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Der grüne Pfad hat nie ein Ende. Gerhard BöttgerЧитать онлайн книгу.

Der grüne Pfad hat nie ein Ende - Gerhard Böttger


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liegenden Teiche. Einmal hörte er auch den Warnruf des Männchens, das scharf hervorgestoßene „Tack, tack!“ Simon lächelte darüber und sprach den kleinen Revierwächter an: „Der plumpe Mäusebussard wird dir doch nichts tun!“

      Langsam schob er sein Fahrrad zum Weg zurück und schwang sich wieder in den Sattel. Die Mittagshitze stand über dem Land, und er freute sich auf die schattige Sitzbank in seinem Garten zu Hause und auf ein kühles Getränk. Als er das Rapsfeld wieder passierte, fielen ihm plötzlich hell leuchtende Stellen an einigen Randbüschen auf. Wo hatte er nur seine Augen gehabt? Ja, er war von der anderen Seite gekommen, hatte sich auf den Neuntöter konzentriert und diese Markierungen, diese Fegestellen, glatt übersehen. Da, das war doch der Warnruf des kleinen Krummschnabels, dieses krächzende „Gäck!“, und da sah er ihn schon, wie er über dem Halmenmeer der Ölfrucht kurz rüttelte, hin- und herflog und dann wieder in seiner Weißdornburg verschwand. Da war doch eine Bewegung, hatte er sich über eine Störung in seinem Brutrevier aufgeregt?

      Simon hob sein Glas an die Augen und nahm die zimmergroße Fläche in die Optik, wo die Fahrspur die halb am Boden liegenden dichten Halme durchschnitt – und wo jetzt plötzlich das Haupt eines Rehbockes auftauchte! Misstrauisch äugten dunkle Lichter in die Runde, ein Windfang prüfte den Lufthauch, und dann nahm der Bock das Haupt wieder herunter, um noch weiter in das bergende und schützende Feld hineinzuziehen. Nur noch einmal, ganz kurz, hatte Simon, der sein Fernglas keine Sekunde von den Augen genommen hatte, diesen Anblick. Nein, er hatte sich nicht getäuscht, dieser Bock, den keiner hier vermutet hätte, trug ein starkes, reich geperltes und dunkles Sechsergehörn mit hell gefegten Vordersprossen von beachtlicher Länge, er wirkte alt und reif. Den hatte noch keiner gesehen, und Simon spürte abrupt und leicht euphorisch, wie sein Puls das heiße Jägerblut schneller durch den Körper jagte! Er blieb noch ein Viertelstündchen an Ort und Stelle, ohne fest damit zu rechnen, dass dieser Starke sich noch einmal sehen lassen würde. So war es auch, und als er endgültig Richtung Heimat fuhr, grüßte er dankend zum vermuteten „Einstand“ des Neuntöters hinüber, der ihn auf diesen Bock aufmerksam gemacht hatte.

      „Onkel, das ist einer für dich, der bleibt bestimmt bis zur Blattzeit im Raps“, beschwor er später den Beständer, denn dass er diesen Starken melden musste, war ihm eine Ehrenpflicht. „Wenn der Schlag erst gemäht ist, ist auch der Bock weg, und wer weiß, wohin er sich umstellt!“

      Von seinem „Stern der Elbmarsch“ erzählte er nichts, obwohl doch dieser auch an dem glücklichen Ausdruck in seinem Gesicht beteiligt war. Die Kleinvogelwelt interessierte seinen Onkel weniger, er hielt es mit den Gefiederten, die er auch essen konnte. Von den vielen Enten, dem Dutzend Fasanen und den 15–20 Wildgänsen, die sie jährlich schossen, wurde selten ein Stück verkauft, die blieben in der heimischen Küche oder in verwandten Haushalten. Beim reichlichen Mahle vergaß der alte Jäger fast nie, den Rebhühnern nachzutrauern, die so selten geworden waren, dass die Jagdausübung auf sie eingestellt worden war.

      Zwar warf der „olle Willi“ – diesen Spitznamen hatte der Onkel zusammen mit der Zimmerei von seinem Vater geerbt – tatsächlich ein wenig auf, als Simon den starken Bock über alle Maßen pries, aber dann antwortete er schon wieder skeptisch und unlustig: „Da am Raps steht doch gar kein Sitz, soll ich mich da ins Gras legen, oder was?“

      Als Simon ihm anbot, dort eine transportable Leiter aufzustellen, sagte er immerhin zu, sich „bei Gelegenheit“ dort mal anzusetzen. Das führte er auch durch, sah zweimal nichts und hatte damit schon wieder die Lust verloren, diesem „Phantasiebock“ nachzustellen, Simon sollte es gefälligst selber versuchen, wahrscheinlich wäre es sowieso einer der „normalen Plöttrigen“.

      Sein Neffe nahm das Angebot nun ohne Gewissensbisse an und – sah dreimal nichts, allerdings ließen bei ihm als ornithologisch interessiertem Menschen die vielen Beobachtungen der artenreichen Vogelwelt keine Langeweile aufkommen. Insbesondere das Leben und Treiben der Neuntötereltern, die ohne Rast und Ruh Atzung für die hungrige Brut herantragen mussten, machte ihm viel Freude. Einzelne, vorwüchsige Rapsstengel nutzten die Würger durchaus als Ansitzplätze, von wo aus sie blitzschnell auf Großinsektenjagd stießen. In der Fahrspur gelang es ihnen auch mehrfach, eine Maus zu erbeuten.

