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Das Abenteuer meiner Jugend. Gerhart HauptmannЧитать онлайн книгу.

Das Abenteuer meiner Jugend - Gerhart Hauptmann


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ge­we­sen ist, aber er war ein schö­ner und ele­gan­ter Mann, der schöns­te viel­leicht un­ter den Ba­de­ärz­ten.

      In sei­nem Hau­se herrsch­te, von mei­ner Tan­te Straeh­ler aus­ge­hend, eine bei­nah sche­men­haf­te, küh­le Gü­tig­keit. Die Na­tur mei­nes On­kels war voll gu­ter Lau­ne und Le­bens­lust. Bei­des in sei­nen vier Wän­den aus­zu­to­ben, hat­te er kei­ne Ge­le­gen­heit, nicht weil es ihm sei­ne Gat­tin ver­bot, son­dern weil er es um ih­ret­wil­len sich selbst ver­sag­te. An­ders war dies in un­serm Krei­se, wo Va­ter und Mut­ter sei­nen Hu­mo­ren al­les Ver­ständ­nis ent­ge­gen­brach­ten und sich von ih­nen be­lebt fühl­ten.

      Die­sem On­kel, der wie mein Groß­va­ter mit dem Vor­na­men Her­mann hieß, konn­te man an­mer­ken, dass er sich wohl­fühl­te. Man ver­zieh dem ele­gan­ten und schö­nen Mann, wenn er selbst in Ge­sell­schaft von vor­neh­men Da­men ge­le­gent­lich Schwarz schwarz, Weiß weiß und ge­wis­se phy­sio­lo­gi­sche Funk­tio­nen mit lu­the­risch-deut­schen Kern­wor­ten nann­te. Mit ei­nem lie­bens­wür­di­gen La­chen der Un­schuld wur­den des­falls er­teil­te Rü­gen von ihm über­hört.

      Das Haus­we­sen die­ses On­kels ruh­te auf ei­nem Grun­de ge­si­cher­ten Wohl­stan­des, den er der Gat­tin zu ver­dan­ken hat­te.

      Die Kin­der des Dok­tor Straeh­ler­schen Ehe­paa­res – da­mals sind nur Ar­thur und Ger­trud in mein Be­wusst­sein ge­tre­ten – wur­den nach ganz an­de­ren Grund­sät­zen auf­ge­zo­gen als wir klei­nen Haupt­leu­te: hier Ab­här­tung, dort Ver­zär­te­lung. Es war nicht zu den­ken, dass Ar­thur im Win­ter etwa mit mir stun­den­lang oder über­haupt den Pap­pel­berg hät­te hin­un­ter­ro­deln dür­fen. Sol­che all­fäl­lig ge­fähr­li­chen Un­ter­neh­mun­gen, und noch dazu un­ter lär­men­den und kra­keelen­den Gas­sen­jun­gen, konn­ten für ihn nicht in Be­tracht kom­men.

      Es ka­men bei die­sem Win­ter­ver­gnü­gen ge­le­gent­lich wirk­lich Un­fäl­le vor. Ein Kna­be, der bei ver­eis­ter Bahn, den Kopf vor­an, auf dem Schlit­ten lag, fuhr ge­gen einen Pap­pel­stamm und wur­de be­wusst­los fort­ge­tra­gen.

      Vi­el­leicht war Ger­trud wirk­lich ein zu schö­nes und zar­tes Kind, um ro­bus­ten Ver­gnü­gun­gen die­ser Art ge­neigt und ge­wach­sen zu sein, und be­durf­te eben der Pfle­ge, wie sie ihr von den El­tern zu­teil wur­de. Bei Ar­thur schi­en es uns und mei­nem Va­ter und mei­ner Mut­ter, man gin­ge in ängst­li­cher Sorg­falt zu weit.

      Wir Kin­der be­such­ten ein­an­der ge­le­gent­lich, nicht aber so, dass wir im Ko­me­ten und sie im Gast­hof zur Kro­ne un­ge­mel­det aus und ein gin­gen. Die Vor­be­spre­chun­gen zwi­schen den El­tern dau­er­ten ta­ge­lang. Man muss­te nicht nur im Ko­me­ten auf un­ser Er­schei­nen vor­be­rei­tet sein, son­dern Ar­thur und Ger­trud kos­te­ten noch weit grö­ße­re Um­stän­de, wenn sie zu uns her­über­ge­bracht wer­den soll­ten. Was sie tun und nicht tun durf­ten, wur­de an­ge­sagt, was sie es­sen und ver­mei­den, wel­che Wär­me die Zim­mer brauch­ten und so fort.

      Pünkt­lich wur­den sie dann vom Haus­die­ner des Ko­me­ten, ver­mummt bis über die Au­gen, mit Fuß­sä­cken aus­ge­stat­tet und im reich­ver­zier­ten Stuhl­schlit­ten, an­ge­bracht. Und doch war der Weg vom Ko­me­ten bis zu uns in zwei Mi­nu­ten zu­rück­zu­le­gen.

      *

      Im spä­ten Herbst und zei­ti­gen Früh­jahr, wenn kei­ne Gäs­te mehr oder noch kei­ne da wa­ren, fand ge­le­gent­lich ein grö­ße­rer Kreis von Ver­wand­ten den Weg zu uns und ge­noss die freie und herz­li­che Gast­lich­keit mei­nes Va­ters.

