Rettungskreuzer Ikarus 11 - 20: Verschollen im Nexoversum (und 9 weitere Romane). Sylke BrandtЧитать онлайн книгу.
in dem zwei kleine Boote standen, die nicht minder abenteuerlich anmuteten als das Mutterschiff.
Es war dem Bordcomputer immer noch nicht gelungen, die Sprache der Fremden zu entschlüsseln. Jedoch wertete Jason es als ein gutes Zeichen, dass Shilla keine feindseligen Emotionen hatte auffangen können.
»Die Atmosphäre ist für uns atembar«, las die Vizianerin die Werte ab, die von den Außensensoren übermittelt wurden. »Die Konzentration der Edelgase ist höher, als wir es gewohnt sind, aber unbedenklich. Da drüben kommt auch schon das Empfangskomitee. Ich kann keine Waffen an ihnen entdecken und keine Aggressionen wahrnehmen.«
»Dann sollten wir sie nicht warten lassen.« Jasons Hand glitt flüchtig über den Griff seines Strahlers, den er deutlich sichtbar im offenen Halfter stecken hatte. Sicherheitshalber. Die wesentlich gefährlicheren Ausrüstungsgegenstände verbarg er in den unzähligen geheimen Taschen seiner Kleidung.
»Das wird voraussichtlich nicht nötig sein«, kritisierte Shilla seine Vorsichtsmaßnahmen. »Vielleicht fassen die Fremden dein martialisches Auftreten als eine Unhöflichkeit auf oder es erschreckt sie sogar. Das könnte die Kontaktaufnahme erschweren.«
»Ich bin lieber unhöflich als tot.«
Shilla seufzte und schloss sich ihm an.
Sie trugen beide leichte Raumanzüge, die ihnen einen gewissen Schutz im Fall unangenehmer Überraschungen bieten würden.
Als sich die Schleuse öffnete und die Rampe ausgefahren wurde, roch Jason metallische, abgestandene Luft. Die besten Filter und Aufbereitungsanlagen gab es hier nicht. Er schritt langsam auf die Fremden zu, darauf bedacht, keine hastigen Bewegungen zu machen und die Hände nicht in die Nähe seines Strahlers zu bringen. Shilla hielt sich eine Armlänge hinter ihm.
Nun konnte Jason die Wartenden besser erkennen, die in einiger Entfernung stehen geblieben waren. Die Fremden nutzten ebenfalls die Zeit, bis Jason und Shilla den kurzen Weg zurückgelegt hatten, um die Gäste neugierig zu mustern.
An der Spitze der kleinen Gruppe hatte ein Arachnoid seine langen, haarigen Beine angewinkelt und den kugeligen Körper auf den Boden gesenkt, um seine acht Punktaugen in Kopfhöhe der Besucher zu bringen. Er trug keine Kleidung oder Ausrüstungsgegenstände bei sich, wirkte jedoch nicht nackt mit seinem purpur-orange-getigerten Pelz. Allein ein kleiner, grauer Würfel baumelte an einem dünnen Kettchen unterhalb des tropfenförmigen Kopfes.
Die Begleiter des Arachnoiden gehörten anderen Völkern an. Jason bemerkte einen fast durchsichtigen Insektoiden, eine blasshäutige Humanoide, ein Wesen, das ihn entfernt an eine Qualle erinnerte, die sich auf dünnen Beinchen grazil bewegte, und eine amorphe Lebensform. Obwohl er schon viel gesehen hatte, war er nie zuvor Wesen dieser Art begegnet. Es musste die Celestine wirklich ans andere Ende des Universums verschlagen haben …
Jeder der Fremden besaß den gleichen unscheinbaren Würfel und Jason überlegte, ob es sich um eine Waffe, einen Schutzfeldprojektor, ein Abzeichen, ein religiöses Schmuckstück oder ganz etwas anderes handeln mochte.
Der Arachnoid schien der Anführer zu sein. Jason blieb vor ihm stehen.
»Mein Name ist Jason Knight und das ist Shilla.« Erst wies er auf sich, dann auf die Vizianerin. Diese Gesten wurden fast überall verstanden.
Gespannt wartete er auf die nächste Reaktion – würden sie sich verständigen können oder gab es Probleme? Mit dem, was daraufhin geschah, hatte er jedoch nicht gerechnet.
Die Wesen raunten und zirpten aufgeregt miteinander, während sie Shilla anstarrten. Sieben der Punktaugen des Arachnoiden wandten sich der Vizianerin zu, während eines auf Jason gerichtet blieb. Das Spinnenwesen zitterte leicht und rieb seine Vorderbeine aufgeregt aneinander. Jason hatte den Eindruck, als hätte sein Gegenüber am liebsten die Flucht ergriffen. Die anderen hingegen schienen eher fasziniert näher drängen zu wollen.
