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Tagebuch eines frommen Chaoten. Adrian PlassЧитать онлайн книгу.

Tagebuch eines frommen Chaoten - Adrian Plass


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      THE SACRED DIARY OF ADRIAN PLASS (Aged 37 3/​4).

      © 1987 by Adrian Plass

      Übersetzung aus dem Englischen: Andreas Ebert

      Einbandgestaltung: Georg Design, Münster

      Satz: Satzstudio Winkens, Wegberg

      1. digitale Auflage 2013

      Digitale Veröffentlichung: Zeilenwert GmbH

       www.brendow-verlag.de

      Der (vom Autor erfundene) Sohn des Tagebuchschreibers, Gerald Plass, frönt einem eigenartigen Hobby: Er tüftelt Anagramme aus. Laut Brockhaus Enzyklopädie von 1966 ist ein Anagramm »die Umstellung der Buchstaben eines Wortes, um Pseudonyme, Wortspiele u. a. zu bilden … Im 16. und 17. Jahrhundert wurde es bei Pseudonymen und Buchtiteln verwendet, so von … Christoffel von Grimmelshausen (Pseudonym: German Schleifheim von Sulsfort) … «

      Im angelsächsischen Raum erfreut sich diese Spielerei, der man im Mittelalter allerlei mystische Bedeutungen gab, einer gewissen Beliebtheit. In Deutschland ist sie heute fast ausgestorben. Ein einziges Bändchen mit (allerdings genialen) Anagramm-Gedichten ist auf dem Markt: Oskar Pastior, Anagramm-Gedichte, München 1985. Ihm habe ich die Varianten zum Stichwort »seinesgleichen« beim Tagebucheintrag vom Mittwoch, 19. Februar, entnommen. Die restlichen Anagramme in dieser Übersetzung habe ich auf langen Eisenbahnfahrten und – anlässlich eines Besuchs – mithilfe meiner sprachbegeisterten Mutter ertüftelt. Zu meiner Entlastung bei der Übersetzung künftiger Plass-Werke (es gibt noch mehr!) bitte ich die Leserinnen und Leser dieses Buches, eigene Anagramm-Einfälle beim Verlag einzusenden.

      Der Übersetzer

      Andreas Ebert

      Fühle mich innerlich geführt, ein Tagebuch anzufangen. Eine Art spirituelles Logbuch zur Erbauung künftiger Geschlechter. Höhere Eingebungen und Erkenntnisse werden immer wieder neu aus seinen Zeilen emporstrahlen wie ein Leuchtturm in der Nacht.

      Weiß nicht, was ich heute schreiben soll.

      Na ja, morgen ist Sonntag. Am Sonntag muss doch was los sein, oder?

      Alle Jahre wieder dieser Weihnachtsrummel! Diesmal werde ich nur zehn Karten verschicken. Was ist schließlich der Sinn von Weihnachten?!

      In unserer Kirche geht es in letzter Zeit zu wie in einem Auktionshaus. Ein Blick, und schon wirst du beseelsorgt. Meine Devise lautet deshalb: »Keine falsche Bewegung und erlöst lächeln!« Heute früh predigte Edwin Burlesford. 45 Minuten zum Thema »Sünde«! Eine Rekord-Predigt: neun Gummibärchen. Gegen Halbzeit wollte ich mich gerade mit Nachschub versorgen, als Edwin plötzlich schrie: »WOLLUST!« und mir die Tüte unter den Stuhl fiel. Steckte den Kopf zwischen die Beine, um die Gummibärchen zu orten, kam aber nicht mehr hoch, weil Doreen Cook die Hände auf meinen Hinterkopf gepresst hatte. Sie betete, »dass unser verzweifelter Bruder von der Finsternis zum Licht geführt wird«. Das war auch mein Herzensanliegen – schließlich war es da unten zappenduster. Als sie mich endlich wieder das Licht der Welt erblicken ließ, befand sich dieses impertinente christliche Lächeln auf ihrem Gesicht. War nahe dran, ihr einen echten Grund zu bieten, mir zu vergeben. Jeder denkt jetzt, ich habe ein riesiges Wollustproblem. Beim Kirchenkaffee lächelten mir alle aufmunternd zu. Leonard Thynn umarmte mich. Ich trug mich auf Edwins Liste fürs Weihnachtsliedersingen am nächsten Sonntag ein, um zu beweisen, dass ich nicht völlig verdorben bin. Gerald will auch mitmachen.

