Rettungskreuzer Ikarus 11 - 20: Verschollen im Nexoversum (und 9 weitere Romane). Sylke BrandtЧитать онлайн книгу.
sich zu den beiden Guardians um, die ihn ständig begleiteten. Sie waren an der Nordschleuse des Turms verharrt und erwarteten seine Befehle oder würden ihm überallhin folgen.
Sie schützten ihn mit ihrem eigenen Leben.
»Ihr wartet hier!«, sagte Saladin.
»Wie Ihr wünscht, Eminenz«, erwiderte einer der beiden.
Saladin setzte sich nach Norden in Bewegung. Es gab einen mit Kies bedeckten Pfad, doch der Superior zog es vor, querfeldein zu gehen, auch wenn dies bedeutete, hin und wieder dichten Sträuchern oder Hecken auszuweichen. Er gelangte zur Waldzone. Laubbäume wuchsen hier zwischen Tannen und Palmen. Die gezielte Klimasteuerung von einzelnen Bereichen der Zuflucht machte es möglich, ausreichende Verhältnisse für fast jede erdenkliche Pflanzenart zu schaffen. Inmitten einer Schar von Palmwedeln lag die Blockhütte des Erlösers. Das kleine Holzgebäude war zwar nur undeutlich im Grün der Gewächse zu erkennen, doch die vier Guardians, die in unmittelbarer Nähe davor postiert waren, machten es umso einfacher, es aufzuspüren.
Der Lauf des Südbachs mündete in einem etwa zehn Meter durchmessenden Teich, der den direkten Zugang zum Heim des Erlösers verwehrte. Darüber führte eine hölzerne Brücke, vor der sich zwei der Guardians aufgestellt hatten. Als sie Saladin gewahrten, verneigten sie sich und ließen ihn passieren, doch er wurde von den beiden Wächtern auf der anderen Seite aufgehalten.
»Wartet bitte, Euer Eminenz«, zischte der eine unter seinem Helm hervor. Gleichzeitig drückte er eine unscheinbare Taste am Handgelenk des gepanzerten Handschuhs und wartete auf den Bestätigungston. Erst dann durfte Saladin seinen Weg fortsetzen.
Der Pfad zur Hütte wurde flankiert von kleineren Büschen und Heckenabschnitten. Neben dem Heim war eine Senke ausgehoben worden. Ein Teil des Teichwassers wurde hierher umgeleitet und unterirdisch erhitzt. Saladin sah die blubbernden Wasserblasen aus dem heißen Bad aufsteigen. Ein Luxus, der auch ihm und den Richtern der Zuflucht zuteilwurde. Zwar besaßen sie nicht Hütten von der Größe des Erlöserheims, doch sie alle wussten die Annehmlichkeiten des Gartens zu schätzen. Saladins eigenes Heim befand sich nur fünfzig Meter von dem des Erlösers entfernt, allerdings versperrten die Bäume die Sicht. Jeder Bewohner des Gartens genoss seine Privatsphäre.
Die Tür der Hütte wurde geöffnet. Eine junge Frau mit blondem Haar lugte aus dem Spalt hervor. Ihre Augen waren stark gerötet. Sie selbst wirkte wie gerädert. Sie blinzelte ins Tageslicht und brachte ein kaum verständliches »Ja?« hervor.
Saladin seufzte innerlich. Eine weitere Konkubine des Erlösers. Er wechselte sie wie die Akolythen ihre Roben zum täglichen Reinigungsritual.
Das Feuer der fleischlichen Lust entfacht das Licht der Seele und führt uns der Erleuchtung einen Schritt näher.
Die Worte des Erlösers hallten in seinem Bewusstsein nach. Natürlich ergab es Sinn, so oft wie möglich die Zuneigung anderer zu suchen. Und der Bevölkerungserhalt und -zuwachs waren auf diese Art auch gesichert. Jedes zweite Mädchen, das der Erlöser zu sich holte, wurde gleich in der ersten Nacht schwanger.
Saladin beneidete den Führer um seine Potenz. Ihm selbst war es schon seit vielen Jahren nicht mehr vergönnt gewesen, sich zu einer Frau zu legen. Ein Unfall auf Angelus Prime hatte ihn nicht nur sterilisiert, sondern auch jegliche Lust in ihm erstickt.
»Ja?«, wiederholte das Mädchen, sichtlich schlaftrunken, vielleicht auch noch im Rausch der Triebe gefangen, die der Erlöser in ihr entfacht hatte.
»Ich bin Superior Saladin«, sagte Saladin. »Erkennst du mich denn nicht, Tochter?«
Sie versuchte, die Lider ein wenig mehr als einen Spaltbreit zu öffnen, was ihr allerdings kläglich misslang. Stattdessen gab sie den Weg frei. Als Saladin auf der Schwelle stand, zwängte sie sich an ihm vorbei, schlüpfte aus ihrem Leibchen und glitt in das sprudelnde Nass des Whirlpools. Saladin beachtete sie nicht weiter und setzte seinen Weg durch den schmalen Korridor der Hütte fort. Außenstehende hätten den Wohnsitz des Erlösers vielleicht in einem prunkvollen Palast vermutet, doch die Abgeschiedenheit des Gartens war ihm Luxus genug.
