Rettungskreuzer Ikarus 11 - 20: Verschollen im Nexoversum (und 9 weitere Romane). Sylke BrandtЧитать онлайн книгу.
lediglich die üblichen Floskeln ein und das hatte sie nicht verdient.
Plötzlich wisperte es in seinem Kopf: »Sie sind hier.«
Die Reparaturen an der Celestine erwiesen sich als äußerst problematisch. Das Ausmaß der Schäden war schlimmer, als Jason befürchtet hatte. Zwar führten sie einige Ersatzteile mit sich, aber oft musste improvisiert, ein weniger wichtiges Gerät für die Instandsetzung eines Notwendigen geopfert werden. Widerwillig gestand sich Jason ein, dass sein Schiff ein einziger Schrottklumpen war, mit dem sie vielleicht eine nahe Werft würden anfliegen können, aber die Rückkehr in die Heimat war im Moment völlig ausgeschlossen.
Jason hatte über seine Sorgen noch nicht mit Shilla, die ihre Lage vermutlich ähnlich einschätzte, gesprochen. Zwischen ihnen hatte sich seit ihrer Auseinandersetzung eine Kluft aufgetan: Er konnte seine Enttäuschung und das Misstrauen, das in ihm schwelte, nicht verleugnen, und obwohl sie Verständnis für sein Verhalten aufbrachte, verletzte sie seine Reaktion. Scheiße! Ob es jemals wieder wie früher sein würde?
Frustriert schüttelte Jason den Kopf und setzte den Schraubenschlüssel, den er in Gedanken hatte sinken lassen, erneut an. Dafür war später noch genug Zeit; jetzt wollte er sich nicht von seinen Gefühlen ablenken lassen. Die Celestine musste repariert werden und er wollte nach Hause, zurück in die Milchstraße. Konzentrieren, ermahnte er sich, während er seine Arbeit fortführte.
Ohne fremde Hilfe würden sie nicht von hier – wo auch immer das war – wegkommen. Bloß, wo und von wem konnten sie Unterstützung erhalten? Dies war ein von der Galaxis weit entfernter Teil des Universums, den vermutlich noch nie ein Mensch zuvor erreicht hatte; das allein stand mit Sicherheit fest, anderenfalls hätte die Astrometrie bekannte Bezugspunkte entdecken müssen. Würden sie mit den ansässigen Lebensformen überhaupt kommunizieren können? Wenn ja, waren diese bereit, den Gestrandeten zu helfen – oder würde man sie als sonderbare Exoten gründlich untersuchen und anschließend in einem Zoo ausstellen? Lieferten sie sich gar dem ominösen Feind aus, dessen Nähe Shilla deutlicher spürte als jemals zuvor?
»Sie sind hier«, hatte die Vizianerin gesagt.
Bei diesen Worten war es Jason eiskalt den Rücken hinuntergelaufen.
Nur wenige Gerüchte waren ihm bislang zu Ohren gekommen, eine unbekannte Bedrohung betreffend, die er als Raumfahrergarn abgetan hatte, bis sie sich in dem schlichten Sie unvermittelt zu manifestieren begann. Damit nahm die Beteiligung des Raumcorps und der Galaktischen Kirche an der Aktion auf Seer’Tak eine neue Dimension an. Offenbar wusste man in den Führungsetagen dieser Organisationen mehr, als durchgesickert war oder auch einem Captain Sentenza mitgeteilt wurde.
Das Auftauchen des Haischiffs hatte jedenfalls alle überrascht. Wie viele von diesen gefährlichen Dingern mochten sich bereits in der Milchstraße befinden? Schon den Verteidigungssystemen und Waffen von einem einzigen Raumer hatten die Celestine, die Ikarus und die anderen Schiffe nicht viel entgegensetzen können. Planten die Fremden eine Invasion – oder weshalb waren sie gekommen? In dieser Galaxie würde es nur so von ihnen wimmeln, falls Shilla recht hatte und hier die Heimat des unbekannten Feindes war …
Seltsamer Zufall, dass sie von der Singularität ausgerechnet in den Winkel des Universums geschleudert worden waren, aus dem der ominöse Gegner stammte. Möglicherweise hatte es mit der Energiesignatur der Waffe zu tun, die der Hairaumer eingesetzt hatte. Es war die einzige plausible Erklärung: Die Waffe musste dafür verantwortlich sein, dass die Celestine an dem Ort aus dem Hyperraum ausgetreten war, der sich durch analoge Energien auszeichnete. Es war, als hätten sie das Schiff … angesaugt.
Einen Hoffnungsschimmer gab es: Wenn sie in der Lage waren, die Milchstraße zu erreichen, dann gab es garantiert die Technologie, welche die Celestine dringend für die Reparatur des Antriebs benötigte. Das Problem war nur, an die Aggregate heranzukommen.