      Mein Sohn Gerald sagt, nächsten Samstag kommt James Bond im Fernsehen. Schade, dass sich das mit dem Singen überkreuzt. Aber der Dienst des Herrn hat natürlich Vorrang!

      Habe völlig geistesabwesend einen Karton mit 50 Weihnachtskarten gekauft. Wenn schon – die reichen für fünf Jahre.

      Habe letzte Nacht geträumt, ich bin James Bond.

      Ist Weihnachtsliedersingen schriftgemäß? Rief Doreen Cooks Mann Richard an, der die Auffassung vertritt, Weihnachtsbäume sind heidnisch. Fehlanzeige – anscheinend ist das Singen in Ordnung.

      Wieder 50 Karten gekauft.

      Könnte es sein, dass Gott mir sagen will, ich soll James Bond sehen? Schlug die Bibel aufs Geratewohl auf und legte meinen Finger irgendwo auf die Seite. Da stand: »Und die Hunde leckten das Blut … «

      Ging zu Bett. Manchmal verstehe ich Gott nicht …

      Legte ein »Vlies«1 aus. Wenn pünktlich um 9.04 Uhr ein Gnom in einer japanischen Admiralsuniform an meiner Haustür erscheint, dann weiß ich, dass Gott möchte, dass ich Weihnachtslieder singe.

      9.05 Uhr: Ein Wunder! Keiner hat geklingelt. Damit ist der Fall erledigt. Um 10.30 Uhr kam bloß Leonard Thynn und verkaufte Weihnachtskarten. Nahm 50.

      Was für ein Abend!

      19.30 Uhr: Filmbeginn. Wunderte mich, dass sich Gerald vor die Flimmerkiste setzte. »Was ist mit den Weihnachtsliedern?«, wollte ich wissen. »Ach, weißt du«, sagte er, »ich hab schon am Montag den ollen Edwin angerufen und ihm gesagt, dass heute ein guter Film läuft und dass ich deshalb nicht kommen will.«

      Warum mache ich so was nie?

      20.45 Uhr: Edwin an der Tür. Hat sich Sorgen gemacht, weil ich nicht beim Singen erschienen bin. Ich verlor die Nerven und erklärte ihm, ich hätte immer noch an meiner Wollust zu kauen.

      23.00 Uhr: Edwin verließ mich, nachdem er mich zweieinhalb Stunden beseelsorgt hatte. Verpasste das Filmende. An der Tür sagte Edwin: »Ich geh jetzt nach Haus und seh mir den Bondfilm an. Meine Frau hat ihn auf Video aufgezeichnet.«

      Gerald behauptete, das sei das beste Filmende gewesen, das er je gesehen hat. Dabei grinste er auf eine reichlich unchristliche Weise. Aber im Großen und Ganzen ist er in Ordnung. Tätschelte gönnerhaft mein Haupt und meinte, Gott hätte mich trotz allem lieb.

      Nächstes Jahr werde ich keine einzige Weihnachtskarte verschicken.

      … Trotz was???

      Heute war ein Gastprediger in der Kirche. Hatte eine Mönchskutte an und sagte, Gott ist unser Freund und mag uns. Alles schielte verstohlen zu Edwin, um zu sehen, ob wir einverstanden sind. War schwer zu sagen, weil Edwin selig lächelnd dasaß wie ein satter Säugling. Der Redner zitierte andauernd Mutter Teresa von Kalkutta, die bekanntlich römisch-katholisch ist!

      Hinterher tuschelte uns Richard Cook zu: »Alles schön und gut, aber ist sie bekehrt?«

      Gerald zischte zurück: »Alles schön und gut, aber wie viele verlauste Bettler hast du letzte Woche gewaschen, Richard?«

      Anne sagte, sie fand den Mönch wundervoll. Dann wird es wohl stimmen.

      Heute hat uns eine doppelte Hiobsbotschaft erreicht, die uns in nachhaltige Depressionen stürzen würde, wenn wir keine Christen wären: Annes Onkel Ralph, der ordinärste Mensch, der mir je über den Weg gelaufen ist, muss Weihnachten ausgerechnet bei uns verbringen!


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