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Reise um die Erde in 80 Tagen. Jules VerneЧитать онлайн книгу.

Reise um die Erde in 80 Tagen - Jules Verne


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bemerkte auch in seinem Zimmer über der Standuhr ein Merkblatt angeheftet mit der Vorschrift des täglichen Dienstes. Dasselbe enthielt – von acht Uhr vormittags, der regelmäßigen Zeit, wo Phileas Fogg aufstand, bis halb zwölf Uhr, da er sich zum Frühstücken in den Reformclub begab – alle Einzelheiten des Dienstes: Tee und geröstete Brotschnitten um acht Uhr dreiundzwanzig Minuten; Wasser zum Rasieren, um neun Uhr siebenunddreißig; Frisieren um neun Uhr vierzig, usw. Nachher von halb zwölf Uhr vormittags bis zwölf Uhr nachts, wo der methodische Gentleman ins Bett ging, war alles aufgezeichnet, vorgesehen, geregelt. Passepartout machte sich eine Freude daraus, dieses Programm zu studieren und dessen verschiedene Artikel seinem Geist einzuprägen.

      Die Garderobe des Herrn war sehr gut ausgestattet und merkwürdig vielfältig. Jede Hose, jeder Rock oder Weste war mit einer Ordnungsnummer versehen, die in einem Register eingetragen war, worauf das Datum stand, wann, der Jahreszeit nach, diese Stücke angezogen werden sollten. Die gleiche regelmäßige Anordnung galt auch für die Fußbekleidung.

      Im Allgemeinen war dieses Haus der Saville-Row – welches zur Zeit des berühmten, aber zerstreuten Sheridan ein Tempel der Unordnung gewesen sein muss – bequem möbliert, einer netten Gemütlichkeit entsprechend. Es gab keine Bibliothek, keine Bücher, welche für Herrn Fogg unnütz gewesen wären, weil ihm der Reformclub zwei Bibliotheken, eine für Literatur, die andere für Recht und Politik, zur Verfügung stellte. In dem Schlafzimmer ein Kassenschrank mittlerer Größe, der gegen Feuergefahr und Diebstahl gesichert war. Keine Waffe im Hause, nichts von Jagd- oder Kriegsgeräten. Aus allem sah man nur die friedlichsten Gewohnheiten.

      Nachdem Passepartout diese Wohnung im Detail gemustert hatte, rieb er sich die Hände, sein breites Gesicht wurde heiter und er sagte wiederholt mit fröhlichem Herzen:

      »Das steht mir an! Hier ist mein Platz! Herr Fogg und ich, wir verstehen uns vollkommen. Das ist ein geregelter Mann, ein Zimmerhüter! Eine wahre Maschine! Nun, ich bin‘s ganz zufrieden, eine Maschine zu bedienen!«

      DRITTES KAPITEL

      Eine Unterredung, welche Phileas Fogg teuer zu stehen kommen kann.

      P

      hileas Fogg hatte um halb zwölf Uhr sein Haus in Saville-Row verlassen und gelangte, nachdem er 570 Mal seinen rechten Fuß vor den linken und 576 Mal seinen linken Fuß vor den rechten gesetzt hatte, im Reformclub an, einem enormen Gebäude in Pall-Mall, welches nicht weniger als drei Millionen zu bauen gekostet hat.

      Phileas Fogg begab sich sogleich in den Speisesaal, dessen neun Fenster die Aussicht auf einen Garten boten, mit Bäumen, die bereits im herbstlichen Goldschmuck prangten. Er setzte sich dort an die gewöhnliche Tafel, wo sein Gedeck auf ihn wartete. Sein Frühstück bestand aus einem Nebengericht, gesottenem Fisch in einer vorzüglichen ›reading sauce‹ – einem scharlachroten Roastbeef mit ›musheron‹ gewürzt, einem Kuchen mit einer Füllung aus Rhabarberstängeln und grünen Stachelbeeren, einem Stückchen chester, – alles mit einigen Tassen von dem vortrefflichen Tee, welcher ganz besonders für die Küche des Reformclubs gesammelt wurde.

      Um zwölf Uhr siebenundvierzig Minuten stand dieser Gentleman auf und begab sich in den großen Salon, der prachtvoll mit Gemälden in reichen Rahmen verziert war. Hier überreichte ihm ein Diener die noch nicht aufgeschnittene ›Times‹, welche Phileas Fogg mit einer Sicherheit der Hand auseinander faltete, welche eine große Übung in dieser schwierigen Operation bekundete. Mit dem Lesen dieses Journals war Phileas Fogg bis drei Uhr fünfundvierzig Minuten beschäftigt; sodann mit der Lektüre des ›Standard‹ bis zum Diner. Diese Mahlzeit fand in gleicher Weise statt, wie das Frühstück, nur dass noch die ›royal british sauce‹ hinzukam.

      Um fünf Uhr vierzig Minuten erschien der Gentleman wieder in dem großen Salon und vertiefte sich in die Lektüre des ›Morning Chronicle‹.

