall kriegst, wenn jemand dich kritisiert. So war es doch, oder nicht? Adrian, du siehst doch, worauf ich hinauswill, nicht wahr?«

      Vorübergehend gelähmt durch die Schlacht, die in mir tobte. Wollte nicht beleidigt oder wütend wirken, weil die beiden das sicher wieder als Unfähigkeit, Kritik anzunehmen, interpretiert hätten, wollte aber auch nichts sagen, da ich wusste, dass es beleidigt oder wütend klingen würde, denn so fühlte ich mich im Moment nun einmal. Brachte eine Art hölzerne Nickbewegung mit glasigem Blick zu Stande.

      »Falls es dir etwas hilft, Papa«, sagte Gerald, der inzwischen etwas auf die Rückseite eines Briefumschlages gekritzelt hatte, »hier ist ein kleines Gedicht zum Thema:

      Frei bekenn’ ich meine Sünden,

      denn Gott gewährt mir Gnade,

      doch hältst du mir die Fehler vor,

      polier’ ich dir die Fassade.

      Trifft das ungefähr den Kern?«

      Konnte mir das Lachen nicht verkneifen. Anne ging frischen Kaffee aufsetzen.

      Ich sagte: »Dann findet ihr die Idee mit der Unterstützergruppe also nicht gut?«

      »O doch«, sagte Anne, »ich finde die Idee hervorragend, solange du dich wirklich angreifbar zeigst und sie nicht nur als Mittel gebrauchst, um – nun ja, um deinen Status als ›Star‹ zu betonen und zu genießen. Aber das willst du ja nicht, oder?«

      Klingt ja, als wäre ich Robbie Williams.

      »O nein … nein, das wäre schrecklich. Das fände ich absolut grauenhaft …«

      »Und du willst doch sicherlich auch nicht die Zeit der anderen verschwenden, nicht wahr? Weißt du was? Warum bittest du nicht Edwin, eine Gruppe für dich zusammenzustellen? Er weiß am besten, welche Leute er darum bitten kann.«

      »Ach«, sagte ich, »ich hatte eigentlich eher gedacht, ich würde mir aussuchen, wer dazukommt.«

      »Genau«, sagten Anne und Gerald im Chor.

      Dankte Gott widerwillig, aber aufrichtig für meine Familie, bevor ich heute Abend zu Bett ging.

      Wüsste gern, ob Norma Twill in meiner Unterstützergruppe sein wird. Eigentlich aus keinem besonderen Grund. Wüsste es nur gern, weil sie – nun, weil sie sehr … äh … nett ist.

      Zwei Uhr nachmittags.

      Habe gerade mit Everett Glander zu Mittag gegessen, der sich immer noch nicht bekehrt hat, obwohl er doch nun schon seit zehn Jahren Kontakt zu mir hat – dem großen reisenden Evangelisten!

      Werde allmählich ziemlich nervös. Wenn ich es nicht schaffe, die Person zu bekehren, die seit einem Jahrzehnt neben mir sitzt, wie soll ich dann bei irgendjemand anderem etwas bewirken? Was bilde ich mir eigentlich ein? Ich meine, ich fühle mich nicht einmal wie jemand, von dem man sich vorstellen könnte, dass Gott ihn gebraucht, um mit Menschen zu kommunizieren. Und was bringt mich auf den Gedanken, dass eine Gruppe vielbeschäftigter Leute ihre Zeit damit verschwenden würde, mich zu unterstützen, wenn sie selbst wichtige Dinge zu tun haben? Und warum sollte Gott überhaupt wollen, dass ich, ausgerechnet ich, hingehe und ihn repräsentiere? Angenommen, er will eigentlich gar nicht, dass ich ihn repräsentiere, aber meine Ohren sind vom Satan verstopft worden. Was ist, wenn der Teufel mich um den Finger gewickelt hat? Angenommen, ich wäre ein aktiver Handlanger des Bösen, ohne es zu merken. Was ist, wenn ich der Antichrist bin? Was ist, wenn ich tatsächlich das Tier aus der Offenbarung bin, dazu bestimmt, für alle Ewigkeit in den Feuersee geworfen zu werden?

      Beunruhigt mich ein bisschen, der Gedanke.

      23.30 Uhr.

      Habe Gerald gezeigt, was ich im Büro geschrieben habe, als er heute Abend heimkam. Er las es und sagte: »Ja, sehr ausgewogener Gedankengang, Papa, wie üblich. Meinst du nicht, du hast dich da vielleicht ein kleines bisschen hineingesteigert? Wenn die Engel dereinst gemächlich durch die Stadt aus Gold schlendern und ihr Tier mit Pommes genießen, eingewickelt in alte Heukelbach-Traktate, kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, dass du es bist, den sie da verzehren.«

      Sagte ihm, dass ich eigentlich selbst nicht glaube, was ich da geschrieben habe – es käme mir nur sozusagen etwas albern vor, mir einzubilden, dass Gott mich »aussendet«. Er nickte sehr nachdenklich und sagte, er werde die Angelegenheit gründlich überdenken.

      Weiß


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