      Ich kann mich er­in­nern, wie bei ei­ner sol­chen Ge­le­gen­heit ein ent­fern­ter On­kel und äl­te­rer Mann wie ein Hans­wurst mit den Wor­ten »Der Matsch­ker kommt!« ins Zim­mer sprang und mich klei­nen Jun­gen, ohne da­von eine Ah­nung zu ha­ben, für ihn gleich­sam er­rö­ten mach­te. Mein Ge­fühl für Wür­de, am Bei­spiel mei­nes Va­ters ge­reift, konn­te ein sol­ches Be­tra­gen nur mit in­ner­li­chem Ent­set­zen hin­neh­men.

      Der Jüngs­te un­ter den Söh­nen des Brun­nen­in­spek­tors war On­kel Karl, in Kau­fun­gen Guts­in­spek­tor. Er und sein Bru­der, On­kel Paul, wa­ren die Hu­mo­ris­ten der Fa­mi­lie, aber Gott sei Dank nicht im Sin­ne von »Der Matsch­ker kommt!«

      Ein sol­cher im­pro­vi­sier­ter Fa­mi­li­en­tag, um Os­tern, konn­te köst­lich sein. Tan­te Ju­lie sang im Blau­en Saal, vom Or­ga­nis­ten des Orts be­glei­tet. Nach dem Gar­ten stan­den die Gla­stü­ren of­fen, und mit der er­wärm­ten son­ni­gen Luft drang das Pfei­fen und Schna­bel­klap­pern der Sta­re her­ein. Das buck­li­ge Tänt­chen Au­gus­te war da, On­kel Paul aus Bres­lau, der sei­ne Braut, die Toch­ter ei­nes Ju­we­liers, die dazu noch Gold in der Keh­le hat­te, mit­brach­te. Zwi­schen ih­ren Ko­lo­ra­tu­ren und dem herr­li­chen Alt der Obe­r­amt­män­nin Schu­bert gab es einen Sän­ger­streit. Mein Bru­der Ge­org und sein Freund Wal­de­mar Gold­stein wa­ren da, die den los­ge­bun­de­nen Fe­ri­en­geist von Se­kun­da­nern mit­brach­ten. Selbst mei­ne Mut­ter war auf­ge­räumt. Kal­te Kü­che wur­de her­um­ge­reicht. Ei­gen­hän­dig ent­kork­te mein Va­ter Wein­fla­schen. In­dem sich mir ein be­stimm­ter Os­ter­mor­gen wie­der ent­hüllt, er­in­ne­re ich mich al­ler­dings auch ei­ner bei­na­he un­ap­pe­tit­li­chen Zärt­lich­keit On­kel Pauls ge­gen­über sei­ner Braut, die spä­ter mit Recht all­sei­tig ge­rügt wur­de.

      *

      Ward im Herbst von mei­nem Va­ter und On­kel Gu­stav Wein ab­ge­zo­gen, so muss­te ich wohl be­hilf­lich sein. Es war nicht ganz leicht, vol­le Fla­schen auf dem un­ebe­nen Stein­bo­den des Kel­lers auf­zu­stel­len, die ich dem vor dem Fas­se sit­zen­den On­kel ab­zu­neh­men hat­te. Mein Va­ter ging da­bei ab und zu und mahn­te mich zu Sorg­falt und Ruhe. Ob­gleich ich nicht ohne Ge­schick und mit wah­rem Ver­gnü­gen bei der Sa­che war, pas­sier­te es ein­mal, dass ich oder bes­ser eine der Fla­schen das Gleich­ge­wicht nicht mehr hal­ten konn­te und eine gan­ze Rei­he an­de­rer Fla­schen mit sich riss. Ich wur­de aus­ge­schol­ten und, was die größ­te Stra­fe war, als noch zu dumm und zu klein für ein sol­ches Ge­schäft fort­ge­schickt.

      Un­term Saal wur­den Fla­schen ge­wa­schen. Die Rei­ni­gung ge­sch­ah durch Was­ser und Schrot. In Lö­chern auf lan­gen Bret­tern wur­den dann die Fla­schen, Mün­dung nach un­ten, hin­ge­stellt.

      Ir­gend­wie hat­te das Wein­ab­fül­len auch für uns Kin­der et­was Fest­li­ches, und mit­un­ter ging es, wie durch Zu­fall, auch für die Er­wach­se­nen in et­was der­glei­chen, näm­lich eine Wein­pro­be, aus. Ein­mal hat­ten sich dazu ein Dut­zend Men­schen im Kel­ler und um die Kel­ler­tür zu­sam­men­ge­fun­den. Man trank, wo man ge­ra­de ging und stand, im dämm­ri­gen Vor­flur oder im Rau­me hin­ter der Ein­gangs­tür, wo früh­jahrs der Mann mit den Mu­scheln er­schi­en und wo das ra­sen­de Hünd­chen sein Ende ge­fun­den hat­te. Ein Post­se­kre­tär, ein al­tes Fräu­lein, der Po­li­zei­ver­wal­ter des Or­tes, ein hin­ken­der Pro­ku­rist aus dem In­dus­trie­be­zirk, Dok­tor Straeh­ler, mei­ne Mut­ter und Schwes­ter und die­ser und je­ner aus den ge­bil­de­ten Krei­sen Ober-Salz­brunns wa­ren dar­un­ter. Es scheint, dass mein Va­ter mit viel ei­ge­nem Ver­gnü­gen eine sol­che Ge­le­gen­heit beim Schop­fe nahm.

      Da­mals tru­gen die Post­se­kre­tä­re noch Uni­form und den De­gen an der Sei­te. Der uns­re galt als Ori­gi­nal und mag viel­leicht ein den Ju­gend­freun­den Goe­thes, Merck oder Beh­risch, ver­wand­ter


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