      Eine halbe Stunde später kamen verschiedene Mitglieder des Reformclubs herein und näherten sich dem Kamin, wo ein Kohlenfeuer brannte. Es waren die gewöhnlichen Spielgenossen des Herrn Phileas Fogg, gleich ihm leidenschaftliche Whistspieler: der Ingenieur Andrew Stuart, die Bankiers John Sullivan und Samuel Fallentin, der Brauer Thomas Flanagan, Walther Ralph, einer der Administratoren der Bank von England, – reiche und angesehene Männer, selbst in diesem Club, welcher die hervorragendsten Mitglieder der Industrie und Finanzwelt in seiner Mitte zählt.

      »Nun, Ralph«, fragte Thomas Flanagan, »wie steht‘s mit dem Diebstahl?«

      »Nun«, erwiderte Andrew Stuart, »die Bank wird um ihr Geld kommen.«

      »Ich hoffe im Gegenteil«, sagte Walther Ralph, »dass wir den Dieb in die Hand bekommen werden. Es sind sehr geschickte Polizisten nach Amerika und Europa in alle großen Landungs- und Einschiffungshäfen abgeschickt worden, denen wird jener Herr wohl schwerlich entrinnen.«

      »Man hat die Personenbeschreibung des Diebes?«, fragte Andrew Stuart.

      »Vor allem ist es kein Dieb«, erwiderte Walther Ralph ernst.

      »Wie, dieses Individuum, welches 55.000 Pfund in Banknoten (700.000 Taler) entwendet hat, ist nicht als Dieb zu bezeichnen?«

      »Nein«, versetzte Walther Ralph.

      »Also ein Industrieller?«, fragte John Sullivan.

      »Der ›Morning Chronicle‹ versichert, es sei ein Gentleman.«

      Der Mann, der diese Äußerung machte, war niemand anderes, als Phileas Fogg, dessen Kopf damals aus der um ihn herum aufgetürmten Flut von Papieren auftauchte. Zugleich grüßte Phileas Fogg seine Kollegen, welche seinen Gruß erwiderten.

      Der fragliche Vorfall, welchen die verschiedenen Journale des Vereinigten Königreichs eifrig besprachen, hatte sich drei Tage zuvor, am 29. September, begeben. Ein Paket Banknoten, 55.000 Pfund enthaltend, war aus dem Fach des Hauptkassierers der Bank von England verschwunden. Wunderte man sich, dass sich ein solcher Diebstahl so leicht zutragen konnte, so antwortete der Untergouverneur Walther Ralph nur, dass der Kassierer eben damit beschäftigt gewesen war, einen Einnahmeposten von drei Schilling sechs Pence einzutragen, und man könne seine Augen nicht überall zugleich haben. Aber es ist hier zu bemerken – was die Tatsache erklärbarer macht – dass dieses erstaunliche Institut der Bank von England um die Würde der Kundschaft äußerst besorgt ist. Keine Wachen, keine Gitter! Das Gold, Silber, die Noten liegen da ganz frei, sozusagen dem Belieben des ersten Besten preisgegeben. Es fällt einem nicht ein, gegen die Ehrenhaftigkeit irgendeines Vorübergehenden Verdacht zu hegen. Einer der besten Beobachter englischer Gebräuche erzählt sogar Folgendes: In einem der Säle der Bank, wo er sich eines Tages befand, war er so neugierig, einen sieben bis acht Pfund schweren Goldbarren näher zu besehen; er nahm denselben, betrachtete ihn, übergab ihn seinem Nachbarn, dieser einem anderen. Und so wanderte der Barren von Hand zu Hand bis in einen dunkeln Gang hinein und kam erst nach einer halben Stunde an seinen Platz zurück, ohne dass der Kassierer nur den Kopf hob.

      Aber am 29. September ging es nicht ganz so. Der Packen Banknoten kam nicht wieder zurück, und als die prachtvolle Uhr, welche über dem Geschäftssaal angebracht war, um fünf Uhr den Schluss der Büros anläutete, blieb der Bank von England nichts anderes übrig, als 55.000 Pfund auf das Verlustkonto zu setzen.

      Als der Diebstahl rechtmäßig angezeigt war, wurden auserwählte Agenten, ›Detectives‹, in die bedeutendsten Häfen von Liverpool, Glasgow, Le Havre, Suez, Brindisi, New York etc., abgeschickt und eine Prämie von zweitausend Pfund nebst fünf Prozent der wieder gefundenen Summe für die Wiederbeschaffung ausgesetzt. Während sie die Auskünfte abwarteten, welche die unverzüglich eingeleitete Untersuchung zu liefern versprach, hatten diese Agenten den Auftrag, sorgfältig alle ankommenden und abreisenden Passagiere zu beobachten.

      Nun hatte man Grund, gerade wie der ›Morning Chronicle‹ sich aussprach, anzunehmen, dass der Täter keiner der organisierten Diebesgesellschaften Englands angehöre. Man hatte im Laufe des 29. Septembers einen wohlgekleideten Gentleman mit guten Manieren und vornehmer Miene in dem Zahlungssaale, in dem sich der Diebstahl ereignete, auf- und abgehen sehen. Die Untersuchung hatte es möglich gemacht, die Personenbeschreibung dieses Gentlemans ziemlich


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