Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit. Gisela MayrЧитать онлайн книгу.
limited conception that fails to address the realities of a globalized, technologically sophisticated knowledge-based society. In urban contexts across North America and Europe, the student population is multilingual and students are exposed to, and engage in many different literacy practices outside school (…). Within school, however, he teaching of literacy is narrowly focused on literacy in the dominant language and typically fails to acknowledge or build on the multilingual literacies or the technologically- mediated literacies that form a significant part of students‘ cultural and linguistic capital. (Cummins 2006: 53)
Der mehrsprachige Dialog, so wie er im mehrsprachigen aufgabenorientierten Unterricht praktiziert wird, befähigt zu einer MKK in mehrerlei Hinsicht. Das heißt, der Begriff der kommunikativen Kompetenz wird im mehrsprachigen Unterricht durch eine Reihe von Aspekten erweitert, die im Folgenden im Einzelnen aufgezeigt und erläutert werden. Die Modellierung der MKK erfolgt zunächst, indem relevante Ergebnisse der Mehrsprachigkeitsforschung in diesem Bereich aufgezeigt werden. Diese werden anschließend mit den Ergebnissen der diskursanalytischen Untersuchung der mehrsprachigen Aushandlungsprozesse abgeglichen und in einem Abstraktionsprozess zur Modellierung der MKK herangezogen.
4.2 MKK und symbolische Kompetenz
Eine Definition von MKK ist nicht möglich, ohne die Perspektive des CLT (Communicative Language Teaching) zu überwinden und durch die symbolische Dimension des Spracherwerbs und -gebrauchs zu erweitern, wie sie Claire Kramsch erstmals umrissen hat. Wie bereits erwähnt, betrachtet CLT Sprache als Medium der sozialen Interaktion, ein formelles Konstrukt also, dessen Regeln und Anwendungsmuster es im Fremdsprachenunterricht zu vermitteln gilt. Hauptanliegen dieser Form des Unterrichts ist es, Lernende zu befähigen, die nötigen sprachlichen und pragmatischen Kompetenzen zu erwerben, um durch Sprache korrekt, angemessen und erfolgreich sozial interagieren zu können. Dazu muss Sprache zunächst kognitiv erfasst und verinnerlicht werden, um anschließend als Medium der Kommunikation in einer Reihe von sozialen Kontexten je nach Bedarf und Zielsetzung Anwendung zu finden (Canale & Swain: 1980). Sprache wird hauptsächlich als Instrument und als Werkzeug verstanden, um bestimmte pragmatische Ziele zu erreichen. Zu diesem Zweck setzt der CLT-Unterricht den Fokus auf realistische Interaktion im Klassenzimmer, indem Alltagssituationen zunächst vorgeführt und dann im Idealfall in einem kommunikativen Unterrichtssetting nachgestellt werden.
4.2.1 Die symbolische Form als Baustein für die Identitätsbildung
Der Begriff der symbolischen Kompetenz entstammt einem Verständnis von Sprache nicht nur als formales Konstrukt, sondern auch als „lebendige Verkörperung der Realität“ (engl.: lived embodied reality, Kramsch 2009: 4). Sprache ist für Kramsch in vielerlei Hinsicht symbolisch, wobei sich der Begriff „symbolisch“ über die Jahre für Kramsch um vieles erweitert hat. Symbolisch bedeutet zunächst die Darstellung von Realität, wie sie durch Sprache erfolgt, diese entfaltet sich laut Kramsch auf drei Ebenen (Kramsch 2011: 357):
Die Ebene der Darstellung: Sie beinhaltet grammatikalische und lexikalische Strukturen, die als konzeptionelle Darstellungen Aufschluss geben über die Funktionsweise des Geistes.
Die Ebene der Handlung: In Form von Sprechakten, Genres und symbolischen Interaktionsregeln gibt sie Aufschluss über die Wirksamkeit von Worten und Absichten der Sprechenden.
Die Ebene der Macht: Durch Intertextualität werden Werte einer Gesellschaft, ihres kollektiven und individuelles Gedächtnisses, Ideologien, Emotionen und Erwartungen offen gelegt (vgl. Bourdieu 1991: 163).
Sprache ist für Kramsch zudem für das Individuum in zweierlei Hinsicht symbolisch: Einerseits, weil sie durch ihre symbolischen Formen als konventionelles Medium zur Realitätsdarstellung dient und andererseits, weil eben diese symbolischen Formen durch Wahrnehmung, Emotionen, Haltungen und Werte die subjektive Realität jedes einzelnen konstruieren (Kramsch 2009: 7). So werden sprachliche symbolische Formen zu Bausteinen für die Bildung einer sozialen Identität. Dieser Identität wohnt die Sehnsucht und das Bestreben inne, sich mit dem anderem, dem Fremden zu identifizieren, sei dies nun ein anderer Sprecher, eine andere Sprache oder ein anderes Selbst. Eine solche Sehnsucht wird von Kristeva als desire bezeichnet (Kristeva 1980: 203) bzw. als Wunsch, aus den Einschränkungen der eigenen sprachlichen Realität zu entfliehen und nach Selbsterfüllung zu streben (Kramsch 2009: 14).
