DSA 109: Hjaldinger-Saga 3 - Eis. Daniel JödemannЧитать онлайн книгу.
einen Moment, ehe er begriff. »Ihr seid endlich hier! Schnell! Wie müssen …« Er sah sich hastig um.
Sie standen irgendwo zwischen schwelenden eingestürzten Langhäusern im Zentrum von Hjaldingafjord. Wenn die unförmigen Umrisse dort drüben die Halle Ullbjerns waren, dann befand er sich nicht weit von dem Ort entfernt, an dem die Myrmidonen sie gestellt hatten.
Palomelios fasste ihn am Arm – so fest, dass er aufstöhnte. Erneut ignorierte der Optimat Wrekars warnendes Grollen. »Uns bleibt keine Zeit, Xelias Arnarssun. Ist dir diese Ansiedlung vertraut? Kennst du die Umgebung, die Türme des Morgens im Westen?«
»Die Bergatun?« Er nickte hastig. »Ja.« Die dunklen Umrisse der Erschlagenen lagen zwischen den Häusern verteilt. Angst und Panik schnürten seine Brust zusammen. »Habt Ihr hier eine junge Frau gesehen, Exzellenz? Rotes krauses Haar … Oder einen Mann, einen Skalden, der …« Er machte einen Schritt und stöhnte auf. Sein verletzter Fuß wollte ihn nicht tragen.
Der Magier musterte ihn skeptisch. »Du kannst kaum aufrecht stehen. Zeig uns nur den Weg, beschreibe uns rasch, wie der Hafen dieser Siedlung aufgebaut ist.«
»Ich kann stehen!«, protestierte Xelias. »Und es ist kein Hafen, eher ein Anleger. Warum fragt Ihr? Was plant Ihr?«
Palomelios zögerte kurz. »Die Myrmidonen haben die Überlebenden deines Volkes zusammengetrieben und bereiten sie darauf vor, verschifft zu werden. Wenn wir uns beeilen, vermögen wir sie vielleicht noch zu retten.«
Xelias’ Augen flogen zu den Leichen. Keine davon erinnerte ihn an Firnvild oder Faravid. »Ich weise Euch den Weg. Greifen Eure Truppen von Land an? Habt Ihr Schiffe, Exzellenz?«
Der Optimat schüttelte den Kopf. »Die anderen … Der Rest von uns wird für eine Ablenkung sorgen. Das gibt uns die Gelegenheit, die Gefangenen zu befreien und in Sicherheit zu bringen. Rasch, uns bleibt nicht mehr viel Zeit!«
Einer der Zauberer reichte Xelias eine Axt. »Du kannst damit umgehen?«
»Natürlich. Ich bin ein Hjaldinger.« Er hinkte hastig weiter, der Axtgriff in seinen Händen gab ihm ein wenig Trost. Wrekar blieb an seiner Seite. »Wie viele Überlebende gibt es, Exzellenz? Ich nahm nicht an, dass sie auch nur einen am Leben lassen.«
»Viel mehr, als du denkst«, brummte der Optimat, der ihnen mit weit ausholenden Schritten voranging.
Sie bahnten sich einen Weg durch die schwelenden Ruinen. Sie stießen auf keine Soldaten. Am Ufer war Lichtschein zu sehen.
»Vorsicht«, warnte Palomelios und duckte sich. »Und halte deinen Hund unter Kontrolle!«
Xelias blinzelte in das Licht der zahlreichen Wachfeuer.
Auf dem flachen Strand, der zum Wasser hinabführte, und auf den sonst immer die Langschiffe hinaufgezogen wurden, saßen und hockten Hunderte Hjaldinger. Viele der Krieger hatte man in Ketten geschlagen und miteinander durch Fesseln verbunden, einige lagen verletzt oder bewusstlos auf dem Boden. Kinder kauerten weinend bei den Erwachsenen, die tröstend die Arme um sie gelegt hatten – sicherlich waren nicht alle davon ihre eigenen.
Dutzende Myrmidonen in bunt bemalten Rüstungen umstanden die Überlebenden, die Spitzen ihrer Kentemen auf die Gefangenen gerichtet. Weiter draußen, auf dem Meer, zeichneten sich klobige Umrisse ab – imperiale Galeeren.
Eine Abordnung Myrmidonen trat vor und zog eine Reihe Gefangener grob auf die Beine. Die Hjaldinger wehrten sich, fluchten und schlugen nach den Soldaten, behinderten sich wegen der Ketten aber nur gegenseitig. Die Myrmidonen zerrten die Gefangenen mit sich zum einzigen Pier. Boote lösten sich aus dem Schatten einer Galeere und hielten auf den Anleger zu.
»So viele Überlebende«, stieß Xelias hervor. »Warum?«
Palomelios nickte stumm in der Dunkelheit. »Die Charybalis legen Wert darauf. Sie haben einen Verwendungszweck für sie.« Er wies zu einem Feuer auf der anderen Seite hinüber. »Siehst du das?«
Ein kalter Schauder lief Xelias den Rücken hinab.
