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Der Sichelmond. Massimo LongoЧитать онлайн книгу.

Der Sichelmond - Massimo Longo


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Haltestelle war, als Bahnhof. Der einzige Komfort waren ein Unterstand mit einem undichten Dach und ein Fahrkartenautomat, der immer außer Betrieb war und zu allen Passanten sagte: „Wir weisen darauf hin, dass der Bahnhof unbewacht ist. Seien Sie vorsichtig vor Taschendieben!“.

      Libero holte tief Luft und meinte:

      „Endlich kann man wieder atmen! Herzlich willkommen in Campoverde.“

      „Ich rieche schon den Duft der Felder“, bemerkte Gaia, „Riechst du es nicht auch, Helios?“

      Helios bemerkte keinen Unterschied zur Stadt und zuckte nur mit den Schultern.

      „Helios, du nimmst Gaias Koffer, ich trage den Rest“, befahl Libero.

      Gaia amüsierte dieses Kavaliersverhalten, das sie in anderen Situationen als störend empfunden hätte. Es war aber so natürlich, dass sie das Spiel amüsiert mitspielte. Vielleicht hatte sie zu voreilig über ihren Cousin geurteilt, so ein Dummling war er eigentlich gar nicht ...

      Gaia und Libero gingen wohlgelaunt am Automaten, der zum x-ten Mal denselben Satz wiederholte, vorbei in Richtung Unterführung.

      Helios musste Gaias riesigen Koffer mit beiden Händen packen, um die Treppen der Unterführung hinunter und dann wieder hinauf zu steigen. Das war echt anstrengend.

      Er war überzeugt, dass die Tante mit ihrem Auto auf sie wartete, sodass er auf den letzten Stufen alle seine Kräfte zusammenraffte.

      Aber draußen vor dem Bahnhof angekommen, erwartete sie nur ein leerer Parkplatz. Libero bog zusammen mit seiner Cousine links auf eine enge und mehr schlecht als recht gepflasterte Straße ab. Auf beiden Seiten der Straße gab es nur zwei Wasserkanäle, die die Straße auf der einen Seiten von den Maisfeldern und auf der anderen von den Weizenfeldern trennten.

      Helios schnappte nach Luft und schrie ihnen verzweifelt zu, anzuhalten. Seine Schwester drehte sich verwundert um, sie hatte ihren Bruder seit Jahren nicht mit lauter Stimme sprechen, geschweige denn, derart schreien hören.

      „Wo ist Tante Idas Auto?“, fragte Helios.

      „Oh, ich habe vergessen zu sagen, dass sie mich vorhin angerufen hat, um mir zu sagen, dass sie nicht kommen kann. Camilla, unsere Kuh, könnte jede Minute kalben und sie kann sie nicht allein lassen“.

      „Camilla, kalben? Aber wie sollen wir das schaffen?“, fragte Helios, außer Atem.

      „Keine Sorge, es sind nur vier Kilometer bis zum Bauernhof“, erklärte Libero mit ruhigem Tonfall.

      „Vier Kilometer?“, waren Helios letzte Worte.

      „Komm schon, Mann! Der Koffer deiner Schwester hat sogar Räder!“, spornte Libero ihn an und lief weiter.

      Von Weitem konnte man schon die ersten Häuser des Dorfes sehen.

      „Da ist es! Das Haus mit dem Kirschbaum davor, das ist unser Bauernhof“.

      Libero zeigte auf ein Bauernhaus in venezianischem Rot mit dunkelgrünen Fensterläden. Vor dem Haus gab es einen wunderschönen gepflegten Garten, hinter dem Haus befanden sich der Stall und die Wäscheleinen, und daher erstreckten sich die Felder.

      „Mama, wir sind da!“, rief Libero, während er die Koffer auf dem Fußweg abstellte und zum Stall rannte.

      Tante Ida trat vor die Haustür.

      „Meine Nichte und mein Neffe!“, rief sie voller Freude.

      Gaia fiel ihr um den Hals. Helios näherte sich erschöpft und gab ihr höflich einen Kuss auf die Wangen.

      Ida war knapp über fünfzig, aber ihre Schönheit war noch nicht verblasst, auch wenn sie nichts tat, um sie hervorzuheben. Sie war mittelgroß und schlank, gut proportioniert, aber ihre Arme und Beine hatten verjüngte straffe Muskeln, die jeder Langstreckenläufer beneiden würde. Das harte Leben auf dem Bauernhof war ihr tägliches Training. Sie hatte blondes Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, einen hellen Gesichtseint und wunderschöne grüne Augen, wie die ihres Neffen.