»Ich empfange Funksignale«, meldete Shilla.
Jason ließ das Werkzeug fallen und hastete sofort in die Zentrale, als er den telepathischen Ruf vernahm. »Wer ist der Absender?«
»Konnte noch nicht identifiziert werden. Falls es eine unverschlüsselte Nachricht ist, handelt es sich um keine der Datenbank bekannte Sprache.«
»Das wäre auch zu schön gewesen, hätte man uns mit einem warmen Hallo, einem gut gekühlten Bier und einer Sternenkarte begrüßt, auf der unser Heimweg markiert ist«, erwiderte Jason trocken. »Haben die Sensoren das Schiff schon erfasst?«
»Es befindet sich noch außerhalb der Reichweite, aber … gleich … Hier kommt das Bild.«
Da der Holografieprojektor demontiert worden war, ließ Shilla das Objekt auf dem Hauptmonitor erscheinen.
»Was ist denn das?«, wunderte sich Jason.
Wenn die Angaben stimmten, und daran bestand natürlich kein Zweifel, war der sich nähernde Raumer gigantisch. Er sah aus, als hätte man ihn aus unzähligen verschiedenen Schiffen zusammengeflickt. In bizarren Winkeln ragten waghalsige Konstruktionen, denen keine konkreten Funktionen zugeordnet werden konnten, in alle Richtungen.
Es war unmöglich, in diesem Durcheinander eine bestimmte geometrische Grundform zu erkennen. Einzelne Sektionen schienen alt und reparaturbedürftig; sie trugen tiefe Narben von eingeschlagenen Teilchen und waren überzogen mit kosmischem Staub. Andere Segmente hatte man offenbar erst vor wenigen Jahren hinzugefügt, denn sie wirkten sauber, vergleichsweise modern und technisch weiterentwickelt.
Jason kannte kein Volk, das solche – einem verwirrten Geist entsprungene? – Riesenraumer baute. Von einem derart aberwitzigen Schiff, wie mochte da erst die Crew ausschauen? Er schluckte. Hoffentlich folgten die Gedankengänge dieser Leute nicht den Gipfeln und Schluchten der Außenhülle ihres fliegenden Irrsinns …
»Wenigstens ist es kein Haischiff«, sagte Jason. »Kannst du die Gedanken der Besatzung lesen?«
Shillas Blick wurde für einen Moment leer, als sie sich konzentrierte. Dann schüttelte sie bedauernd den Kopf. »Sie sind noch zu weit weg und die Impulse sind sehr fremdartig. Zumindest kann ich sie dort drüben nicht spüren.«
»Es sieht nicht so aus, als ob sie uns angreifen wollten«, überlegte Jason. »Sie fliegen langsam und ohne Schutzschirm. Es gibt keine Anzeichen, dass Waffensysteme scharf gemacht werden. Für gewöhnlich sendet man auch keinen Funkspruch und kündigt eine Salve an. Hm, ob sie uns helfen können?«
»Mach dir lieber keine großen Hoffnungen«, riet Shilla. »Wenn du mich fragst: Das ist ein einziges fliegendes Ersatzteillager. Allerdings fürchte ich, dass die Leute nichts entbehren können, sofern sie überhaupt etwas haben, das für unsere Zwecke brauchbar ist. Ich möchte wetten, ziehst du irgendwo auch nur eine Schraube heraus, bricht der ganze Kahn auseinander. Manche Bereiche müssen unglaublich alt sein. Das ursprüngliche Schiff existiert vielleicht schon gar nicht mehr. Man hat offenbar seit Generationen Verschleißteile immer wieder notdürftig geflickt, mit neuen Aggregaten ergänzt oder ummantelt. Ausgetauscht wird bloß, was völlig unbrauchbar geworden ist. Ich traue denen zu, dass sie sogar den Staub verwenden, um Risse abzudichten … Nein, bei denen gibt es nichts für uns zu holen. Eher werden sie uns anbetteln.«
»Vermutlich hast du recht. Wer ein Schiff fliegt, das aussieht, als wären die einzelnen Teile von sämtlichen raumfahrenden Völkern der Galaxie geborgt, wird kaum die Technologie besitzen, die wir benötigen, um die Celestine wieder flottzumachen. Womöglich müssen wir aufpassen, dass sie nicht unser Schiff assimilieren, weil sie ein paar der Schrottstücke als nützlich erachten könnten. Aber in unserer gegenwärtigen Situation bleibt uns nichts anderes übrig, als abzuwarten, was sie von uns wollen … und das Beste zu hoffen. Wir antworten auf ihren Funkspruch.«
Eine