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Typen und Temperamente. Reinhold RutheЧитать онлайн книгу.

Typen und Temperamente - Reinhold Ruthe


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       Die Theorien

      Jeder Mensch ist einmalig, das wissen wir. Keine zwei Individuen sind völlig gleich. Nicht einmal zwei Fingerabdrücke stimmen weltweit überein. Bestimmte Völker verkörpern zwar ähnliche Merkmale. Sie haben eine gleiche Hautfarbe, eine bestimmte Augenstellung, eine charakteristische Nasen- und Ohrenform, wulstige oder schmale Lippen, gedrungene oder lang gezogene Körperformen. Und doch sind alle Menschen – beim näheren Hinsehen – einmalige Individuen. Im Fühlen, Denken, Handeln und im Aussehen sind sie Originale. Gott hat in seiner Weisheit Menschen, Pflanzen und Tiere in unvergleichbarer Einzigartigkeit erschaffen. Kein Blatt an Buche, Eiche oder Birnbaum gleicht dem anderen. Gott hat schöpferische Wunder vollbracht.

      Seit Menschen die Erde bevölkern, hat es Versuche gegeben, den Menschen in seiner Einmaligkeit besser zu verstehen und seine Eigenarten und Verhaltensmuster einzugruppieren. Es gibt unzählige Schlüssel, das Rätsel Mensch »aufzuschließen« und sein Wesen zu erfassen.

       1.1 Die vier Temperamente nach Hippokrates

      Die wohl älteste schriftlich fixierte Theorie stammt von dem griechischen Arzt Hippokrates, dem Vater und Begründer westlicher Medizin. Seine Lehre von den vier Temperamenten hat mit intuitiver Sicherheit Lebensgrundstrukturen gekennzeichnet, die sich weit über 2 000 Jahre erhalten haben und heute noch Anwendung finden. Wir wollen sie im Folgenden kurz erläutern.

      Der Arzt Hippokrates, der im 5. Jahrhundert vor Christus lebte, ging von einer engen Verknüpfung zwischen leiblichen, seelischen und geistigen Aspekten des Menschen aus. Für ihn waren Gesundheit bzw. Krankheit mit der Persönlichkeit eng verbunden. Diese Erkenntnis war für die damalige Zeit revolutionär.

      Das Wort »Temperament« beinhaltet »richtige Mischung«. Jeder Mensch in seinem Temperament ist also eine Mischung aus

        sanguinischen,

        cholerischen,

       melancholischen und

       phlegmatischen Anteilen.

      Die Formulierung der vier Temperamente ist von vier Körperflüssigkeiten abgeleitet worden, die man damals für die Persönlichkeitsstruktur verantwortlich machte:

       sanguis = Blut,

       cholos = gelbe Galle,

       melanchos = schwarze Galle,

       phlegma = Schleim.

      Man war der Meinung, dass eine bestimmte Mischung dieser Körpersäfte ein hervorstechendes Temperament hervorbringen würde. Die Beobachtung der vier unterschiedlichen Temperamente hat sich als richtig erwiesen. Die Ableitung aus den Körpersäften hingegen ist längst widerlegt. Folgende Persönlichkeitsmerkmale charakterisieren das jeweilige Temperament:

      Das sanguinische Temperament kennzeichnet den fröhlichen und gern genießenden Menschen. Er ist

       aktiv und ruhelos,

       warmherzig und charmant,

       offenherzig und redselig,

       unbefangen und unterhaltsam,

       liebenswürdig und lebhaft.

      Das melancholische Temperament kennzeichnet den bedrückten und schwermütigen Menschen. Er ist in erster Linie

       gefühlvoll und selbstbezogen,

       idealistisch und enttäuscht,

       verletzlich und grüblerisch,

       sensibel und künstlerisch veranlagt,

       gründlich und treu,

       zuverlässig und selbstdiszipliniert,

       pessimistisch und unentschlossen.

      Das cholerische Temperament kennzeichnet den heißblütigen Menschen mit einem schnellen, aktiven Handeln. Er ist in erster Linie

       tatkräftig und entschlussfreudig,

       willensstark und zuversichtlich,

       gefühlsarm und wenig mitempfindend,

       schroff und dickfellig,

       eigensinnig und unnachgiebig,

       herrschsüchtig und jähzornig.

      Das phlegmatische Temperament kennzeichnet den schwerfälligen, friedlichen und langsamen Menschen. Er ist in erster Linie

       ruhig und ausgeglichen,

       gutmütig und friedliebend,

       nüchtern und praktisch,

       langsam und faul,

       kalt, sachlich und gleichgültig,

       selbstsüchtig und unmotiviert.

      Jedes Temperament hat positive und negative Seiten, Stärken und Schwächen. Diese vier Temperamente finden wir überall auf der Welt. Und auch in der Bibel begegnen uns Menschen, die jeweils ein vorherrschendes Temperament widerspiegeln.

       1.2 Grundformen der Angst

      Weniger um Temperamente als vielmehr um Persönlichkeitsstrukturen, d. h. um vier allgemein gültige Grundeinstellungen und Verhaltensmöglichkeiten, geht es dem Psychoanalytiker Fritz Riemann1. Er orientiert sich an den Begriffen der Neurosenlehre, betont aber ausdrücklich, dass wir alle diese vier Persönlichkeitsstrukturen verkörpern. Er schildert weitgehend gesunde Strukturen, macht aber am lebensgeschichtlichen Hintergrund der Typen auch neurotische Aspekte (heute: neurotische Störungen) deutlich. Er spricht von

       der schizoiden,

       der depressiven,

       der zwanghaften und

       der hysterischen Persönlichkeitsstruktur.

      Diese Persönlichkeitsstrukturen, die in Psychiatrie, Medizin und Psychologie gebräuchlich sind, werden in diesem Buch eingehend behandelt.

      Fritz Riemann geht davon aus, dass die Welt vier mächtigen Impulsen gehorcht. Am Beispiel der Erde werden diese vier Kräfte definiert. Gleichzeitig ist für ihn die Erde ein Bild oder Gleichnis für den Menschen, der auch von vier Strebungen im Gleichgewicht gehalten wird:

      1 Die Erde vollzieht eine Eigendrehung (er spricht hier von Rotation).

      2 Die Erde umkreist die Sonne (Revolution).

      3 Die Erde wird gehalten durch Schwerkraft (zentripetales Verhalten).

      4 Die Erde wird gehalten durch Fliehkraft (zentrifugales Verhalten).

      Alle vier Kräfte sind notwendig, um die Erde im Gleichgewicht zu halten. Würde eine Bewegung ausfallen oder ernsthaft gestört werden, käme die Ordnung durcheinander und die Erde würde im Chaos enden. Diese vier Grundimpulse überträgt Riemann auf das menschliche Leben und filtert vier Lebensgrundeinstellungen heraus, die für das persönliche Leben und für das Zusammenleben maßgeblich sind.

       Grundimpuls 1:

       Die Rotation (die Eigendrehung)

      Die Eigendrehung ist notwendig, um eine selbstständige, einmalige und unabhängige


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