Rettungskreuzer Ikarus 11 - 20: Verschollen im Nexoversum (und 9 weitere Romane). Sylke BrandtЧитать онлайн книгу.
einen Sog, der ihn unweigerlich in die Tiefe riss. Den Aufschlag bekam er schon nicht mehr mit.
Die Hütte des Superiors lag inmitten eines Hains verschiedener Bäume. Tannen waren vorherrschend, doch Thorpa entdeckte auch eine Anzahl unterschiedlicher Laubbäume. Der Pentakka malte sich gerade in seinen kühnsten Träumen aus, wie schön es wäre, wenn alle Raumschiffe mit solchen Biotopen für die Mannschaft ausgestattet wären. Es würde die Raumfahrt sicherlich interessanter und angenehmer machen, wenn man ein Stück Natur seiner Heimatwelt mit auf Reisen nahm.
Roderick Sentenza indes hatte keinen Blick für die Schönheit der Biosphäre. Zwar hatte er innerlich den Hut vor der Konstruktion gezogen, aber seine primäre Aufgabe lag in der Rettung der eingeschlossenen Suchenden. Er hatte nicht das geringste Gefühl, wie viel Zeit ihnen noch blieb, bis den Leuten die Luft ausging. Und sie hatten hier nichts Besseres zu tun, als von einem Priester zum nächsten zu rennen.
»Wir sind noch keinen Schritt weitergekommen«, fluchte Sentenza zähneknirschend.
»Wir sollten uns über das nächste Terminal in den Hauptcomputer hacken, herausfinden, wo die Eingeschlossenen stecken, und sie einfach da rausholen«, pflichtete Sonja ihm bei und legte zur Unterstreichung ihrer Worte die Hand auf den Laser an ihrer Hüfte.
»Wir dürfen nichts überstürzen«, räumte Dr. Jovian Anande ein. »Wir müssen die Sitten und Gebräuche der Leute hier respektieren.«
Sentenza machte ihm mit seinem Blick nur allzu deutlich, was er von der Verhandlungsmethode hielt. Wenn die Erleuchteten nicht kooperierten, würde er die Opfer gewaltsam befreien, so oder so. Er ließ sich zurückfallen, bis ihn etwa zehn Schritt von Dorothea, ihrer Akolythin und den beiden Wächtern trennten. Dann aktivierte er sein Kom und sendete eine verschlüsselte Nachricht an Trooid. Der Droid antwortete nur eine Sekunde darauf auf einer sicheren Frequenz.
»Trooid, versuchen Sie, mit den Sensoren der Ikarus herauszufinden, welche Sektionen der Zuflucht ohne Energie sind. Wenn Sie dort Lebenszeichen orten, informieren Sie mich sofort.«
»Gibt es Probleme?«, erkundigte sich Arthur Trooid.
»Möglich. Falls Sie Johannsson aufwecken können, dann fragen Sie ihn nach der betreffenden Sektion. Je eher wir wissen, wohin wir müssen, desto besser.«
»Aye, aye, Sir.«
Sentenza beeilte sich, die Gruppe einzuholen. Sie hatte mittlerweile die allein stehende Hütte erreicht. Zwei weitere Wächter waren davor postiert.
Das macht dann vier Bewaffnete, sinnierte Roderick. Nicht schlecht für eine kirchliche Organisation, die Gewaltlosigkeit predigt.
Dabei musste er an die Galaktische Kirche zu St. Salusa denken und seinen gemeinsamen Kampfeinsatz mit Raumprior Siridan Dante. Wenn es notwendig war, wussten auch die Raummissionare sich ihrer Haut zu wehren und militärische Operationen zu leiten. Falls es hart auf hart kam, würde sich die Ikarus-Crew vor den Wächtern in Acht nehmen müssen, auch wenn diese bisher nur mit Elektrospeeren bewaffnet waren.
Richterin Dorothea hatte sich angemeldet. Kurz darauf wurde die Tür der Hütte geöffnet und ein älterer Herr mit ergrautem, schütterem Haar stand auf der Schwelle.
Anande beugte sich zu Sentenza vor. »Sein linkes Auge ist blind.«
»Das können Sie von hier aus sehen?«, wunderte sich der Captain.
Ehe Anande etwas entgegnen konnte, drehte sich Dorothea zur Rettungsmannschaft um.
»Seine Eminenz, Superior Saladin«, stellte sie vor.
Der wohlbeleibte Mann trat aus dem Eingang ins Freie hinaus und näherte sich Sentenza und seinen Gefährten. Er hatte einen schweren Gang und seine fleischigen Hände zitterten leicht.
»Willkommen in der Zuflucht«, begrüßte er die Crew.
