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Das Abenteuer meiner Jugend. Gerhart HauptmannЧитать онлайн книгу.

Das Abenteuer meiner Jugend - Gerhart Hauptmann


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Hin­sicht ließ mich der Va­ter mei­ner Wege ge­hen, wo­ge­gen er auf mei­ne Was­ser­scheu kei­ne Rück­sicht nahm und mich mit sei­ner Kalt­was­ser­kur ei­gen­hän­dig be­treu­te.

      Es wur­den mor­gens Schwäm­me voll eis­kal­ten Was­sers über mei­nen ge­beug­ten Na­cken und Kopf aus­ge­drückt. Manch­mal mach­te mich der Schmerz halb wahn­sin­nig, aber ich durf­te nicht schrei­en, und auch sons­ti­gen Wi­der­stand gab es nicht, eben­so­we­nig, wenn der Va­ter mich in das ei­gens für mich ge­schnit­te­ne nass­kal­te Abreib­tuch wi­ckel­te und mich mit kräf­ti­gen Fäus­ten ab­schrum­pel­te. Hier war das schlimms­te der ers­te Au­gen­blick.

      Der Pro­test mei­ner Mut­ter, die von al­le­dem nichts hielt, half eben­so­we­nig wie die zit­tern­de Er­ge­bung mei­ner zar­ten Kind­lich­keit. Schön und er­qui­ckend war die von mei­nem Va­ter be­lieb­te Art des Ab­trock­nens. Mir wur­de ein wei­ches Bett­la­ken um­ge­legt, wo­mit ich mich vor dem of­fe­nen Fens­ter gleich­wie mit Flü­geln plä­dern durf­te.

      *

      Neu­es Schuh­werk ließ mir mein Va­ter in der Werk­statt des Schus­ters Blie­mel zu Hin­ter­har­tau, neue An­zü­ge in der Werk­statt des Schnei­ders Leo am Ende der Pro­me­na­de per­sön­lich an­mes­sen. Leo, ein Zwerg, der eine Zwer­gin ge­hei­ra­tet hat­te, saß im­mer mit ge­kreuz­ten Bei­nen, sti­chelnd und von Tuch­lap­pen um­ge­ben, in ei­nem win­zi­gen Schau­fens­ter. Heu­te scheint mir, dass die­ses Männ­chen, sein Be­tra­gen und sei­ne Werk­statt noch dem Mit­tel­al­ter an­ge­hört ha­ben.

      Mit be­son­de­rer Sorg­falt nahm sich der Va­ter mei­nes Schuh­werks an. Er sel­ber hat­te ver­bil­de­te Füße, wo­vor er uns Kin­der be­wah­ren woll­te. Ohne Rück­sicht auf die Mode des spit­zen Schuhs be­stand er auf Brei­te und Wei­te.

      *

      Die­ser Lehm­teich hat mir spä­ter einen emp­find­li­chen Streich ge­spielt. Ich trieb mich wie stets auf der Stra­ße in der Nähe des Gast­hofs her­um, die Sai­son war in vol­lem Gan­ge. Da sprach mich ein Jun­ge, ein ge­bo­re­ner Hans­wurst na­mens Geis­ler, an, der einen herr­li­chen Ap­fel in der Hand hat­te. Der etwa zehn Jah­re alte Ar­men­häus­ler lang­weil­te sich. Er muss­te im Auf­trag einen wei­ten Weg ma­chen und ver­fiel dar­auf, mich zur Ge­sell­schaft mit­zu­lo­cken.

      Das nun aber, was im Au­gen­blick hier am Tei­che ge­sch­ah, brach­te den zu­rück­ge­leg­ten Weg, den Gast­hof zur Kro­ne, die Ge­schwis­ter, die El­tern, ja mich selbst völ­lig in Ver­ges­sen­heit. Der Lehm­teich wur­de ab­ge­las­sen, und zu Aber­hun­der­ten spran­gen, schnalz­ten und pansch­ten in dem im­mer seich­ter wer­den­den Was­ser große Kar­pfen und klei­ne Fo­rel­len her­um. Sie wur­den von Män­nern in auf­ge­streif­ten Ho­sen aus dem gel­ben Schlamm her­aus­ge­grif­fen, am Ufer in Wan­nen und Fäs­sern zu­sam­men­ge­häuft. Kreb­se wur­den aus ih­ren Lö­chern her­vor­ge­zo­gen und zum all­ge­mei­nen Ver­gnü­gen und Ent­set­zen her­um­ge­reicht.