Saladin durchmaß den Wohnraum. Er wirkte unbenutzt. Anscheinend hatte sich noch niemand bequemt, für Frühstück zu sorgen. Der Superior warf einen Blick auf das Wandchrono. Es war fast Mittag und Zeit für die Gebete.
»Euer Heiligkeit?«, rief Saladin aus.
»Ich bin hier, Saladin«, ertönte eine sonore Stimme aus dem Schlafraum nebenan. Die Tür wurde aufgedrückt und ein hochgewachsener Mann mit langem, dunklem Haar und einem gepflegten Bart trat in das Wohnzimmer. Er raffte seine weiße Robe zusammen und schlug die goldene Schärpe darum. Dann schlenderte er zu der Wohnlandschaft hinüber und ließ sich in die weichen Polster fallen.
Saladin erhaschte einen Blick in die Gemächer des Erlösers und sah, wie sich in den Laken des Dreimeterbetts ein nackter Mann rekelte. Der Erlöser machte keinen Unterschied, wen er sich für die Entfachung des Lichtes seiner Seele ins Bett holte.
Saladin wandte sich zu seinem Führer um, der es sich in den Polstern bequem gemacht hatte.
»Euer Heiligkeit …«, begann der Superior, aber der andere winkte mit einem Lächeln ab.
»Wir sind unter uns, Saladin.«
»Asiano«, kam es zitternd über die Lippen des Superiors. Er fühlte sich stets unwohl dabei, den Namen des Erlösers auszusprechen, obwohl er wusste, dass ihm damit eine große Ehre zuteilwurde. Nicht einmal die beiden anderen Superioren auf Angelus Prime oder der Kelleson-Minenkolonie pflegten ein derart tiefes Verhältnis zu ihrem religiösen Führer. Einer der Vorteile, wenn man sich in der Zuflucht befand.
»Wie ist unser Status?«, fragte Asiano und drückte beiläufig eine Taste eines in die Armlehnen des Sofas eingelassenen Paneels. Auf der gegenüberliegenden Seite des Wohnzimmers schob sich eine Tür seitwärts in die Fugen. Dahinter wartete ein relativ junges Mädchen in knapper Tunika im Grau der Suchenden. In seinen Händen hielt es ein Tablett mit zwei Bechern, aus denen kräftig Kohlensäurebläschen perlten.
Die Bedienstete verneigte sich vor Asiano und bot ihm eines der Gefäße dar, anschließend wandte sie sich Saladin zu, der jedoch dankend verneinte. Das Mädchen verschwand im Nebenraum.
Zu Beginn seines Eintritts in Asianos Glaubensgemeinschaft, hatte er sich gefragt, warum die niederen Arbeiten nicht von Dienstrobotern oder Servicedroiden ausgeführt wurden. Asiano duldete keine unbeseelten Kreaturen in seiner Nähe. Zumindest keine, die der menschlichen Gestalt nachempfunden worden waren.
»Der Antrieb ist noch immer durch die Rückkopplung beschädigt«, berichtete Saladin auf Asianos Frage hin. »Unsere Reparaturteams benötigen mindestens noch zwei Tage, ehe wir wieder hyperraumtauglich sind.«
»Das ist bedauerlich«, murmelte Asiano. »Was liegt hier in der Nähe?«
»Wir sind im Albira-System aus dem Hyperraum geschleudert worden. Allerdings besitzt man hier kein Sprungtor. Die Bewohner von Albira II haben auch schon mit dem Turm Kontakt aufgenommen und verlangt, dass wir das System schnellstmöglich wieder verlassen.«
»Wie ungastlich«, kommentierte Asiano und nippte an seinem Getränk.
»Sie gehen wohl nicht ganz mit unseren … Glaubensgrundsätzen konform.«
»Sie haben Angst«, behauptete der Erlöser. »Sie fürchten sich davor, ihre Schäfchen könnten zu uns überlaufen, wenn wir erst einmal Fuß auf ihrer Welt gefasst haben. Vielleicht sollten wir tatsächlich über eine Mission nach Albira II nachdenken, aber vorrangig gibt es andere Ziele. Gut, wir sitzen also zwei Tage hier fest. Na schön, dann lass zusätzliche Gebetsstunden und Messen anberaumen, damit sich unsere Jünger nicht langweilen.«
»Das habe ich bereits veranlasst«, sagte Saladin.
»Gut«, nickte Asiano und leerte den Becher in einem Zug. Dann klatschte er in die Hände, erhob sich und schickte sich an, das Bad aufzusuchen, doch als er registrierte, dass Saladin keinerlei Anstalten machte, sich zurückzuziehen, blieb er stehen.
»Ist