      Als das grausilberne Kornweihenmännchen über dem Halmendickicht seinen gleitenden Suchflug unterbrach und kurz rüttelte, sah Simon bei seinem nächsten Ansitz schon im Geiste das trutzige Bockhaupt dort auftauchen, aber es blieb eine Wunschvorstellung, an Rehwild hatte er diesmal immerhin ein einsames Schmalreh in Anblick.

      So hoffte er auf die bevorstehende Blattzeit und ließ den Revierteil in Ruhe, versäumte aber nicht, in dem wilden Buschgelände auf der Westseite des Rapsschlages seinen transportablen Schirm in einen Weidenbusch einzubauen und sich durch das Entfernen vieler störender Äste das Schussfeld in die kleinen Lücken und Blößen freizuschneiden. So war er auch bei den im Hochsommer durchaus nicht seltenen Ostwindlagen für einen Ansitz gerüstet, davon abgesehen war der junge Jäger erfindungsreich in der freien Pirsch, konnte sich hineindenken in das Wild, und ein heimliches und verstecktes Plätzchen für seinen Ansitzstock fand er immer. Früher als er es eigentlich vorgesehen hatte, musste es dann ernst werden!

      „Hast du deinen Kapitalen denn noch mal gesehen?“, empfing ihn der Onkel bei ihrem nächsten Treffen, und sein Lachen entbehrte nicht einer gehörigen Prise Spott. „Nächste Woche am Freitag hat Rieckmann den Mähdrescher und wird seinen Raps mähen, dann ist der Bock weg!“

      Oh je! Simons Gedanken überschlugen sich, und seine „grünen Gehirnwindungen“ arbeiteten auf Hochtouren. Doch eigentlich gab es da nichts zu überlegen, er musste raus und sich ansetzen!

      Der Julimond ging in sein letztes Drittel, heiß und drückend war es, der sachte Wind aus westlicher Richtung konnte kaum seine schweißnasse Stirn kühlen, als er die paar Stufen der Ansitzleiter emporkletterte und aufatmend seine Büchse rechts neben sich hinstellte. Dunkel und schweigend lag der große Rapsschlag vor ihm. Schon seit Mittag verdeckten dunkle, geballte Wolkengebilde die Sonne und kündeten ein Unwetter an. Nur wenige Stellen gab es in der Frucht, wo überhaupt ein Rehkörper zu sehen wäre. Diese leuchtete Simon bevorzugt mit dem Glase ab. Als er sich gerade eingestehen wollte, dass sein Ansitz hier ziemlich sinnlos war, hatte er plötzlich in seiner Optik, wonach er die ganze Zeit gesucht hatte. Die feuerrote Decke des neulich gesehenen oder eines anderen zartgliedrigen Schmalrehes, schließlich stand im Revier nicht nur eins „von dieser Sorte“, und besondere Merkmale zur individuellen Unterscheidung gab es nicht. Das Stück verschwand wieder im Halmendickicht, und Simon überlegte krampfhaft, ob er blatten sollte oder nicht.

      Das Wolkengeschiebe hatte sich verstärkt, und durch die nahende und zusätzlich das Licht mitnehmende Dämmerung zuckte fern der erste Blitz, als er mit schnellem Entschluss den Fieplaut aus seinem Instrument hervorlockte. Mehrfach wiederholte er ihn, blickte gespannt in die Runde, doch es zeigte sich nichts.

      Nach zehnminütiger Pause schickte Simon das Begehren der Ricke erneut in die schon unter starken Windstößen sich biegende Halmenburg – und da – da tauchte doch etwas auf aus der gleichförmigen Oberfläche, aus dem Etwas wurde im Glas ein Gehörn, ein starkes Sechsergehörn, und der Oberteil eines Bockhauptes mit dunklen Lichtern und Windfang drehte sich misstrauisch in alle Richtungen. Er war noch da! Doch stand er mittendrin im Schlag – und schon war der Gesuchte wieder verschwunden.

      Ein heftiger Donnerschlag verhalf Simon zu der Erkenntnis, dass der Bock bei Büchsenlicht bestimmt nicht mehr austreten würde und er selbst so schnell wie möglich seinen fahrbaren Untersatz aufsuchen sollte! Gedacht, getan, kaum saß er in seinem sicheren „Faraday’schen Käfig“, der ihn vor Blitz und Regenguss schützte, da erlebte er mit leichtem Grausen das schwerste Gewitter, das die Elbmarsch in diesem Jahr heimsuchte.

      In der Nacht schlief der junge Weidmann schlecht, verfolgte auch immer wieder das noch vor Mitternacht abziehende Unwetter. Als er ganz früh am nächsten Tag vor die Haustür schaute, zeigte sich gerade erst ein schmaler und heller, sich langsam rötender Schein am östlichen Himmel. Der Wind hatte gedreht und kam aus ostwärtiger Richtung. Damit war sein Plan klar: Ab in den Schirm im Ödland, das Rehwild würde doch wohl hoffentlich den quatschnassen Rapsdschungel heute meiden.

      Wenige Minuten vor dem Heraufziehen des


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