Rebellen gegen Arkon. Hans KneifelЧитать онлайн книгу.
winkelte ich die Arme an. Ich hatte wieder Gefühl in den Fingerspitzen.
Mein Gürtel war tatsächlich an drei Stellen zerfetzt. Meine technische Ausrüstung, schon vorher nicht besonders üppig, hatte ich vollständig eingebüßt. Dafür funktionierte der Aktivatorchip in meiner Schulter einwandfrei.
Meine Ohren nahmen kaum etwas wahr als das allgegenwärtige, nicht besonders laute Windgeräusch der Wüste. Es gab keine Stimmen, keine Maschinengeräusche. Nur meinen eigenen Atem – und den zu hören war mir immerhin eine große Beruhigung.
Ich zweifelte mittlerweile daran, dass tatsächlich ein Zeitexperiment stattgefunden hatte. Es gab nicht den geringsten Hinweis darauf, sah man von den Behauptungen der verrückten Positronik ab. Die Tatsache, dass ich noch am Leben war, schien eher das Gegenteil zu stützen.
Langsam drehte ich mich einmal um die eigene Achse. Mein photographisches Gedächtnis hatte ein genaues Abbild der Wüste aufgezeichnet. Im Detail ergaben sich zahlreiche Unterschiede; hier ein verlagerter Stein, dort eine neue Senke, außerdem war die Umgebung merklich rauer, urwüchsiger anzusehen als vorher.
All diese Details konnten auch auf einen völlig anderen Vorgang zurückzuführen sein als ausgerechnet auf eine Zeitreise. Ich wusste nur nicht, auf welchen.
Ich hatte den Eindruck, dass ein verbrannter Geruch in der Luft lag. Der Wind trug sämtliche aerosolen Brandrückstände schnell davon. Wenn es einen Brand gegeben hatte, musste er sofort wieder erloschen sein.
Mein zweiter Impuls war, davonzurennen und mich in Deckung zu begeben. Doch ich zwang mich, weiterhin mit sparsamen Bewegungen zu agieren.
Ob dies eine ferne Vergangenheit war oder nicht, blieb dahingestellt – dass es sich um eine höchst eigenartige, wahrscheinlich gefährliche Lage handelte, in der ich mich befand, stand außer Zweifel.
Vorsichtig vollendete ich eine komplette Drehung um meine Achse. Nichts war zu sehen. In meine Glieder kehrte das Gefühl vollständig wieder zurück. Von nun an hielt ich mich für handlungsfähig. Ich kletterte vom Altar herab.
»Gehirn?«, fragte ich mit halblauter Stimme.
Keine Antwort.
Wenn es stimmte, was die Positronik zuvor behauptet hatte, dann fehlte ihr die Energie. In dem Fall konnte sie keine Antwort mehr geben.
Ich näherte mich einer Kuppel. Es war eines der Gebäude, die Cinthia für verschlossen erklärt hatte. Nun aber stand der Eingang offen.
Der Extrasinn erklärte: Es ist denkbar, dass sich ohne funktionierende Energieversorgung sämtliche Türen automatisch geöffnet haben. Und zwar dann, wenn die Verriegelung auf energetischen Feldern beruht.
Ich lugte vorsichtig ins Innere. Falls es automatische Geschütze gab, so waren sie ebenso lahmgelegt wie das Stationsgehirn und die Türverriegelung.
Nach wenigen Sekunden gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Ich besaß keine Lampe, also musste ich mit dem spärlichen Licht auskommen, das durch den Türspalt fiel.
Mein Blick fiel auf bullig wirkende, absolut unverständliche Gerätebatterien. Polierte Oberflächen wechselten sich mit fein gerasterten Strukturflächen ab. Armdicke Leitungen oder Rohre verbanden die Aggregate miteinander. Einige der Blöcke reichten bis zur Kuppeldecke, also vierzig Meter hoch, andere türmten sich wie wacklige Kartons übereinander.
Ich unternahm einen Rundgang.
Mit den geeigneten Messgeräten hätte ich zweifellos Stunden in der Kuppel zugebracht; mit nichts als den bloßen Händen schien mir ein weiterer Aufenthalt wenig sinnvoll.
Die nächste Kuppel unterschied sich kaum von der ersten, nur dass die Dichte der Aggregate weitaus höher lag. Dasselbe beim dritten Versuch – und Kuppel Nummer vier war jene, die ich bereits in Begleitung von Cinthia inspiziert hatte.