Sprache ist also ein symbolisches Medium, mittels welches Gegenstände, Handlungen, Kontexte und Menschen dargestellt werden. Symbolisch ist daher für Kramsch auch die Konstruktion von Wahrnehmung, Einstellungen, Glauben, Werten, Bestrebungen und Sehnsüchten, die darin Ausdruck finden (ibid.: 6). Besonders junge Menschen haben laut Kramsch das Bedürfnis, ihren innersten Gefühlen und Wünschen Ausdruck zu verleihen, da sie sich auf der Suche nach der eigenen Identität und ihrer Positionierung in der Erwachsenenwelt befinden. Im Sprachenunterricht können sie sich erstmals ihrem eigenen Sprachgebrauch kritisch gegenüberstellen und die enge Beziehung zwischen ihrer Sprache, ihrem Körper und ihren Gedanken erkennen (ibid.: 5). Durch MKK gelingt es Lernenden, beeinflusst durch die unterschiedlichen Bedeutungen, die in Sprachgemeinschaften zur Beschreibung von Ereignissen Anwendung finden, diese symbolische Dimension von Sprache zu begreifen und eine neue Selbstwahrnehmung zu entwickeln.
Da Subjektivität teils aus der bewussten, im Geistigen verankerten und teils unbewussten körperlichen Bedeutung besteht, die wir selbst dank der Vermittlung symbolischer Formen geben, ist das sprechende Subjekt durch diese Eigenschaft bestrebt, sich selbst und die anderen nicht nur als das zu sehen, was sie im Augenblick darstellen, sondern auch deren Vergangenheit und deren Geschichte. Ebenso kann zukünftiges sprachliches Handeln erahnt werden. Ein Subjekt zu werden bedeutet für Kramsch, ein Bewusstsein für die Leerstellen zwischen den Wörtern und Sprachen zu entwickeln und für die möglichen vergangenen und zukünftigen Bedeutungen, die darin liegen (ibid.: 18).
Durch die soziale Interaktion ergibt sich Intersubjektivität, denn jedes Subjekt kann sich selbst nur vollständig erkennen, wenn es sich in einem anderen spiegelt. Intersubjektivität kann nur durch strukturierte und an einen Kontext gebundene Gesprächspraktiken erfolgen, unter Voraussetzung eines geteilten Weltwissens. Sie wird gestaltet durch Gesprächsroutinen und Strategien, die ständig angepasst und verändert werden müssen. Es werden dabei in dem Augenblick, in welchem durch Sprechakte soziale Realität geschaffen wird, soziale und kognitive Anforderungen an die Sprechenden gestellt (vgl. Gumperz 1982; Duranti & Goodwin 1994). Diese Realität wird in einem bestimmten Kontextualisierungsrahmen und vor dem Hintergrund eines geteilten Auslegungssystems anhand spezifischer Sprechverhalten konstituiert.
4.2.2 Kulturelle und soziale Rekontextualisierung
In der mehrsprachigen Kommunikation sind multiple kulturelle und soziale Kontextualisierungen vorhanden, daher muss gemeinsame Bedeutung im Diskurs erst gefunden und neue Symbole erschaffen werden, damit Kommunikation funktionieren kann. Andererseits ist zu tolerieren, dass manchmal Kommunikation eben nicht möglich ist. Zu berücksichtigen ist dabei, dass das mehrsprachige Subjekt unterschiedliche Sprachrollen einnehmen kann. Dazu ist nicht nur der gegenwärtige Rahmen nötig, sondern auch die kulturelle und geschichtliche Vielfalt, die die einzelnen Sprachen mit sich bringen, gebunden an die Subjektivität des Einzelnen, seiner ganz persönlichen Auslegung der Symbole, seiner Erinnerungen und Visionen (Kearney 2016: 47).
Diese Intersubjektivität ist laut Kramsch gleichzustellen mit Intertextualität (Kramsch 2009: 20). Intersubjektives Handeln im mehrsprachigen Kontext befähigt die Lernenden in erhöhtem Maße, Genres und ihre Eigenschaften in den verschiedenen Sprachen zu erkennen, sie zu vergleichen und in ihren mehrsprachigen Gesprächspraktiken zu nutzen, indem sie bewusst ins Gespräch eingebaut, vermischt, neu interpretiert oder parodiert werden. Laut Kramsch gehören Genres zum Sprachhabitus. Sie prägen sich durch ihren routinemäßigen Gebrauch in die mentalen Skripts ein und werden als selbstverständlich angenommen, sie formen unsere mentalen Muster und Denkweisen, ohne dass wir uns dessen bewusst werden, dabei erleben wir die Welt durch sie. Sie prägen das Denken und die Wahrnehmung der Welt mit, ohne dass ein Bewusstsein darüber entstehen kann.
Die Sprecher eignen sich Genres und ihre Eigenschaften im Gespräch