      Während Libero aus dem Stall zurück kam, rief er fröhlich:

      „Camilla hat ein Mädchen bekommen! Es gibt frische Milch!“

      Die Tante lud sie ein, ins Haus zu kommen. Der Tisch war gedeckt und in der Luft lag der Duft vom fertigen Mittagessen. Die Freunde aßen hungrig, Gaia hörte nicht auf, ihrer Tante von den Emotionen der Reise zu erzählen.

      Nach dem Mittagessen half Gaia der Tante, die Küche aufzuräumen, während Libero Helios hinter sich her über den Bauernhof schleppte und ihn bat beziehungsweise befahl, ihm bei allen Arbeiten zur Hand zu gehen.

      Am Abend erklärte ihnen die Tante, dass sie im Wohnzimmer auf dem Schlafsofa schlafen müssten, bis sie den Dachboden in Ordnung gebracht hätten, der ihr Sommerquartier sein würde.

      Gaia eilte hinter ihrer Tante die Treppen hinauf, um den Dachboden zu besichtigen. Helios dagegen war von dieser weiteren schlechten Nachricht schockiert.

      Sie stiegen in den ersten Stock, wo sich die Schlafzimmer der Tante, von Libero und Ercole, dem Nesthäkchen der Familie, der im Scout Camp war, befanden. Ida zeigte ihr die Holzleiter, die auf den Dachboden führte. Sie selbst würde nicht hinaufsteigen, sie war zu müde, um rauf und runter zu klettern. Sie war im Laufe des Tages schon mehrmals dort gewesen, um die Fensterläden zu öffnen und das Zimmer zu lüften.

      In der Zwischenzeit ging die Tante in ihr Zimmer, um heimlich mit ihrer Schwägerin Giulia zu telefonieren. Sie wollte sie über die Ankunft der Geschwister informieren.

      Giulia ließ das Telefon keine zweimal klingeln.

      „Hallo meine Liebe, wie geht es dir?“, fragte Ida.

      „Gut, danke. Aber jetzt erzähl‘ doch mal, wie ist es gelaufen?“

      „Er hat es geschafft, zu Fuß vom Bahnhof bis hierher zu laufen. Er dachte, ich würde sie mit dem Auto abholen. Aber Libero hat ihm als Ausrede erzählt, dass Camilla, unsere Kuh, kalben musste“, lachte Ida.

      „Ich hätte ihn zu gern so schweißgebadet gesehen!“

      „Nach dem Mittagessen“, wollte Ida weitererzählen, aber Giulia unterbrach sie.

      „Er hat etwas gegessen?“

      „Ja, er hat die Nudeln und das Fleisch verputzt.“

      „Wow! Zu Hause beißt er nur einmal von einem Brötchen ab.“

      „Es wird nicht einfach sein, er sag nichts“, sagte Ida. „Aber du wirst sehen, dass wir ihn ein wenig aufbauen werden.“

      Im Hintergrund hörte man Carlo Fragen stellen und lachen.

      „Fernseher und Videospiele habe ich verschwinden lassen, wenn schon eine Rosskur, dann richtig.“

      Helios lag auf dem Sofa und konnte keinen Muskel bewegen. Seit Jahren hatte er sich nicht so viel bewegt.

      In der Schule gelang es ihm immer, mit der einen oder anderen Ausrede, die Sportstunde zu schwänzen.

      „Helios, komm schon, ruf bitte deine Schwester, ich brauche jemanden, der mir hilft, das Abendessen vorzubereiten“.

      Helios traute seinen Ohren nicht, es schien ihm unmöglich, aufzustehen.

      Aber die Tante rief mit dem bestimmenden Ton eines Generals, der keinen Widerspruch zuließ:

      „Helios, hast du gehört?“

      „Ich geh‘ ja schon“, antwortete er und lief mit einem Begräbnisgesicht zur Leiter.

      Unter der kleinen Holzleiter angekommen, blieb er stehen und fing an, nach seiner Schwester zu rufen.

      Aber trotz der lauten Rufe ihres Bruders antwortete Gaia nicht.

      Immer verzweifelter kletterte er die Stufen hinauf. Das Halbdunkel auf dem Dachboden machte ihm Angst. Der Weg erschien ihm Stufe um Stufe immer endloser. Als er den Kopf durch die rechteckige


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