»Eminenz«, sagte Sentenza mit dem gebührenden Respekt, obwohl er sich selbst nie viel aus irgendeiner Kirche gemacht hatte. »Wir haben wenig Zeit und würden gerne die Unfallstelle besichtigen, damit wir die Opfer bergen können.«
Der Superior zog verwundert die Brauen hoch. Wenn er schauspielerte, dann verdammt gut. Er schien wirklich nicht zu wissen, wovon Sentenza sprach.
»Ich fürchte, ich bin nicht ganz im Bilde …«
Da platzte Sentenza der Kragen. »Jetzt hören Sie mal zu. Wir haben den Notruf eines Ihrer Schäfchen empfangen und es aus einer Rettungskapsel geborgen, die kurz darauf in einer infernalen Explosion verging und ein halbes Asteroidenfeld in die Luft jagte. Als wir die Zuflucht fanden, reagierte niemand auf unsere Anrufe. Im Gegenteil, man schickte uns eine Rettungskapsel, die ohne Zweifel mit demselben verheerenden Sprengsatz geladen war wie die von Gundolf Johannsson, und wollte uns rammen. Erst nachdem …«
»Gundolf?«, rief Saladin aus. »Wo ist er?«
Sentenza schnappte nach Luft. Er hasste es, unterbrochen zu werden. Mühsam unterdrückte er seinen Zorn und fuhr in etwas gemäßigterem Ton fort.
»Johannsson befindet sich an Bord unseres Schiffs in Ihrem Hangar. Er hat uns von dem Unfall an Bord der Zuflucht berichtet und davon, dass eine Handvoll Ihrer Jünger in einem Tempelraum eingeschlossen sind und nicht hinauskönnen, weil Ihre Statuten es verbieten, den Raum gewaltsam zu öffnen.«
»Das hat er Ihnen erzählt?«, fragte Saladin mit der gleichen Verwunderung zurück, die er schon zuvor an den Tag gelegt hatte.
Sentenza legte den Kopf schief. Verblüfft sah er zu Sonja, Anande, Weenderveen und Thorpa, doch seine Kameraden blickten nur ratlos drein.
»Nein, er hat uns gesagt, alles wäre in bester Ordnung und wir sollten mal auf einen Umtrunk mit Ihrem Erlöser vorbeischauen«, fauchte Sonja. »Natürlich hat er uns das gesagt. Also, wo ist dieser Tempelraum?«
Saladin lachte schallend los und klopfte sich auf die feisten Schenkel. Er schien echt amüsiert zu sein. Sentenza sah, dass weder Richterin Dorothea noch die Akolythin die Reaktion ihres Superiors zu deuten wussten. Ihre Blicke sprachen Bände.
»Mein lieber Captain Sentenza«, begann Saladin in belehrendem Ton, nachdem er sich wieder einigermaßen von seinem Lachanfall erholt hatte. »Gundolf Johannsson hat einen sehr labilen Kern. Sein Geist ist krank. Er war bereits des Öfteren in psychiatrischer Behandlung und wird auch hier an Bord von einem unserer Ärzte medizinisch und psychologisch betreut.«
»Soll das heißen, er hat sich das alles nur eingebildet?«, platzte Darius Weenderveen hervor.
Saladin lächelte wissend. »Nicht alles. Zugegeben, wir haben Probleme mit unserem Hyperantrieb. Er wird erst in zwei Tagen wieder einsatzbereit sein. So lange hängen wir in diesem System fest. Aber was auch immer Sie über einen Unfall im Zusammenhang mit eingeschlossenen Personen gehört haben mögen, ist pure Halluzination eines schwachen Geistes. Gundolf hat es mit der Panik zu tun bekommen und ist von hier geflohen. Aber glauben Sie mir, werter Captain, es gibt keine Menschen in Not an Bord unserer Zuflucht, nur einen defekten Antrieb, den wir mit eigenen Mitteln reparieren können.«
Roderick Sentenza starrte Saladin unverwandt an. Der Superior war aalglatt. Nicht eine Regung, die ihn der Lüge überführt hätte, war in seinen Augen oder seiner Mimik zu erkennen. Dennoch war Sentenza überzeugt, dass der andere versuchte, ihn gehörig auf den Arm zu nehmen.
Was glaubt er eigentlich, wen er hier vor sich hat?, dachte der Captain grimmig.
»Also benötigen Sie keine Hilfe?«, schloss Sentenza.
»Das ist richtig. Es tut mir leid, dass Sie den Wahnvorstellungen eines psychisch kranken Mannes aufgesessen sind, Captain.«
»Und die Fusionsbombe an Bord Ihrer Rettungskapseln?«, hakte Sonja nach. »Johannssons Fluchtkapsel detonierte, kurz nachdem wir ihn geborgen hatten. Wir hatten mehr Glück als Verstand, nicht von der Explosionswelle vernichtet zu werden.«
»Sie