Die fünfte und letzte Kuppel brachte mir endlich so etwas wie einen Erfolg. Ich erkannte auf Anhieb die typischen Bauformen einer Positronik, und auch die wenigen Bedienungselemente schienen mir vertraut. Es handelte sich um Technik, wie die Meister der Insel sie verwendet hatten.
Hast du daran noch gezweifelt, Narr?
Die Positronik erwies sich als inaktiv. Keine der Schaltungen, die ich probeweise vornahm, bewirkte eine Veränderung. Die Kontrollen blieben dunkel. Ohne Energie war kein Zugriff auf die Systemsteuerung möglich.
Im hinteren Teil der Kuppel war die Orientierung besonders schwer; hierher gelangte kaum noch ein Lichtstrahl. Dennoch gelang es mir, die Speicherbatterien der Energieversorgung zu identifizieren.
»Da liegt also das Problem …«, murmelte ich.
Angenommen, hier hat tatsächlich ein Zeitexperiment stattgefunden, begann der Logiksektor, dann wirst du eine Möglichkeit suchen müssen, die Speicher wieder aufzufüllen. Sonst kannst du nicht in die Gegenwart zurückkehren.
Ich fand, dass mein Extrasinn in seinen Folgerungen zu weit vorauseilte. Noch war die Theorie eines Zeitsprungs nicht bewiesen.
Wo sind dann Cinthia und die Archäologen?
Ich ignorierte die Stimme in meinem Inneren. Stattdessen vollendete ich den kleinen Rundgang. In einem besser einsehbaren Bereich der Kuppel stockte ich plötzlich; meine Nase nahm wieder den verbrannten Geruch wahr, wenn auch nur in Spuren.
Mir fiel eine Art Schnittstelle zwischen Positronik und Energieversorgung ins Auge. Ich bemerkte eine deutlich geschwärzte, rußige Stelle.
»Da hat irgendwas geschmort!«, erklärte ich triumphierend. »Na also!«
Narr! Das ist nichts, worüber du dich freuen solltest. Eine Beschädigung wäre ein schwerer Nachteil für dich.
Ich nahm mir eine halbe Stunde Zeit, mich im Gewirr der Schaltungen und positronischen Verknüpfungen zurechtzufinden. Ohne Energie war es schwer, den Sinn der Konstruktion zu durchschauen, und es gelang mir auch nur in bescheidenem Maß.
Am Ende der halben Stunden förderte ich jedoch ein Bauteil zutage, das deutlich beschädigt war. Es ließ sich von Hand aus seiner Halterung lösen. Wenn ich das Schaltmuster richtig durchschaute, dann wurde von hier aus die Energie in den Rest der Kuppelanlage geschleust.
Im Augenblick der vollständigen Speicherentleerung musste sich ein energetischer Überschlag ereignet haben.
Mit zusammengekniffenen Augen drehte ich das Objekt: Es schien sich um eine Art Brillant zu handeln, jedenfalls legte der Facettenschliff den Gedanken nahe. Trotz des Zwielichts erkannte ich ein rauchig-transparentes Violett mit schwärzlichen Einschlüssen. Die Einschlüsse deuteten auf beschädigte Stellen hin.
Es handelte sich um ein zentrales Bauteil. Ob es irgendwo in der Station so etwas wie ein Ersatzteillager gab, wagte ich zu bezweifeln. Vielleicht in den unterirdischen Bereichen; doch wie sollte ich die untersuchen, solange ich nicht über Licht, Werkzeug und Ortergerät verfügte?
Ich fand mich damit ab, dass die Angelegenheit kompliziert werden würde.
In der Kuppel gab es für mich nichts mehr zu tun. Es schien mir logisch, zunächst die restlichen Umstände zu klären.
Nachdenklich bewegte ich mich in Richtung Ausgang. Das von Abermilliarden Sandkörnern gestreute Licht der Yssods-Wüste war blendend grell. Ich blickte in die Richtung, die ich für Norden hielt, und überlegte, ob es eine Möglichkeit gab, zu Fuß nach Erican zurückzugelangen.
Mein Extrasinn beurteilte den Plan als aussichtslos. Andererseits würde ich allein in der Wüste in kurzer Zeit verdursten, Zellaktivator oder nicht. Vielleicht gab es irgendeine andere Siedlung, die ich erreichen konnte?
Narr! Pass auf!
Ich stand sofort still. Mit allen Sinnen lauschte ich in die Wüste hinaus. Etwas war falsch, ich wusste nur nicht, was.
»Okay, Fremder!«, ertönte plötzlich eine Stimme. »Das reicht jetzt!«
Am Rand