      Al­les die­ses nahm mich ge­fan­gen. Die großen und klei­nen Fi­sche, die ich zum ers­ten Mal le­bend und nahe sah, ihre glot­zen­den und ver­zwei­feln­den Au­gen, die Fanglust, die mich er­griff, und zu­gleich die bit­te­re Er­kennt­nis des to­des­na­hen Zu­stan­des, in den alle die­se We­sen, noch eben frei und glück­lich, ge­ra­ten wa­ren: die pa­cken­de Ge­gen­wart von al­le­dem be­täub­te mich. Ich hat­te noch nicht Mit­tag ge­ges­sen, und als ich den Heim­weg an­trat, um, wie ich glaub­te, dazu noch recht­zei­tig vor der Mahl­zeit ein­zu­tref­fen, war es na­he­zu Abend ge­wor­den.

      Mei­ne El­tern müs­sen ver­zwei­felt ge­we­sen sein. Die Po­li­zei war ver­stän­digt wor­den, nach al­len Him­mels­rich­tun­gen hat­te man Bo­ten aus­ge­schickt, die dann un­ver­rich­te­ter Din­ge zu­rück­ka­men. Es wa­ren Zi­geu­ner ge­sich­tet wor­den, der De­muth­teich wur­de ab­ge­sucht, ich konn­te zum Ba­den ver­führt und er­trun­ken sein.

      Nun, die un­ge­heu­re Span­nung und Angst hat sich bei mei­nem Va­ter, als er mich wie­der an der Hand hat­te, in die Form ei­ner ziem­lich har­ten Züch­ti­gung auf­ge­löst.

      *

      Es war na­tür­lich, dass ich aus den Schul­bän­ken, wo ich mit den zer­lump­ten Ar­men­häus­lern Sei­te an Sei­te saß, ein­mal Krät­ze und Läu­se heim­brach­te. Ein an­de­res Übel, eine Haut­flech­te, die mei­nen gan­zen Kör­per über­zog, war erns­te­rer Art: Krank­heit und Ver­su­che zu ih­rer Hei­lung wur­den Mar­tern für mich. Mein Va­ter hat­te wie bei Carls Lun­gen­ent­zün­dung den Chir­ur­gus Rich­ter und mei­nen On­kel, Dok­tor Straeh­ler, her­an­ge­zo­gen. Die­ser, Ba­de­arzt und ein schö­ner, hu­mor­vol­ler Mann, ver­ord­ne­te Pin­se­lung mit Pe­tro­le­um. Hät­te man es an­ge­zün­det, der Schmerz hät­te nicht kön­nen grö­ßer sein. Da sich auch die­se Qual als nutz­los er­wies, ging mein Va­ter mit mir zu ei­nem Schä­fer, der den Ruf ei­nes Wun­der­tä­ters be­saß. Lei­der tat er dies­mal kein Wun­der, und da die Flech­te nur im­mer gräu­li­cher wu­cher­te, trat mein Va­ter mit mir eine Rei­se nach der Pro­vin­zi­al­haupt­stadt an. Es scheint, dass die Kon­sul­ta­ti­on ei­nes Der­ma­to­lo­gen dann das quä­len­de Übel be­hob.

      Die Fahrt nach Bres­lau ge­sch­ah auf der kaum fer­tig­ge­wor­de­nen Stre­cke der Bres­lau-Frei­bur­ger Ei­sen­bahn. Man er­reich­te den Zug in Frei­burg oder Alt­was­ser. Ich ver­moch­te, nach Hau­se zu­rück­ge­kehrt, in Schil­de­run­gen des Wun­der­ba­ren, das ich er­lebt hat­te, be­son­ders in der Schu­le, mir nicht ge­nug zu tun.

      In Wahr­heit nahm ich das heu­len­de, zi­schen­de, don­nern­de Dampfroß, das mit dem Zuge schwe­rer Wa­gen blitz­schnell da­hin­stürm­te, als eine Ge­ge­ben­heit. Schließ­lich war es kein grö­ße­res Wun­der als ir­gen­det­was von dem, was mei­nem Hin­ein­schrei­ten in die Welt in end­lo­ser Fül­le über­all ent­ge­gen­kam. Die Ma­schi­ne pfiff, wenn wir uns ei­ner Sta­ti­on an­nä­her­ten, wor­auf der Schaff­ner, den je­der Wa­gen hat­te, mit al­len Kräf­ten bis zum Krei­schen der Schie­nen die Brem­se zog. Wäh­rend der Fahrt be­schäf­tig­te mich am meis­ten das Spiel der Te­le­gra­fen­dräh­te, ihr Auf und Ab vor den Fens­tern. Ich wuss­te nicht, wie ihre Be­we­gung zu­stan­de kam. Pein­lich emp­fand ich die Ohn­macht uns­rer Ge­fan­gen­schaft und war be­freit, als wir in Bres­lau aus­stei­gen konn­ten. Mein Va­ter selbst aber war viel­leicht die we­sent­li­che Ent­de­ckung, die ich bei die­ser Bahn­fahrt ge­macht habe.

      Er war auf ein­mal mein Ka­me­rad und nicht mehr die stei­fe Re­spekts­per­son. Das in­ti­me Ver­hält­nis von gleich und gleich über­traf noch den Zu­stand, wie er bei Fuhr­mann


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