»Was ist los?«, fragte Jason in Gedanken. »Habe ich etwas falsch gemacht?« Die Anspannung wollte nicht von ihm weichen.
»Nein«, gab Shilla voller Unbehagen zurück, »das Interesse gilt mir. Ich weiß jedoch nicht, wieso. Bin ich vielleicht in etwas hineingetreten?«
»Scheint, als lassen deine Pheromone selbst hier jeden sabbern …«
»Idiot!«
»Kann mich jemand verstehen?«, erkundigte sich Jason etwas lauter, um die Aufmerksamkeit von Shilla abzulenken, die, als suche sie Schutz, dichter an ihn herangetreten war, sodass ihre Schulter seinen Arm berührte. »Leider spreche ich nicht Ihre Sprache. Wer sind Sie?«
Der graue Würfel des Arachnoiden knackte und gab ein Zischen von sich. Ein Kommunikator, begriff Jason. Er redete weiter, um das Gerät mit mehr Vokabeln zu versorgen. Schließlich knackte es erneut und es folgten drei Worte:
»Ich … Charkh … Sentok.«
»Commander Charkh von der Sentok?«, riet Jason.
»Korrekt …«, kam sie Antwort des Arachnoiden, der sich inzwischen von seiner Überraschung erholt hatte, »bitte weiter … sprechen … Was geschehen … mit Ihren Kommunikatoren?«
Jason begann zu schwitzen. Wieso erkundigte sich Charkh ausgerechnet nach einer Nebensächlichkeit statt nach ihrer Herkunft und den Defekten der Celestine? An Charkhs Stelle hätten ihn diese Antworten brennend interessiert. Die banale Frage nach den Kommunikatoren war fast so merkwürdig wie die übermäßige Neugierde, die alle Shilla entgegenbrachten, während man ihn darüber fast vergaß. Ob man sie beide mit jemandem verwechselte? Gab es hier Lebensformen wie die Vizianer und die Menschen? Allzu überrascht schien man jedenfalls nicht von seinem und Shillas Aussehen.
Bedächtig erwiderte er: »Sie sind bei dem Unfall beschädigt worden.«
Konnte es sein, dass sich alle Völker dieser Galaxie mittels der würfelförmigen Kommunikatoren verständigten? Wenn sich Jason unwissend zeigte oder zugab, dass sie keine besaßen, würde Charkh sofort begreifen, dass sie gestrandete Fremde und von seinem Wohlwollen abhängig waren. Es widerstrebte Jason, sein und Shillas Schicksal blauäugig in die Hände von Unbekannten zu legen.
Nach einer guten Viertelstunde hatten die Kommunikatoren ausreichend Informationen gesammelt, um eine relativ flüssige Unterhaltung zu ermöglichen.
Jason entschied, dass es das Beste sei, die Karten nur so weit auf den Tisch zu legen, wie es notwendig war. Charkh und seine Crew wussten bestimmt, dass er und Shilla sich in einer Notlage befanden. Es zu leugnen, würde alles nur komplizieren. Außerdem waren sie auf Beistand angewiesen. Allerdings brauchten die potenziellen Helfer nicht zu wissen, wie prekär die Situation tatsächlich war. Erst musste Jason viel mehr über ihre Gastgeber und ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort in Erfahrung bringen.
Jason war Händler.
Vielleicht, überlegte er, konnte er ein Geschäft mit diesen Leuten machen? Bestimmt fand sich etwas in den Frachträumen der Celestine, das für sie als Tauschobjekt von Interesse war.
In knappen Worten erklärte Jason, dass an Bord der Celestine bei einem Überlichtflug erhebliche technische Probleme aufgetreten seien und sie Hilfe bei der Reparatur des Antriebs benötigten. Durch den ungeplanten Rücksturz in den Normalraum und den Ausfall eines Teils der Navigationsanlagen hatten sie die Orientierung verloren und daher auch Bedarf an astrometrischer Unterstützung.
Charkh sicherte ihm sogleich die uneingeschränkte Hilfe der Sentok-Besatzung zu, ohne – zu Jasons Verwunderung – nach Gegenleistungen zu fragen. Entweder waren das keine tüchtigen Geschäftsleute oder die dicke Rechnung würde erst am Schluss präsentiert werden …
»Sicher werden Sie sich von den Strapazen Ihrer Reise etwas ausruhen wollen«, sagte Charkh. »Es wäre höchst unhöflich, würden wir sogleich die Details besprechen. Sessha, mein Zweiter Offizier«, ein Punktauge fixierte kurz die Humanoide, »wird Sie zu Ihren Kabinen begleiten. Wir hoffen, Sie finden dort alles zu Ihrer Zufriedenheit. Sollten Sie besondere Wünsche haben, zögern Sie nicht, uns diese mitzuteilen.«
»Wir