»Die Tigergarde des Thearchen«, erklärte der Optimat. »Seine Divinität will sichergehen, dass der Feldzug von Erfolg gekrönt ist.«
Sicherlich zwanzig Tigramaniz standen und saßen dort. Manche verzehrten rohe, gehäutete Ziegen, andere schärften ihre Schwertlanzen. Unweit von ihnen lagen aufgeschichtete Waffen – Äxte, Schilde, Speere, sogar Rüstzeug und Helme.
»Wenn die Garde abgelenkt ist, entledigen wir die Gefangenen ihrer Ketten, bewaffnen sie und bringen sie von hier fort.« Palomelios musterte Xelias in der Dunkelheit eindringlich. »Es kann nur hilfreich sein, wenn einer der ihren den Überlebenden versichert, dass wir hier sind, um zu helfen – und dass sie sich nicht sinnlos in einen Kampf stürzen, den sie nicht gewinnen können.«
Xelias wagte es, sich ein wenig aufzurichten, und suchte nach vertrauten Gesichtern unter den Gefangenen. Faravid und Firnvild hockten zwischen ihnen, aneinandergekettet. Ullbjerns Tochter saß zusammengesunken da, doch sie lebte noch. Sein Herz schlug schneller.
»Xelias?«, drängte der Optimat.
Er nickte hastig. »Ich kämpfe mit Euch, Exzellenz. Ich bin ein Hjaldinger, kein Feigling.«
Der Graubärtige musterte ihn prüfend. »Also gut.«
Xelias atmete tief durch. »Greifen wir jetzt an?«
Palomelios schüttelte leicht den Kopf. »Noch nicht.«
»Worauf warten wir?«
»Auf die Ablenkung.« Der Zauberer wies mit der Spitze seines Knochenstabs das Ufer hinab.
Die dunklen Umrisse waren markant genug. »Insektopter«, murmelte Xelias. Die imperialen Fluggeräte hatten Feuerbrände auf Hjaldingafjord abgeworfen und schon beim Vorrücken der Imperjas den Verteidigern enorm zugesetzt.
Und Jurga war nicht hier, um sie mit ihrem Schutzgeist vom Himmel zu holen.
Der Gedanke versetzte Xelias einen Stich. Ich schwor Effar, keinen Fuß mehr auf das Meer zu setzen. Was auch immer gleich geschieht, Vardur sehe ich nie wieder. Hoffentlich findet er einen Weg nach Osten. Hoffentlich gibt es das rettende Land, die neue Heimat, wirklich.
Hätten sich Ullbjern und Firnvild nur dazu bewegen lassen, sich Jurga anzuschließen.
Hätte Xelias doch nicht voreilig diesen Eid geleistet.
Eine Explosion auf der anderen Seite des Uferstreifens ließ ihn zusammenzucken. Zwei Flammensäulen stiegen in die Luft, erhellten Ufer und Meer. Die Bruchstücke der beiden Insektopter flogen etliche Schritte weit in alle Richtungen.
Die Köpfe der Myrmidonen und Gefangenen ruckten herum. Die Tighrir sprangen auf. Einer von ihnen stieß einen kehligen Befehl aus. Die Tigramaniz griffen zu den Waffen und eilten auf die Explosionen zu. Ein Offizier der Myrmidonen sammelte einen Teil seiner Soldaten um sich. Auch diese Abordnung hastete im Laufschritt auf die Insektopter zu.
»Jetzt!« Palomelios erhob sich. »Es muss schnell gehen! Befrei die Gefangenen, Xelias, und überlass uns die Myrmidonen! Sorg dafür, dass sich deine Landsleute bewaffnen und die Flucht antreten!«
Auch die übrigen Zauberer standen auf. Sie hoben ihre Hände und Stäbe.
Xelias packte die Axt fester. »Bei Rondris’ Kralle«, presste er hervor und lief los, so schnell ihn sein verletzter Fuß trug. Wrekar eilte ihm mit weit ausholenden Sprüngen voraus.
Die Myrmidonen, die bei den Gefangenen zurückgeblieben waren, wandten sich um. Sie sahen Xelias reglos – ja, geradezu überrascht und amüsiert – entgegen. Doch dann, mit einem Mal, veränderte sich ihr Gebaren und sie wichen ein oder zwei Schritte zurück. Alarmiert hoben sie ihre Waffen.
Ein riesiger Blutbüffel preschte mit angriffsbereit gesenktem Kopf vorbei und jagte auf die Soldaten zu. Seine Hufe hämmerten auf den Boden. Er überholte Xelias und nahm immer mehr Geschwindigkeit auf.
Rechterhand eilte mit weiten Sätzen ein Bär heran, gefolgt von einem röhrenden Thakur.